Stolpersteine Warmbrunner Straße 50-52

Hausansicht Warmbrunner Str. 50

Diese Stolpersteine wurden am 4.6.2021 verlegt.

Stolperstein Dr. Hans Librowicz

HIER WOHNTE
DR. HANS
LIBROWICZ
JG. 1890
VERHAFTET 1936
FLUCHT 1937
ENGLAND

Hans wurde am 30. Oktober 1890 in Hohensalza, polnisch Inowrazlaw, im Polnischen Korridor geboren. Er studierte Medizin in München und Berlin, arbeitete als Doktor im Ersten Weltkrieg, verdiente das Eiserne Kreuz 2. Klasse für eine bestimmte Tapferkeit über die er nie sprach, studierte nach Entlassung aus der Armee in Berlin Zahnheilkunde und ließ sich nach Beendigung des Studiums in der Warmbrunner Straße nieder.

Er traf seine künftige Frau Luise Schwab in Baden-Baden, wo beide in der Sommerfrische waren und sie heirateten im September 1924.

Sie hatten einen Sohn, Rudolf Oscar, geboren im Mai 1926 und eine Tochter, geboren im Juni 1930. Sie traten naturgemäß in das gesellschaftliche Leben Berlins ein und hatten viele jüdische und christliche Freunde. Zufälligerweise waren ihre besten Freunde, die Bandows, christlich.

1936 wurden beide Eltern von der Gestapo verhaftet, glücklicherweise nur für einen Tag, aber das Geschehnis gab ihnen den Ansporn, sich um eine Auswanderung zu bemühen. Die Verhaftung war ein „blessing in disguise“, ein „verkleideter Segen“. Wenn sie nicht geschehen wäre, wäre die ganze Familie wahrscheinlich bald in die Gaskammern von Auschwitz geschickt worden, so wie es vielen Familienmitgliedern, die nicht zur rechten Zeit fliehen konnten, geschah.

Wir konnten im November 1937 nach England in die Stadt Bradford auswandern, in der Hans seinen Beruf weiter ausüben konnte, nur musste er die Praxis von neuem aufbauen und zur gleicher Zeit eine ganze Familie erhalten. Das war finanziell eine schwere Zeit, die mit der Einführung des Nationalen Gesundheitsdienstes 1948 etwas gelindert wurde.

Bei Ankunft in Bradford wurde er Mitglied von der orthodoxen Synagoge, wechselte aber in 1952, um sich der Reformsynagoge anzuschliessen, wo er später Vorsitzender wurde.

Etwa im Jahr 1975 ging er in den Ruhestand und starb 1981 an Altersschwäche.

Text: Rudi Leavor

Stolperstein Luise Librowicz

HIER WOHNTE
LUISE LIBROWICZ
GEB. SCHWAB
JG. 1901
VERHAFTET 1936
FLUCHT 1937
ENGLAND

Luise Librowicz geb. Schwab wurde 1901 in München geboren. Im Alter von 2 Jahren zog sie mit der Familie nach Frankfurt/Main.

Nach ihrer Schulausbildung arbeitete sie freiwillig bei einer Bertha Pappenheim, einer Fürsorgerin in Isenburg bei Frankfurt. Dort war manchmal ihre Aufgabe, Babies von unverheirateten Mädchen, die ihr Kind nicht behalten wollten, in deren Heim zu bringen.

Sie traf ihren zukünftigen Mann in Baden-Baden, wo beide in der Sommerfrische waren und sie heirateten 1924. Sie bekamen 1926 einen Sohn, Rudolf Oscar (Rudi) und 1930 eine Tochter.

Zusammen mit ihrem Gatten wurde sie 1936 in Berlin von der Gestapo verhaftet, aber nach einem Tag entlassen. Das gab beiden den Ansporn, sich um eine Auswanderung zu bemühen, die tatsächlich im November 1937 stattfand.

Mit der Familie fuhr sie im November 1937 nach England in die Stadt Bradford, wo sie in der Zahnheilpraxis ihres Gatten Sprechstundenhilfe war. Gleichzeitig musste sie den Haushalt mit zwei Kindern führen. Nach ein paar Jahren engagierte sie Mädchen, die in der Praxis arbeiteten.
Sie und ihr Gatte hatten einen Freundeskreis, der hauptsächlich aus anderen Flüchtlingen bestand, aber allmählich auch aus englischen Freunden.

Luise schloss sich auch Synagogen an und wurde in der Reformsynagoge Sekretärin des Nördlichen – Provinz – Komitees, dann Vorsitzende vom Musikkomitee der ganzen Reformgesellschaft in England.

Sie starb 1983 an Magenkrebs.

Text: Rudi Leavor

Stolperstein Rudolf Oscar Librowicz

HIER WOHNTE
RUDOLF OSCAR
LIBROWICZ
RUDI LEAVOR
JG. 1926
FLUCHT 1937
ENGLAND

Rudolf Oscar Librowicz wurde am 31. Mai 1926 in Berlin geboren. Er besuchte von 1932-1936 die 13. Volksschule Schmargendorf, die jetzt Judith-Kerr-Grundschule heißt, und von 1936-1937 die jüdische Schule in der Großen Hamburger Straße, das jetzt Moses-Mendelssohn-Gymnasium heißt.
In Bradford, also nach der Übersiedlung nach England, besuchte er die Bradford Grammar School. In 1939 feierte er seine Bar Mitzvah. Von 1943-1950 besuchte er die Universität zu Leeds, wo er Zahnheilkunde studierte.

Nach Beendigung des Studiums musste er für zwei Jahre „Nationaldienst“ als Zahnarzt in der Armee verüben, den er zum Teil in Österreich verbringen konnte. Wieder im Zivilleben, arbeitete er hauptsächlich in der Kleinstadt Heckmondwike. Er bemühte sich politisch im Nationalen Gesundheitsdienst im Bereich der Zahnheilkunde, wo er viele Jahre lang über 1000 Zahnärzte in der Provinz Yorkshire im Ausschuss in London vertrat.

In London in 1954 lernte er die aus Breslau, jetzt Wroclaw, stammende Marianne Bright kennen. Ihr Vater war Richter in Deutschland. Sie heirateten im August 1955 und hatten vier Kinder: Anthony geb. 1959, Jonathan geb. 1962, Deborah geb. 1968, Caroline geb. 1971. Alle vier sind verheiratet mit zusammen acht Enkelkindern und einer Großenkelin.
Vor der Geburt von Anthony änderten die Librowicz’ den Nachnamen in Leavor.

In der Reformsynagoge war Rudi sehr aktiv und wurde dessen Vorsitzender. Für Dienste des engen Kontakt zwischen den verschiedenen Religionen wurde ihm der Orden „British Empire Medal“ im Dezember 2017 von der Vertreterin der Königin verliehen. Ebenso kamen Anerkennungen von der Zeitung „The Times“, von der Stadt Bradford und von der Bradforder Sikh Vereinigung.

Rudolf, genannt Rudi, war sehr an Musik interessiert und sang 50 Jahre in einem großen Chor in Leeds und komponierte Einiges, u. A. eine Kantate „Enosh“ (Mensch), aus Melodien, die aus der Synagoge stammen. Sie besteht aus Rezitativen, die den Holocaust kurz beschreiben, mit beigefügten Vor-, Nach- und Zwischenspielen und das Ganze bearbeitet, um ein laufendes Konzertstück zu schaffen.

2015 starb Marianne im Alter von 81 Jahren an den Folgen von Lungenkrebs, obwohl sie nie geraucht hatte.

Text: Rudi Leavor

Rudi starb am 27. Juli 2021, wenige Wochen nach der Verlegung seines Stolpersteins in der Warmbrunner Straße. Die Fotos von der Verlegung erreichten ihn noch.