Drucksache - 1599/5  

 
 
Betreff: Mehr Mieterschutz in CW III - Schloßstraße und Amtsgerichtsplatz unter Milieuschutz stellen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD/Grüne/LINKE 
Verfasser:Sempf/Tillinger/Kempf/Wapler/Juckel/Schenker 
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
27.08.2020 
48. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Stadtentwicklung Beratung
16.09.2020 
87. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung - Besucher möchten sich vorab im BV-Büro anmelden! vertagt   
07.10.2020 
88. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung - Besucher möchten sich bitte vorab im BV-Büro anmelden! vertagt   
21.10.2020 
89. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung - Besucher möchten sich vorab im BV-Büro anmelden! ohne Änderungen im Ausschuss beschlossen   
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
29.10.2020 
50. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin - Besucher möchten sich vorab im BV-Büro anmelden! ohne Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag
Dringlichekitsbeschlussempfehlung
Beschluss
Vorlage zur Kenntnisnahme

Die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf hat in ihrer Sitzung am 29.10.2020 beschlossen:

Das Bezirksamt wird ersucht, schnellstmöglich für die Planungsräume 05 (Schloßstraße) und 12 (Amtsgerichtsplatz) ein Aufstellungsbeschluss zu fassen und der BVV innerhalb von 12 Monaten eine Vorlage zur Beschlussfassung für eine soziale Erhaltungsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB vorzulegen. Für die Zeit zwischen Aufstellungsbeschluss und Vorlage zur Beschlussfassung durch die BVV ist eine Veränderungssperre zu erlassen

Der BVV ist bis zum 31.12.2020 zu berichten.“

_______________________________________________________________________________________

Das Bezirksamt teilt dazu Folgendes mit:

Hintergrund

Im März 2020 wurde der Endbericht r eine vertiefende Untersuchung zu Anwendungsvoraussetzungen für die Festsetzung eines sozialen Erhaltungsgebiets nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGBr das Gebiet „Klausenerplatz/Sophie-Charlotte-Platz“ veröffentlicht. Anhand der Auswertung von Daten und Indikatoren aus einer Haushaltsbefragung und Ortsbildanalyse (Primärdaten) sowie statistischen Daten und Daten zur sozialen Infrastruktur (Sekundärdaten) hinsichtlich Aufwertungspotentialen, Aufwertungsdruck, Verdrängungspotential, Verdrängungsbewegungen, wurde im Endbericht ausschließlich die Festsetzung des Teilgebiets Klausenerplatz empfohlen. Die beiden Teilgebiete Amtsgerichtsplatz und Schloßstraße wiesen hingegen nur einen sehr geringen Anteil einer verdrängungsgefährdeten Bewohnerschaft der Gebietsbevölkerung auf. Folglich wurde keine Festsetzung empfohlen.

Am 21.10.2020 empfahl der Ausschuss für Stadtentwicklung, dass die BVV einen Aufstellungsbeschluss für eine soziale Erhaltungsverordnung für die Planungsräume 05 (Schloßstraße) und 12 (Amtsgerichtsplatz) beschließen solle (Drucksache Nr. 1599/5). Die BVV folgte dieser Empfehlung mit Beschluss vom 29.10.2020.

Auf Grundlage eines Rechtgutachtens sowie in Rücksprache mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen wurde eine erneute vertiefende Untersuchung zur Ermittlung von Anwendungsvoraussetzungen für die Festsetzung eines sozialen Erhaltungsgebiets nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB für die Gebiete „Schloßstraße“ und „Amtsgerichtsplatz“ beauftragt. Mit Bekanntmachung vom 21.04.2021 folgte ein Aufstellungsbeschluss für das Gebiet Schloßstraße/Amtsgerichtsplatz, welcher am 30.04.2021 im Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht wurde. Im Januar 2022 wurde der Endbericht r die vertiefende Untersuchung zu Anwendungsvoraussetzungen für die Festsetzung eines sozialen Erhaltungsgebiets nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGBr das Gebiet „Schloßstraße/Amtsgerichtsplatz“ veröffentlicht. Anhand der Auswertung von Daten und Indikatoren aus einer Haushaltsbefragung und Ortsbildanalyse (Primärdaten) sowie statistischen Daten und Daten zur sozialen Infrastruktur (Sekundärdaten) hinsichtlich Aufwertungspotentialen, Aufwertungsdruck, Verdrängungsgefährdung, Verdrängungsdruck, Gebietsbindung/Infrastrukturnutzung, wurde im Endbericht keine Festsetzung empfohlen, auch keine Festsetzung eines Teilgebiets.

 

Abbildung: Darstellung Untersuchungsgebiet „Schloßstraße/Amtsgerichtsplatz“

 

Das untersuchte Gebiet Schloßstraße/Amtsgerichtsplatz befindet sich im Ortsteil Charlottenburg, unmittelbar süstlich anschließend an das soziale Erhaltungsgebiet Klausenerplatz und wird im den von der S-Bahntrasse begrenzt. Im untersuchten Gebiet leben 22.928 Einwohner*innen (EMR, Stand: 31.12.2020). Das Gebiet erstreckt sich im regionalen Bezugssystem der amtlichen Statistik Berlins über die Planungsräume Schloßstraße und Amtsgerichtsplatz, die identisch mit den Gebietsgrenzen des Untersuchungsgebiets sind.

Das Gebiet Schloßstraße/Amtsgerichtsplatz charakterisiert sich durch seine sehr attraktiven Wohnlagen in unmittelbarer Nähe zum Schloss Charlottenburg und dem Lietzensee. Es wird durch den Kaiserdamm in zwei Kieze zerschnitten, kreiert aufgrund seines städtebaulichen Charakters aber ein sehr einheitliches Bild, welches durch eine zusammenhängende Blockrandbebauung mit weit verbreitetem Altbaubestand gekennzeichnet ist. Die Mischung aus Wohnen, Gewerbe und sozialer Infrastruktur zeichnet das Bild eines heterogenen Quartiers, wobei die gewerbliche Nutzung verstärkt an den großen Magistralen und Hauptverkehrsstraßen vorherrscht. So erfüllen der Kaiserdamm/Bismarckstraße, die Schloßstraße und die Kaiser-Friedrich-Straße ihre Funktion als Geschäftsstraßen und bilden gleichzeitig städtebauliche Barrieren zu angrenzenden, sozialen Erhaltungsgebieten im Stadtteil Charlottenburg. Der größte Teil des gesamten Wohnungsbestands befindet sich im Eigentum größerer, privater Wohnungsunternehmen oder ist durch privates Streueigentum geprägt. Laut den erhobenen und ausgewerteten Daten zur sozialen Infrastruktur (u.a. Auslastung Kitas, Schulen und sonstige soziale Einrichtungen, Versorgung mit Spielplätzen, öffentlichen Grünflächen, Sportstätten) besteht derzeit ein größtenteils ausgeglichenes Verhältnis zwischen der lokalen Infrastruktur und der Gebietsbevölkerung.

 

Ergebnisse vertiefende Untersuchung

Aus den Untersuchungsergebnissen geht hervor, dass für das Gebiet Schloßstraße/Amtsgerichtsplatz insgesamt

-          ein hohes Aufwertungspotenzial im Wohnungsbestand durch mietumlagefähige Modernisierungsmaßnahmen anhand der Anhebung des Ausstattungsstandards, Grundrissänderungen zur Zusammenlegung von Klein- zu Großwohnungen oder Teilungen von Groß- zu Kleinwohnungen sowie energetische Gebäudesanierung besteht.

-          Weiterhin konnte ein hoher Aufwertungsdruck nachgewiesen werden, der sich beispielsweise in aufllig dynamischen Entwicklungen der Angebotsmieten sowie stark überdurchschnittlichen Umwandlungs- und Verkaufsdaten manifestiert und einen Hinweis darauf gibt, dass die Aufwertungspotenziale in dem lagegünstigen Wohnungsbestand bereits ausgeschöpft werden.

-          r den Großteil der Gebietsbevölkerung besteht derzeit eine geringe Verdrängungsgefährdung. Dies ist damit zu begründen, dass die Gebietsbevölkerung stark durch gebildete Haushalte ohne Kinder mit überdurchschnittlichen Einkommen und derzeitig geringen Mietbelastungsquoten geprägt ist. So beträgt das Äquivalenzeinkommen im Gebiet 2.220,33 € (Berlin: 1.673 €), während 44 % der Haushalte eine Mietbelastung von nicht mehr als 20 % aufweisen. Ein sehr geringer Anteil der Haushalte im Untersuchungsgebiet verfügt über Einkommen, das sich unterhalb der Armutsschwelle befindet, oder weist bereits zum jetzigen Zeitpunkt sehr hohe Mietbelastungen auf, sodass diese stark verdrängungsgehrdet sind.

-          Im Gebiet Schloßstraße/Amtsgerichtsplatz besteht ein geringer Verdrängungsdruck. Dieser wird anhand der fehlenden Hinweise auf bereits stattfindende Veränderungsprozesse in der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung abgeleitet.

-          Der Großteil der Gebietsbevölkerung weist eine geringe Gebietsbindung auf, die trotz einer langen bis sehr langen Wohndauer im Gebiet keine starke Nutzung
oder Angewiesenheit auf die lokale Infrastruktur erkennen lässt.

 

Die Entwicklungen ausgewählter Strukturdaten lassen perspektivisch stärkere Tendenzen zur baulichen Aufwertung der Wohnungsbestände erwarten und werden zu einer weiteren Zunahme der Attraktivität des Wohnquartiers führen.

In der Untersuchung konnte somit ein relevantes Aufwertungspotenzial im Wohnungsbestand in Verbindung mit einem hohen Aufwertungsdruck auf das Untersuchungsgebiet Schloßstraße/Amtsgerichtsplatz festgestellt werden. Die Gebietsbevölkerung, weist jedoch nur in sehr geringem Umfang eine Verdrängungsgefährdung oder eine ausgeprägte Gebietsbindung bzw. Angewiesenheit auf den Wohnungsbestand und die Infrastrukturausstattung des Gebiets auf. Die Fehlbelegung des Wohnungsbestands im Untersuchungsgebiet umfasst etwa 30 % des Wohnungsbestands und ist bei einem Viertel des Bestands auf eine Unterbelegung zurückzuführen. Dies betrifft besonders größere Wohnungen mit drei und mehr Zimmern, was sich auch im überdurchschnittlichen Wohnflächenverbrauch des Gebiets widerspiegelt.

 

Bei Ausschöpfung der Aufwertungspotenziale im Wohnungsbestand werden die zu erwartenden Folgen für die Wohnbevölkerung zum derzeitigen Stand insgesamt nicht als hinreichend bewertet, um städtebauliche Nachteile i.S.v. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB auszulösen.

Auf der Grundlage dieser Ergebnisse empfiehlt das Gutachten zum derzeitigen Zeitpunkt keine Festlegung einer Erhaltungsverordnung gem. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB für das Untersuchungsgebiet Schloßstraße/Amtsgerichtsplatz, da nachteilige städtebauliche Folgen durch eine potenzielle Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung durch (städte-)bauliche Entwicklungen in dem Gebiet in naher Zukunft nicht im größeren Umfang zu befürchten sind.

Der Untersuchungsbericht wurde dem Bezirksamt im Januar 2022 vorgelegt und im Februar von den Fachgutachter*innen dem Ausschuss für Stadtentwicklung vorgestellt. Parallel erfolgte eine Veröffentlichung auf der bezirklichen Homepage. Anschließend gab es mehrere Gelegenheiten für Rückfragen aus den Reihen der Bezirksverordneten sowie der interessierten Öffentlichkeit zu welchen der Fachbereich Stadtplanung und die Fachgutachter*innen Stellung nahmen u.a. auch eine Einwohner*innenversammlung.

Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin folgt der gutachterlichen Empfehlung und setzt kein soziales Erhaltungsgebiet, auch kein Teilgebiet, im Bereich Schloßstraße/Amtsgerichtsplatz fest. In der BA-Sitzung am 10.05.2022 wurde beschlossen, den Beschluss des Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin vom 21.04.2021 (ABl. Nr. 17 / 30.04.2021), über die Aufstellung einer sozialen Erhaltungsverordnung zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuchs mit der Bezeichnung „Schloßstraße/Amtsgerichtsplatz“, Ortsteil Charlottenburg aufzuheben. Am 03.06.2022 wurde dieser Beschluss im Amtsblatt Nr. 22 auf Seite 1348 veröffentlicht.

 

Das Bezirksamt bittet, den Beschluss damit als erledigt zu betrachten.

 

 

Kirstin Bauch Fabian Schmitz-Grethlein

Bezirksbürgermeisterin Bezirksstadtrat

 
 

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