Drucksache - 1319/5  

 
 
Betreff: Ergebnisse des Kindergesundheitsberichtes 2019
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 
Verfasser:Kempf/Wapler/Kaas Elias 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
24.10.2019 
37. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   

Sachverhalt
Anlagen:
Große Anfrage
Große Anfrage - Beantwortung

Sehr geehrte Frau Vorsteherin,

 

Zu 1. Welche Ursachen sieht das Bezirksamt für die laut Kindergesundheitsbericht 2019 schwierige Entwicklung in den Bereichen Grundimmunisierung, Sprache, emotional-soziale Entwicklung und Lernen?:

Der Rückgang der Impfquoten zeigt sich nicht nur für den Bezirk, sondern ist berlinweit zu verzeichnen und lässt sich laut Bettge et al. (SenGPG - Grundauswertung der Einschulungsuntersuchungen in Berlin 2017) am ehesten in den Zusammenhang mit dem steigenden Zuwanderungszahlen von Kindern aus Ländern mit unterschiedlichen Impfschemata und fehlendem Zugang zu primärpräventiven Maßnahmen bringen. Demnach seien die berlinweiten Impfraten für Kinder mit Migrationshintergrund bzw. für Kinder, die nicht in Deutschland geboren wurden, kontinuierlich gesunken.

In Deutschland erstellt die ständige Impfkommission (STIKO) Impfempfehlungen. Solche Empfehlungen werden in jedem Herkunftsland je nach Häufigkeit der dort auftretenden Infektionskrankheiten und der dortigen Notwendigkeit erstellt undnnen somit vom Impfschemata der STIKO abweichen. Hierher zugezogene Kinder haben häufig Schwierigkeiten Kinderärzte zu finden, wo dann die für Deutschland fehlenden Impfungen nachgeholt werden können.

Daneben sind im Bezirk aber auch sinkende Impfquoten für Kinder deutscher Herkunft sowie r Kinder mit hohem Sozialstatus (Anm.: deren Eltern Impfgegner sind) zu beobachten. Ursachen für sinkende Impfquoten lassen sich möglicherweise auch in der steigenden Impfskepsis vermuten; sind aber weitaus komplexer. Zudem konnte aufgrund der schwierigen Personalsituation auch der KJGD nicht flächendeckend Impfbuchkontrollen in Schulen und Kitas durchführen und auf fehlende Impfungen hinweisen.

Der Anteil der Kinder mit Sprachdefiziten hat sich im Vergleich zum Vorbericht auf 29% verdoppelt. Für die letzten drei Einschulungsjahrgänge zeichnen sich für Kinder deutscher Herkunft und Kinder nicht deutscher Herkunft mit guten und sehr guten Deutschkenntnissen jedoch wieder bessere Ergebnisse in der Sprachentwicklung ab (Einzig im Test „tze nachsprechen“ sind weiterhin Verschlechterungen festzustellen.). Der gestiegene Anteil an Kindern mit Sprachdefiziten muss daher ebenfalls vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren zunehmenden Zahl an Kindern nichtdeutscher Herkunftssprachen bzw. neu zugewanderten Familien, die in der teilweise kurzen Aufenthaltszeit in Deutschland noch keine ausreichenden Deutschkenntnisse aufbauen konnten, bewertet werden. 80% der Kinder, die im Ausland geboren sind, zeigen Sprachdefizite. Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund, die nicht oder kaum Deutsch sprechen, lag zuletzt bei 15%. Eine mögliche Ursache für fehlende Deutschkenntnisse wird in dem überdurchschnittlich hohen Anteil an Familien im Bezirk liegen, die zuhause kein Deutsch (11%; Berlin: 8,7%) sprechen (in Familien mit beidseitigem Migrationshintergrund: 28,8%).

Aus Sicht des KJGD ist die Ursache der schwierigen Entwicklung in der Sprache von der Kitabesuchsdauer der Kinder abhängig. Ebenso sind der Sozialstatus und das Geburtsland des Kindes (in Deutschland geboren ja/nein), sowie die Sprache, die in der Familie gesprochen wird, wichtige Parameter in der Sprachentwicklung eines Kindes. Die hohe Zahl an Kindern, die keinen Kitaplatz erhalten können, fällt damit auch aus vielfältigen anderen präventiven Angeboten heraus, z.B. werden diese Kinder nicht durch die Reihenuntersuchungen des KJGD in den Kitas erfasst.

Der KJPD unterstützt in diesem Zusammenhang das Angebot von Sprachheilklassen, welches in den Schulen ein wertvolles Angebot für Kinder mit beeinträchtigter Sprachentwicklung darstellt.

Hinsichtlich des Förderbedarfs im Bereich der emotional-sozialen Entwicklung zeigt der Bericht tendenziell einen anteilig höheren Bedarf für Kinder mit niedrigem Sozialstatus, Migrationshintergrund und ausländischem Geburtsort. Ursachen für den gestiegenen Förderbedarf lassen sich nicht eindeutig aufzeigen, sondern bestehen aus verschiedenen miteinander verbundenen Einflüssen.

Aus Sicht des KJPD sollten für eine gute emotional-soziale Entwicklung ausreichend Kita- Plätze zur Verfügung stehen, um in kleinen Gruppen mit besserem Betreuer-Schlüssel arbeiten zu können. Weiterhin sind eine enge pädagogische Strukturierung, weniger offene Konzepte zugunsten kleiner, fester Gruppen mit festen Erziehern_Innen sinnvoll, um Strukturierung eng umsetzen und verbindliche Beziehungsangebote machen zu können. Es sollten tägliche Sportangebote in der Kita (angeleitet, strukturiert, regelmäßig), evtl. auch mit den Therapeuten des BA erfolgen sowie die Einrichtung von Sozialarbeit auch an den Kitas gefordert werden.

Der Anteil der Kinder mit Förderbedarf im Bereich Lernen ist in den betrachteten Jahren 2015 bis 2017 leicht von 0,7% auf 1,4% gestiegen. Aufgrund der geringen Fallzahlen sind für den Bezirk keine tiefergehenden Rückschlüsse möglich.

Vom KJGD erhalten den Förderschwerpunkt Lernen nur entwicklungsverzögerte Kinder, bei denen ein IQ-Test vom Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) oder Kinder- und Jugendpsychiater*innen vorliegt, da dieser Förderschwerpunkt eine Lernbehinderung beinhaltet. Der Zugang zum Lernen kann durch kleinere Klassen und dadurch individueller Förderung vermutlich verbessert werden. Auch die Etablierung einer Sozialstation in der Schule/Hort, temporärer Lerngruppen und das Angebot von mehr Schul-Ersatzprojekten können zu verbessertem Lernen beitragen.

Es werden zudem auch Förderzentren / Schwerpunktschulen für das Lernen bei entwicklungsverzögerten Kindern benötigt.

Zu 2. Wie will das Bezirksamt erreichen, dass sich die Ergebnisse in den oben genannten Punkten verbessern und welche Maßnahmen wird das Bezirksamt hierfür umsetzen?

Über Einzelmaßnahmen hinaus wird mit der derzeitigen Erarbeitung einer integrierten kommunalen Strategie zur Gesundheitsförderung (Präventionsketten) eine übergeordnete Strategie aufgestellt, die die Prävention und Gesundheitsförderung u.a. in der Lebensphase „Gesund aufwachsen“ als Ganzes in den Fokus stellen will (s. Punkt 3). Als Handlungsfelder für Maßnahmen sind zunächst „Bewegungsförderung“ und „psychische Gesundheit“ geplant.

Zudem macht der KJGD bei allen Untersuchungen, die angeboten werden, Impfbuchkontrollen, in denen dann Empfehlungen zu versäumten Impfungen gemacht werden bzw. Impflücken geschlossen werden.

Die Sprache wird möglichst frühzeitig, schon vor den Einschulungsuntersuchungen, möglichst flächendeckend bei Kita-Reihenuntersuchungen getestet, um auffällige Kinder und deren Eltern frühzeitig beraten zu können und ggf. in Therapie zu bringen.

Bei emotional-sozial auffälligen Kindern ist auch die frühzeitige Beratung und Begleitung der Kinder notwendig, so dass eine Anbindung an z.B. das Sozialpädiatrische Zentrum (SPZ), ab der Kita-Reihenuntersuchung beginnen kann. Individuell können sehr auffällige Kinder bereits vor dem Kita-Reihenuntersuchungsalter von 3 ½ bis 4 ½ Jahren in Entwicklungstesten getestet und die Eltern beraten werden. Dies gilt auch für lernbehinderte Kinder.

 

Zu 3. Wie wird das Bezirksamt präventiv agieren, um zukünftig einer Verbesserung der Entwicklung der Kinder im Bezirk zu erreichen?

 

Neben spezifischen Angeboten des Gesundheitsamtes zur Prävention und Gesundheitsförderung wird derzeit an einer übergeordneten integrierten Strategie zur Gesundheitsförderung bei Kindern und Jugendlichen gearbeitet: Die Abteilung Soziales und Gesundheit hat 2016 damit begonnen bestehende Projekte, Akteure (u.a. Kitas, Familienzentren, Frühe Hilfen etc.) und Verwaltungsressorts, die sich für das gesunde Aufwachsen von Kindern engagieren, stärker zu unterstützen und zu vernetzen. Ziel ist es, die vielfältigen bestehenden Angebote zu bündeln und die gesundheitsförderlichen Aktivitäten im Bezirk auszubauen. Mit der Besetzung der Stelle „Koordination für Gesundheitsförderung und Prävention“ in der Planungs-und Koordinierungsstelle Ende 2018 wurde dieser Prozess aufgegriffen und fortgeführt. Ziel ist der Aufbau von integrierten kommunalen Strategien, den sogenannten Präventionsketten, die ein lebenslaufbezogenes integriertes Handlungskonzept zur Gesundheitsförderung und Prävention darstellen. Für die nachhaltige strukturelle Integration von Präventionsketten im Bezirk werden aktuell Gesundheitsziele für den Bereich „Gesund aufwachsen“ entwickelt. Grundlage für mögliche Schwerpunktsetzungen bilden auch die Ergebnisse des Kindergesundheitsberichts 2019.

Der KJGD kann präventiv durch eine bessere Personalausstattung mehr Impfbuchkontrollen an Schulen anbieten und auch mehr Sprechstunden, in denen Impfungen durchgeführt werden könnten.

Die Kita-Reihenuntersuchungen nnten bei einer besseren Personalausstattung ebenfalls flächendeckender durchgeführt werden. Besser wäre eine gesetzlich festgelegte Pflichtuntersuchung wie die Einschulungsuntersuchung, da für die Kita-Reihenuntersuchung nicht immer die Einwilligung der Eltern gegeben wird, so dass nicht alle Kinder frühzeitig gesehen werden. Die Chance, die in der Kita-Reihenuntersuchung der Kinder besteht, frühzeitig auffällige Kinder in der sprachlichen Entwicklung, im emotional-sozialen Bereich und beim Lernbereich zu erkennen, die Eltern entsprechend zur Förderung des Kindes zu beraten sowie ggf. Therapien zu veranlassen, kann nicht für alle Kinder genutzt werden. Zur Unterstützung der Kinder mit Therapien müsste auch der therapeutische Ambulanzbereich weiter ausgebaut werden (bisher Psychomotorikgruppen, Ergotherapie ist geplant, Logopädie gibt es nur an den Förderzentren).

Weiterhin sieht der KJPD den Bedarf an besserer personeller Ausstattung in den Fachdiensten, damit regelmäßige Sprechstunden und kurzfristig niederschwellige Beratungsangebote gemacht werden können, auch im Rahmen einer Lotsen- und Vernetzungsfunktion. Auch Sprechstunden/ Beratungsangebote für bestimmte Gruppen, wie z.B. für Kinder psychisch kranker Eltern sind präventiv wünschenswert, da diese Kinder ein erhöhtes Risiko haben, selbst eine psychische Erkrankung zu entwickeln.

Grundsätzlich sind mehr Kitaplätze für alle Kinder sind sehr wichtig und Vorlesegruppen müssen ausgebaut werden, um die Sprache spielerisch zu fördern.     

 

D. Wagner

 

 
 

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