Thema des Monats August 2012

Liegenschaftspolitik im Bezirk

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Rathaus Wilmersdorf 1990, Foto: KHMM

Rathaus Wilmersdorf 1990, Foto: KHMM

Das Bezirksamt musste in diesem Jahr zur Schließung einer Deckungslücke im Haushaltsplan umfangreiche Einsparvorschläge machen. Dazu gehört die Abgabe mehrer Grundstücke und Immobilien an den Liegenschaftsfonds Berlin, darunter auch das Rathaus Wilmersdorf.

CDU-Fraktion

Die bezirklichen Liegenschaften sind das letzte Kapital, das der Bezirk noch besitzt. Dieses Kapital muss auf Dauer gesichert werden. Hierzu hat die Koalition aus SPD und CDU in Berlin den Rahmen mittels des Koalitionsvertrages gesetzt. In Anlehnung daran sollen landeseigene Grundstücke künftig nicht mehr nur nach dem Bieterverfahren zu vergeben sein. Stattdessen sollen auch soziale, kulturelle und ökologische Konzepte eine Rolle spielen. Möglich sind hier eine Direktvergabe oder eine Vergabe in Erbpacht. Das ermöglicht den Bezirken, neue Wege zu gehen, was die CDU-Fraktion in Charlottenburg-Wilmersdorf unterstützt. Grundstücke und Gebäude, die der Bezirk nicht mehr nutzt, können so in Zukunft dem Wohnungssektor zugeführt werden, so dass sich auf lange Sicht auch wieder der Mietpreis im Bezirk verringert. Der Bezirk wird so seine Attraktivität weiter steigern und jungen Familien den Zuzug wieder ermöglichen.
Karsten Sell

SPD-Fraktion

Die Haushaltspolitik des Landes Berlin zwingt uns, Gebäude, die hohe Infrastrukturkosten verursachen, zum Verkauf anzubieten. Das geschieht durch die Abgabe an den Liegenschaftsfonds. Doch Flächen und Gebäude dürfen nicht um jeden Preis abgegeben werden! Wir arbeiten gezielt darauf hin, dass
1. kommunale Angebote in einer ausgewogenen Mischung in allen Kiezen erhalten bleiben,
2. der Liegenschaftsfonds aufgefordert wird, bei bestimmten Verfahren auf das Höchstpreisverfahren zu verzichten und Baugenossenschaften oder gemeinnützige Projekte bei der Vergabe zu bevorzugen.
Sowohl im Bezirk als auch auf Landesebene wollen wir eine nachhaltige Stadtentwicklung. Dazu gehört auch, dass Gebäude und Flächen für die Daseinsvorsorge im Landesbesitz bleiben müssen. Denn was einmal verkauft ist, ist für den Bezirk verloren.
Heike Schmitt-Schmelz

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Verkaufen um den höchsten Preis? Für den Haushalt 2012/2013 wurde vorgeschlagen, den Abenteuerspielplatz Holsteinische Straße, das UCW sowie das Haus Pangea zu verkaufen. Das wurde von uns Grünen abgelehnt, da es zu kurzsichtig war. Der Bezirk hat kaum Kompetenzen, aber der Verkauf von Grundstücken durch den Senat bedarf einer grundsätzlichen Neuausrichtung. Was soll langfristig mit den Gebäuden geschehen? Wie können wir durch Erbbaurecht oder andere Instrumente langfristig Gewinne abschöpfen ohne zu privatisieren und den Gestaltungsanspruch aufzugeben? Wir unterstützen die Forderung der Initiative Stadt Neudenken (http://stadt-neudenken.tumblr.com) nach eine Verkaufsmoratorium und einer breiten Diskussion mit den BerlinerInnen. Denn wenn die Grundstücke und Häuser einmal verkauft sind, sind sie weg!
Alexander Kaas Elias, Ansgar Gusy

Drucksache – 0271/4: Bodenpolitik entwickeln – Charlottenburg-Wilmersdorf neudenken!? Antwort des Stadtentwicklungsstadtrats Marc Schlute, BVV-Sitzung am 14.06.2012

Piraten

Nach Einschätzung der Piraten findet eine Liegenschaftspolitik im engeren Sinne auf Bezirksebene nicht statt. Grund dafür ist, dass dem Bezirk keine Grundstücke gehören, er hat lediglich ein Nutzungsrecht – mit entsprechenden Kosten. Eventuelle Verkäufe wickelt der Liegenschaftsfond Berlin ab. Bei einem Verkauf erhält der Bezirk nur einen Erlös, den er sich nach einem Schlüssel mit dem Land und den anderen Bezirken teilen muss. Bei der geplanten Aufgabe des Rathauses Wilmersdorf kommen wir so zu einer Erlöserwartung von 3 Mio Euro – bei der Größe von Grundstück und Gebäude ein (schlechter) Witz. Eigentumsrechte und eigene Liegenschaftspolitik der Bezirke wären Punkte, über die im Sinne einer vielfältigen und lebendigen Stadtentwicklung künftig mit dem Senat verhandelt werden müsste.
Siegfried Schlosser

Die Linke

Liegenschaftspolitik im Bezirk? O weh! Da fällt mir doch vor allem der traurigste Tag, den ich in meiner kurzen Zeit in der BVV erleben musste, ein: der 8. März 2012, an dem der Bezirkshaushalt für die Jahre 2012 und 2013 beschlossen wurde. Darin war auch der Verkauf bzw. die Abgabe verschiedener bezirklicher Gebäude vorgesehen, sogar des Rathauses Wilmersdorf. Wenn man den damaligen Reden glauben durfte, wollte das niemand. Dennoch stimmten SPD und Grüne zu. Die miserable finanzielle Lage des Bezirks hätte keine andere Lösung erlaubt.
Klar, die bezirklichen Möglichkeiten sind gering und das Geld knapp. Kommunales Eigentum, das uns allen gehört, aufzugeben, ist aber keine Liegenschaftspolitik, sondern kurzsichtig, fantasielos und ziemlich armselig. Gerade das Rathaus ließe sich gut für kulturelle, soziale und Bildungszwecke nutzen, für ein paar Wohnungen oder Wohnprojekte wäre da in den oberen Stockwerken ebenfalls Platz. Und die Mieteinnahmen dafür entlasten auch noch den Haushalt.
Marlene Cieschinger