Thema des Monats Dezember 2012

Gaslicht: Denkmal contra Umweltschutz?

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Die Schinkelleuchten werden vorerst nicht umgerüstet, Foto: Raimund Müller

Die Schinkelleuchten werden vorerst nicht umgerüstet, Foto: Raimund Müller

Am 20. November wurden in der Holtzendorffstraße die ersten Gaslaternen gegen Neonleuchten ausgetauscht. Es handelte sich dabei um sogenannte Peitschenlampen aus den 1950er Jahren. Insgesamt 8.000 dieser Modelle will der Senat bis 2016 durch kostengünstigere Elektrolampen ersetzen. Die anderen 32.000 Berliner Gaslaternen, darunter auch die historischen “Schinkelleuchten”, sollen später auf LED-Licht umgerüstet werden.

CDU-Fraktion

Umweltschutz und die fehlenden finanziellen Mittel müssen als Argumente für den Abriss der im Bezirk betriebenen Gasstraßenbeleuchtung herhalten. Dabei ist der Betrieb der Gaslaternen natur- und umweltverträglich, und, mit Biogas betrieben, kann das goldgelbe Licht zu einer Neuauflage dieser ingenieurtechnischen Leistung durchaus beitragen.
Die Kosten für die Umrüstung auf Kompaktleuchtstofflampen mit Quecksilberanteil sollen in Berlin laut Schätzungen mindesten bei 170 Millionen Euro liegen. Das heißt die vorgesehenen Einsparungen, unter Berücksichtigung von Zins- und Tilgungszahlungen, stellen sich erst nach 80 bis 100 Jahren ein.
Auch aus diesen Gründen fordert die CDU-Fraktion den weitestgehenden Erhalt der historischen Gasstraßenbeleuchtung in unserem Bezirk. Dieses kulturelle Erbe aus vergangenen Zeiten sollte nicht aus ökonomischen Gründen aufgegeben werden. Den Gaslichtinitiativen sowie den Anwohnerinnen und Anwohnern danken wir für das bürgerrechtliche Engagement und sichern unsere Unterstützung zu.
Gerd Huwe

SPD-Fraktion

Ein Denkmal gegen den Umweltschutz auszuspielen oder auch umgekehrt macht für Umweltaktivisten wie für Kulturverbundene wenig Sinn. Sinnvoller ist ein Abwägen der beiden Werte. Ist das Gaslicht, das eine bedeutende und unverzichtbare Rolle bei der industriellen Revolution spielte, weil es das erste Licht war, das rund um die Uhr zur Verfügung stand und damit mit Webstuhl, Dampfmaschine u.v.m auf einer Bedeutungsstufe steht, in seiner historischen Ausführung erhaltenswert oder wiegen die Umweltschutzkriterien schwerer, so dass alle Gasleuchten umgerüstet werden müssen? Diese Entscheidung ist und war nie eine bezirkliche. Trotzdem hat die BVV schon 2006 einen Antrag, getragen von CDU/SPD und Grüne, beschlossen, der für den Erhalt der historischen Leuchten plädierte. Die Reaktionen der Landesverwaltungen sprachen sich daraufhin für den Erhalt der historischen Leuchten und der Lichtqualität aus. Wer nun darüber hinaus den Erhalt will, muss sich an das Abgeordnetenhaus wenden. Alles andere ist Spiegelfechterei.
Wolfgang Tillinger

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Die Kontroverse um´s Gaslicht ist heftiger geworden – und unübersichtlicher. Ist die Demontage des Berliner Gaslichts nun ein sinnvolles Gebot des Umweltschutzes – oder ist sie eine kulturpolitische Untat? Das Problem ist, dass die Abwägung beider Aspekte – wenn überhaupt – hinter dem Rücken der Öffentlichkeit geschehen ist. Es ist nicht nachvollziehbar, ob 30 Mio. Euro Steuergeld nicht besser in eine andere, klimapolitisch wirksamere Maßnahme investiert worden wären. Eine Ökobilanz für den gesamten Gaslicht-Abriss-/Neubauplan bis 2020 (mit geschätzten Gesamtkosten von 170 Millionen) liegt ebenso wenig vor wie eine begründete Definition der denkmalwürdigen Gebiete. Ein Versäumnis des Senats, das die Bürgerinnen und Bürger übel nehmen. Dass dieser Senat ihre Fragen und zugleich auch ihren Mitgestaltungsanspruch, zuletzt formuliert im BVV-Beschluss für einen bezirklichen „Zukunftsplan Gaslicht”, noch immer überhört, passt nicht zur sonntags gern beschworenen Bürgerbeteiligung. Höre Senat: „Nicht Dir gehört die Stadt!”
Nadia Rouhani

Piraten-Fraktion

Die Gaslaternen in Berlin sollen durch elektrische Leuchten ersetzt werden. Hierfür werden, neben finanziellen Gründen, hauptsächlich umweltpolitische Argumente angeführt, wie niedrigerer CO2-Ausstoß. Das sorgt für Unmut in der Bevölkerung und unter den Anhängern des kulturhistorischen Erbes “Gaslaterne”. Der niedrigere CO2-Ausstoß ist nicht nachgewiesen. Darüber hinaus führt das elektrische Licht im Gegensatz zum Gaslicht zu einem vermehrten Insektensterben. Die in Kürze verfügbare moderne LED-Technik mit ähnlichen Lichtfarben wie das Gaslicht kann hier eine Alternative sein und sollte abgewartet werden. So kann der Tod vieler Insekten verhindert werden, was aus Umweltschutzgründen unbedingt zu unterstützen ist. Mit entsprechend umgerüsteten Laternen können das einzigartige Ambiente sowie der historische Anblick des Stadtbilds unter dem Aspekt des Denkmalschutzes erhalten bleiben.
Holger Pabst

Die Linke

1826 waren Gaslaternen der letzte Stand der Technik und wurden in Berlin eingeführt. Ob es damals Proteste für den Erhalt der vorhandenen Öllampen gab, ist unbekannt. Wir wissen auch nicht, wie die ersten elektrischen Straßenlaternen 1882 in der Stadt von den meisten aufgenommen wurden.
Heute gibt es Initiativen, die die gesamte, mit Gas betriebene Straßenbeleuchtung im Bezirk erhalten wollen, auch die Lampen an den so genannten Peitschenmasten in den Hauptstraßen. Diese werden zurzeit ersetzt, weil die neuen billiger, etwas heller, gleichzeitig umweltfreundlicher sowie zuverlässiger sind und seltener gewartet werden müssen. So sieht Fortschritt aus, der der Schönheit unseres Bezirks nicht schaden wird. Die kleinen Laternen könnten nämlich in ein paar Jahren, wenn die Technik so weit ist, mit LED-Lämpchen ausgerüstet werden und stehen bleiben.
Charlottenburg-Wilmersdorf muss nicht zur Gänze ein Gaslaternen-Freilichtmuseum werden. Dieses gibt es nämlich schon: am Rande des Tiergartens.
Marlene Cieschinger