Rede des Bezirksbürgermeisters Andreas Statzkowski zur Eröffnung der Leibniz Kolonnaden am 12.5.2001

Rede des Bezirksbürgermeisters Andreas Statzkowski

Zur Eröffnung der Leibniz Kolonnaden am 12.5.2001

Sehr geehrter Herr Prof. Kollhoff!
Sehr geehrter Herr Böhmen!
Sehr geehrte Damen und Herren!

“Der freie Platz bezeichnet die Möglichkeit dessen, was in bezug auf die Wirklichkeit fehlt.” Dieser Satz von Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibniz bezeichnet ganz gut die Situation, die hier an dieser Stelle mehr als 100 Jahre lang herrschte.

Als um 1890 der Kurfürstendamm ausgebaut wurde und sich innerhalb weniger Jahre zum lebendigen Großstadtboulevard entwickelte, da blieben bis zum ersten Weltkrieg nur wenige Grundstücke unbebaut. Eines davon lag am Lehniner Platz. Erich Mendelsohn hat es in den 20er Jahren bebaut. Die heutige Schaubühne war sein spektakulärster Bau. Er hat damals im Gegensatz zur geschlossenen Blockbebauung einen freien Platz gestaltet, der sich zum Kurfürstendamm hin öffnet.

Jetzt, nach mehr als 100 Jahren hat Hans Kollhoff hier, zwischen Leibnizstraße und Wielandstraße ebenfalls auf einer Baulücke spektakuläre Architektur und einen offenen Platz geschaffen, der, wenn wir Glück haben, zum Publikumsmagneten werden kann.

Um das Projekt Leibniz Kolonnaden gab es viele Konflikte. Kritiker schwangen zum Teil sehr dicke Knüppel. Ich gebe zu: Auch wir im früheren Bezirksamt Charlottenburg hatten Bauchschmerzen. Wir waren zornig, als der Senat das Verfahren an sich zog, und wir haben sogar um die Zuständigkeit prozessiert.

Umso mehr freue ich mich, dass wir trotz allem auch bezirkliche Interessen in das Projekt einbringen konnten: Die öffentliche Kita wurde bereits im letzten Jahr eröffnet und gut angenommen, ein Teil der Tiefgarage wird als öffentlicher Parkraum angeboten, und der Walter-Benjamin-Platz wurde als öffentlicher Platz gestaltet.

Auch der Platzname war nicht ganz unumstritten. Aber ich bin froh, dass wir mit diesem Platz im Straßenbild unseres Bezirkes an den großen Philosophen und Essayisten Walter Benjamin erinnern. Benjamin ist einer der wichtigsten Repräsentanten der deutsch-jüdischen Kultur in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Er hat in Charlottenburg und Wilmersdorf gelebt und hat in seinem Buch über die “Berliner Kindheit um 1900” die bürgerliche Gesellschaft des damaligen Berliner Westens treffend charakterisiert. In seinem fragmentarischen Passagenwerk ging er im Pariser Exil von den Pariser Passagen aus und hat sich mit Städtebau, Konsum und Kultur beschäftigt. Der Walter-Benjamin-Platz würde ihm bestimmt viel Stoff für Analysen bieten.

Hans Kollhoff hat dem Platz eine sehr strenge Einfassung gegeben. In der bunt gemischten Fassadenvielfalt der Umgebung wirkt diese Strenge zunächst überraschend, vornehm, kühl und edel. Aber man spürt doch schnell die beruhigende Wirkung und entdeckt nach und nach die hohe Qualität der Details. Die Wasserspiele des Brunnens sind eine gelungene Attraktion für sich. Sie locken Besucher an und schirmen sie gleichzeitig ab, wenn sie sich auf dem Platz aufhalten.

Über ein Jahrhundert lang war dieser Ort ein Provisorium: Es gab hier einen Fußballplatz, Tennisplätze, eine Eislaufbahn, Baracken und Parkplätze. Der Platz zwischen den Brandwänden hat förmlich nach einer Nutzung geschrieen.

Mit den Leibniz Kolonnaden wurde jetzt eine 100 Jahre alte Baulücke geschlossen und zugleich für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ich sehe darin eine Bereicherung für unseren Bezirk und für die westliche City Berlins. Ich wünsche den Kolonnaden viel Erfolg und hoffe, dass der Platz vom Publikum angenommen wird und sich schnell belebt, damit hier jeden Tag Feststimmung herrscht. Die Ankündigung von Restaurants und Cafés klingt vielversprechend.

Ich hoffe, dass nicht nur Skateboardfahrer, sondern möglichst viele Menschen sich diesen Platz zu eigen machen. Er hat es verdient, die Voraussetzungen sind gut.

Auch auf den neuen Platz, wie wir ihn jetzt erleben können, trifft in gewisser Weise noch zu, was Leibnitz gesagt hat: “Der freie Platz bezeichnet die Möglichkeit dessen, was in bezug auf die Wirklichkeit fehlt.”