Behindertenpolitische Kernforderungen

In einem offenen Brief vom 02.09.2016 an die Bezirksverordneten des Bezirks Tempelhof-Schöneberg stellte der Beirat von und für Menschen mit Behinderung Kernforderungen an die behindertenpolitische Arbeit des Bezirkes.

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Themenfeld für Menschen mit Behinderung ist Ihnen sicherlich bekannt. Mit unserem heutigen Schreiben möchten wir Sie informieren über unsere Forderungen an die bezirkliche Politik.

Wie die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) sagt, sind Menschen nicht behindert, sondern werden behindert. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg arbeitet seit Jahren daran, die Barrieren abzubauen. Wir unterstützen Sie dabei, die Menschen mit Behinderung im Blickfeld zu behalten und die Umsetzung der UN-BRK in unserem Bezirk voranzubringen.

Folgende Kernforderungen stellen wir an die behindertenpolitische Arbeit des Bezirkes:
  • Setzen Sie sich ein für barrierefreie Zugänglichkeit öffentlicher Gebäude im Bezirk, z. B. Rathäuser, inklusive der Herstellung/ Sanierung barrierefreier WCs.
  • Setzen Sie sich ein für die Nutzung von Software zur Herstellung barrierefreier Dokumente/ Bescheide
  • Setzen Sie sich ein für die Zurverfügungstellung von Haushaltsmitteln für Barrierefreiheit im öffentlichen Straßenraum entsprechend der „Prioritätenliste“ des Beirates von und für Menschen mit Behinderung im Bezirk Tempelhof-Schöneberg
  • Setzen Sie sich ein für die Einbindung inklusionspolitischer Fachkompetenz und Betroffener in bezirklichen Lenkungs- und Steuerungsgremien im Handlungsfeld „Schule“ oder „Bildung“, z. B. beim Schulpsychologisches und Inklusionspädagogisches Beratungs- und Unterstützungszentrum
  • Setzen Sie sich ein für die Berücksichtigung behindertenpolitischer Fragestellungen in allen Themenfeldern in Gremien und Ausschüssen und durch die Einbeziehung der bezirklichen Behindertenbeauftragten.

In Anhang senden wir Ihnen eine Auflistung der Handlungsfelder in denen direkte bezirkspolitische Entscheidungen das Leben für Menschen mit Behinderung, und nicht nur für sie, verbessern können.

Gerne laden wir Sie in unsere Beiratssitzungen ein, um über unsere Forderungen ins Gespräch zu kommen.

Mit freundlichen Grüßen
Beirat von und für Menschen mit Behinderung

Anhang: Auflistung behindertenpolitischer Kernforderungen

Bildung und Schule

  • Bauliche, personelle und fachliche Qualifizierung des bezirklichen SIBUZ zu einem handlungsfähigen Instrument für Inklusion unter Beteiligung behindertenpolitischer Akteure (insbesondere Behindertenbeauftragte, Behindertenbeirat, Eltern-Selbsthilfegruppen…)
  • Einflussnahme auf die ausreichende Ausstattung von Schulen mit Förderlehrkräften
  • Einbindung von behinderten- und inklusionspolitischen Akteuren und inklusionspolitischer Fachkompetenz in bezirkliche Lenkungs- und Steuerungsgremien im Handlungsfeld „Schule“ und „Bildung“
  • Abbau inklusionspädagogischer und leistungsrechtlicher Informationsdefizite bei Schulleitungen
  • Prozess des bezirklichen Bildungsmonitorings fortsetzen unter Berücksichtigung der Zielgruppe „Menschen mit Behinderung“

Barrierefreiheit und Mobilität

  • Barrierefreie, qualifizierte Ertüchtigung der bezirklichen Schulgebäude, um Ausgrenzung von Kindern, Eltern und Schulbeschäftigten mit Behinderung abzubauen.
  • Sicherstellung eines kompetenten, zeitgemäßen barrierefreien bezirklichen Veranstaltungsmanagements
  • BVV-Sitzungen nur barrierefrei durchführen
  • Haushaltsmittel für Barrierefreiheit im öffentlichen Straßenland bereit stellen
  • Barrierefreie Ertüchtigung aller bezirklichen Gebäude
  • Sicherstellung eines bedarfsgerechten Mobilitätsbegleitdienstes, insbes. auch an den Wochenenden und in den Abendstunden
  • ÖPNV: Einflußnahme bei den entsprechenden Stellen für einen zeitnahen Aufzug-Reparaturservice bei BVG und S-Bahn

Dies erfordert im Bereich „Standards der Barrierefreiheit“ den Abbau von Informationsdefiziten in der bezirklichen Fachverwaltung.

Zügige Umsetzung des Masterplan Barrierefreiheit (Rathaus Schöneberg):

  • Barrierefreie Sanierung der Bestands-Behinderten-WCs auf allen Stockwerken
  • Zügige Ertüchtigung der Gangtüren mit Automatikantrieb auf allen Stockwerken
  • Abbau von Schwellen an Türen zu Besprechungs- und Sitzungsräumen, insbesondere im 1.OG
  • Barrierefreier Zugang zum Bürgeramt und zum Foyer durch Installierung eines zeitgemäßen Plattformliftes
  • Anschaffung von zeitgemäßer Hörtechnik für alle Sitzungs- und Besprechungsräume
  • Ertüchtigung des barrierefreien Zugangs Freiherr-vom-Stein-Str.; barrierefreien Zugang sicherstellen parallel zu den Öffnungszeiten des nicht-barrierefreien Haupteinganges

Wohnen

  • Einflussnahme des Bezirksamtes als Partner der Wohnungswirtschaft, aber auch als Eigentümer von Liegenschaften, auf die Bereitstellung von bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum für Menschen mit Behinderung. Besondere Berücksichtigung gilt der Personengruppe, die auf Transferleistungen, z.B. Grundsicherung, angewiesen ist.
  • Keine Genehmigungen für Abweichungen von der Barrierefreiheit bei Nutzungsänderungen und genehmigungspflichtigen Umbau – und Modernisierungsmaßnahmen von Wohngebäuden.
  • Keine Verschlechterungen für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf in stationären Wohnangeboten durch die geplante Vorrangstellung von Pflegeleistungen gegenüber Leistungen der Eingliederungshilfe.(s. unter „Bundesteilhabegesetz“)
  • Keine Beschneidung des freien Wahlrechtes auf eine bestimmte Wohnform durch Einschränkungen bei persönlichen Assistenzleistungen für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf, die im eigenen Wohnraum leben (s. unter „Bundesteilhabegesetz“).

Arbeit

  • Einflussnahme des Bezirksamtes als Partner des Jobcenters und der Agentur für Arbeit, um die zur Verfügung stehenden Arbeitsmarkt-Instrumente diskriminierungs- und barrierefrei für arbeitslose Menschen mit Behinderung anzubieten
  • Unterstützung von Unternehmen und Gewerbenetzwerken bei der gezielten Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung
  • BA als Arbeitgeber sollte gezielt Ausbildungsplätze an junge Menschen mit Behinderung vergeben und eine entsprechende Personalakquise entwickeln. Bestehende Personalentwicklungs- und akquise –Instrumente sind disability-sensibel anzupassen.

Verwaltung

  • Verwendung von diskriminierungsfreier Sprache in Bezug auf Menschen mit Behinderung und qualifizierte Übersetzung von Formularen und Bescheiden in „Leichte Sprache“
  • Einführen eines barrierefreien und niederschwelligen Beschwerdemanagements
  • Angemessene personelle Ausstattung des Büros der Beauftragten für Menschen mit Behinderung

Bundesteilhabegesetz

  • Der Bezirk soll sich in den betreffenden Gremien dafür einsetzen, dass das Land Berlin seinen politischen Einfluss im Bundesrat nutzt, um den vorliegenden Kabinettsbeschluss zum BTHG anzupassen an die von den Verbänden eingebrachten Änderungen. Die Fraktionen der BVV mögen innerhalb ihrer Parteistrukturen ebenso vorgehen.
    Die Gleichrangigkeit von Pflegeleistungen und Eingliederungshilfeleistungen ist unbedingt zu erhalten. Der angestrebte Vorrang der Pflege vor der Eingliederungshilfe in bestimmten Wohnformen oder bei der persönlichen Assistenz schwerstbehinderter Menschen widerspricht elementar dem Wunsch- und Wahlrecht und den Forderungen der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
  • Die Begrenzung des leistungsberechtigten Personenkreises ist zu verhindern. Die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft kann auch dann beeinträchtigt sein, wenn weniger als 5 von 9 Lebensbereichen betroffen sind. Diese Zugangshürde scheint willkürlich und widerspricht dem Ansatz der Personenzentrierung.

Alle behinderten- oder inklusionspolitischen Vorhaben bleiben Wortgeklingel, wenn diese nicht abgebildet sind in konkreten Zahlen im bezirklichen Haushaltsplan.

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  • Behindertenpolitische Kernforderungen an die Bezirkspolitik

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    Dokument: Beirat von und für Menschen mit Behinderung

  • Auflistung behindertenpolitischer Kernforderungen

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    Dokument: Beirat von und für Menschen mit Behinderung