Drucksache - DS/1456/V  

 
 
Betreff: Zwischennutzung für die Bergmannstraße – Wenn die Verkehrswende gelingen soll, muss dadurch ein Mehrwert für alle sozialen Schichten entstehen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPDstellv. Vorsteherin
Verfasser:Lupper, Hannah SophieSommer-Wetter, Regine
Drucksache-Art:AntragDrucksache zurückgezogen
Beratungsfolge:
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
02.10.2019 
Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg (BVV) überwiesen   
Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Verkehr und Immobilien
24.10.2019 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Klimaschutz, Verkehr und Immobilien (UVKI) zurückgezogen   

Beschlussvorschlag
Anlagen:
Antrag zur DS/1456/V  

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

das Bezirksamt wird aufgefordert, bis zur Umsetzung der endgültigen Planung in der Begegnungszone Bergmannstraße folgende Punkte umzusetzen:

 

  1. Entfernung der Findlinge auf den freigewordenen Flächen

    Die Findlinge, die auf den nach Abbau der Parklets freien Flächen abgelegt wurden, sind vom Bezirksamt unverzüglich zu entfernen. Stattdessen soll eine den Bedarfen des Kiezes angepasste Nutzung der Flächen realisiert werden. Die Entfernung von Parkplätzen soll nicht Selbstzweck sein, sondern einen erkennbaren Mehrwert schaffen.
     
  2. Premiumlage für verdrängtes Kleingewerbe und soziale Projekte
    Soziale Durchmischung wiederherstellen

    Die freiwerdenden Flächen sollen (mit Ausnahme der unter 3. Bis 5. aufgeführten Nutzungen) als Standorte für Stände und Wagen zur Verfügung gestellt werden. Diese können genutzt werden

    - von Kleinen Gewerbetreibenden, die sich die extrem teuren Mieten in der Bergmannstraße nicht leisten können und / oder die vorher durch hohe Gewerbemieten verdrängt wurden
     

- r soziale Angebote oder Stände, die zur Finanzierung von sozialen Projekten dienen

Die Stände oder Wägen können sofern es zur Nutzung passt - auch Treffpunkte schaffen und Sitzgelegenheiten zur Verfügung stellen, die abends in die Wägen oder Stände eingeräumt werden.

Besonders zu berücksichtigen sind bzgl. der gewerblichen Nutzung verdrängtes Kleingewerbe aus dem Bezirk (auch als Zwischenlösung bis zur Wiedereröffnung an einem neuen Standort) und Handwerk, das im Kiez dringend fehlt, sowie inklusive Angebote, die zu einer sozialen Durchmischung im Kiez beitragen und Projekte, die sich an wohnungslose Menschen richten.
Von der Nutzung auszuschließen sind hochpreisige Angebote, Filialist*innen und Angebote, die ausschließlich die Bedürfnisse von Tourist*innen decken, sowie Getränkestände mit Alkoholausschank.

 

  1. Mehr Grün und Aufenthaltsqualität von Unten statt von Oben

 

Zwei der Standorte der Parklets sollen für Anwohner*innen des Bergmannkiezes zur eigenen Gestaltung frei gegeben werden. Insbesondere Bepflanzung und künstlerische Gestaltung, sowie Angebote für den Kiez (Tauschbörsenregale o.ä.) sind zu ermöglichen. Der Stadtteilausschuss soll die notwendigen Informationen dazu analog zur Baumscheibenbepflanzung und dem Hofbegrünungsprogramm zur Verfügung stellen und dabei beraten, wie begrünt werden kann. Sofern möglich, soll eine Förderung der Gestaltung durch das Hofbegrünungsprogramm ermöglicht werden. Sollten die Findlinge hier einen von Anwohnenden formulierten gestalterischen Mehrwert haben, können diese hier eingesetzt werden. Nicht aber zur reinen Blockade von Flächen durch das Bezirksamt.

 

  1. Entzerrung des Lieferverkehrs bestehende Konflikte lösen anstatt neue Konflikte schaffen

    Vier der ehem. Standorte der Parklets sind zu zusätzlichen Lieferzonen einzurichten, um den Lieferverkehr in der Straße zu entzerren. Zusätzlich werden Informationen zu Lieferzeiten bei Gewerbetreibenden und Lieferant*innen abgefragt, um ein Lieferkonzept für die Straße nach dem endgültigen Umbau zu erstellen und Konflikte zwischen laufenden Baumaßnahmen und Lieferverkehr frühzeitig zu vermeiden. Auch die Leerungszeiten der BSR Müllwägen sind dabei zu berücksichtigen.

 

  1. Sicherer und bezahlbarer Zugang für Patient*innen des Gesundheitszentrums

    Die Standorte der drei Parklets rund um das Gesundheitszentrum in der Bergmannstraße werden übergangsweise in Parkplätze mit Nutzungseinschränkung für Patient*innen der dort ansässigen Praxen ausgewiesen. Dazu ist eine Verständigung mit den dort ansässigen Ärzt*innen und / oder dem Management des Gesundheitszentrums zu erwirken. Dies soll nur so lange erfolgen, bis das Bezirksamt eine praktikable und v.a. bezahlbare Lösung für kranke und mobilitätseingeschränkte Menschen, sowie deren Fahrdienste mit dem Parkhaus in der Bergmannstraße gefunden hat. Danach können auch diese Parkplätze umgenutzt werden. Die Parkplätze für Schwerbehinderte mit Berechtigungsschein sind davon unbenommen beizubehalten.

     
  2. Parkplätze für kleine Autos und nicht für SUV

 

Die verbleibenden Parkplätze in der Bergmannstraße sind auf eine normale Breite zurück zu führen um Platz bevorzugt für kleinere Fahrzeuge zu bieten. Überbreite Parkplätze sind ein zusätzlicher Anreiz für große Fahrzeuge und SUV und daher zu beseitigen. Auch die selbstgefährdende Nutzung der Abstände zwischen parkenden Autos und Bürgersteig durch Radfahrende, die dadurch versuchen, den sich stauenden Verkehr zu umgehen, wird dadurch unterbunden.
 

Diese Zwischennutzung soll so lange bestehen bleiben, bis mit den Baumaßnahmen zur endgültigen Umgestaltung der Bergmannstraße begonnen wird. Sollte die Zwischennutzung von den Bewohner*innen gut angenommen werden, können Teilbestandteile in die endgültige Umgestaltung einbezogen werden.

Dem Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz und Immobilien ist in seiner nächsten Sitzung zum Stand der Umsetzung zu berichten.

Der BVV ist zur Sitzung im November 2019 zu berichten, wie der Stand der Umsetzung ist.

 

Begründung:

 

Zu 1.:

Das reine Entfernen von Parkplätzen als Selbstzweck wird von vielen als Schikane wahrgenommen. Auch für Menschen, die selbst kein Auto haben ist dies oftmals nicht erklärbar. Das plumpe Anbringen von Steinen auf vormalige Parkflächen ist darüber hinaus sinnentleert. Wenn die Verkehrswende für alle positive Auswirkungen haben soll, muss erklärbar sein, warum Parkplätze entfernt werden.
Dazu sind für die umverteilten Flächen sinnvolle Alternativen zu schaffen, die als Mehrwert erkennbar sind.
Bei der Verkehrswende kann es nicht darum gehen, alle Anwohnenden, die mit den vorgenommenen Maßnahmen nicht einverstanden sind entweder zu ignorieren oder zu Gegnern zu stilisieren. Stattdessen soll das Bezirksamt sich darum bemühen, für die Vorteile der Verkehrswende zu werben und möglichst viele Menschen, die bisher kritisch sind, dabei mitzunehmen.

Zu 2.:

Eines der drängendsten Probleme im Kiez ist die zunehmende soziale Entmischung. Diese erfolgt nicht nur durch Zuzug eher einkommensstärkerer Schichten durch die hohen Wohnungsmieten, sondern auch zunehmend durch die Verdrängung von kleinen Gewerbetreibenden durch extrem hohe Gewerbemieten, durch die Verdrängung von sozialen Projekten, die keine Räumlichkeiten mehr finden und durch eine zunehmend auf Besucher*innen und höhere Einkommen ausrichtende Angebotsgestaltung. Bei Neuvermietungen von Gewerberäumen werden in der Bergmannstraße zum Teil 80 Euro pro Quadratmeter aufgerufen. Dadurch ziehen immer mehr Flagship Stores von Filialist*innen und Gastronomie ein. Menschen mit niedrigeren Einkommen bleiben dadurch langfristig aus der Straße weg. Der Kiez droht seinen Charakter zu verlieren.
Kleine Standorte in Wägen oder Ständen können einen Teil dieser Bedarfe decken und wieder für soziale Durchmischung sorgen. Da es sich bei der Bergmannstraße um eine Premiumlage mit viel Laufkundschaft handelt, können gut ausgewählte Angebote auf relativ kleiner Fläche existenzsichernd arbeiten und wieder ein Angebot für Menschen mit kleinerem Geldbeutel schaffen.
Soziale Projekte mit wenig Raumbedarf oder Stände die zur Finanzierung sozialer Projekte dienen, können dort untergebracht werden.

Zu 3.:

Die Begrünung der Parklets wurde eher als unästhetisch empfunden und diese waren häufig vermüllt. In anderen Straßen (z.B. Hagelberger Straße) existieren zum Teil sehr ansprechende Beispiele für Begrünung durch Anwohner*innen. Auch während der Baustellenphase in der Friesenstraße haben Anwohnende die gesperrte Fläche für sich genutzt, Stühle aufgestellt und sich selbstständig organisiert. Eine Begrünung der Straße durch Anwohnende macht die Vorteile der Verkehrswende von unten erfahrbar und wird nicht als „Anordnung von oben“ wahrgenommen. Dadurch werden auch den Anwohnendenwünschen entsprechend nicht-kommerzielle Räume geschaffen, die vor allem Bewohner*innen des Kiezes zugutekommen.

Zu 4.:

Der Lieferverkehr stellt einen großen Anteil der Verkehrsbelastung in der Straße dar. Neben dem Lieferverkehr, der durch die Online-Bestellungen von Anwohnenden verursacht wird, ist die Belieferung von Gewerbetreibenden ein Faktor, der regelmäßig für Verkehrschaos sorgt. Die Einrichtung zusätzlicher Lieferzonen kann die Situation entzerren. Ein Lieferkonzept schafft langfristig eine verbesserte Situation und kann den zu erwartenden Konflikten während der Baustellenphase vorbeugen.

Zu 5.:

r kranke und ältere Menschen ist derzeit der Zugang zum Gesundheitszentrum erschwert. Die Preisgestaltung des Parkhauses dort ist für einkommensschwächere Patient*innen eine zusätzliche Hürde. Parkplätze sind dort stundenweise sehr teuer und viele Stellplätze werden seit dem Wegfall der Parkplätze in der Straße an Anwohner*innen vermietet zum fünffachen Preis wie vor Wegfall der Parkplätze (Erhöhung von 50 Euro monatlich auf 250 Euro monatlich).
Im Gesundheitszentrum befinden sich Praxen, die zum Beispiel nach Unfällen (Röntgenzentrum, Unfallchirurgie etc.), im Falle einer Schwangerschaft (Gynäkologie) oder für die Krankheitsbilder älterer Menschen relevant sind. Der unkomplizierte und bezahlbare Zugang zu diesen Gesundheitsangeboten muss gewährleistet sein.

Zu 6.:

Durch die Verbreiterung der Parkplätze orientieren sich viele parkende Kleinwägen an der Parkplatzmarkierung zur Straßenseite. Dadurch entstehen Lücken zwischen Auto und Bordstein, die gerne von Radfahrenden als „Abkürzung“ benutzt werden. Die Gefahr hier von einer Autotür erfasst zu werden ist enorm hoch.
Zudem ist es unerklärlich für die verkehrspolitische Linie des Bezirksamtes, dass mit übergroßen Parkplätzen zusätzlicher Comfort für Fahrer*innen von besonders großen KfZ und SUV geschaffen wird und damit Anreize gesetzt werden, diese in der Bergmannstraße abzustellen.

 

BVV 02.10.2019

Die Bezirksverordnetenversammlung beschließt:

 

Überweisung: Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Verkehr und Immobilien

 

 

UVKI 24.10.2019

Der Antrag wird zurückgezogen.

 
 

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