LoGo Europe - Hospitationsprogramm der Berliner Verwaltung

Menschengruppe

LoGo Europe. Europäisches Hospitationsprogrammm der Berliner Verwaltung

Seit 2005 haben bereits mehrere hundert Beschäftigte an einem vierwöchigen Erfahrungsaustausch der Berliner Bezirke in europäischen Partnerverwaltungen teilgenommen.

Hier berichten Beschäftigte des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg von Ihren Erfahrungen bei Partnervewaltungen.

London Barnet

01.11.2023 London Barnet

Der Montag stand mir zur freien Verfügung. Ich nutzte die Zeit, um eine Präsentation vorzubereiten, zu der ich am Mittwoch eingeladen hatte, um meinen Kollegen in Barnet die Grundzüge der Planung in Deutschland vorzustellen.

Am Dienstag war ich mit meinem Kollegen Andrew im Zentrum des Stadtteils Edgware in Barnet. Hier soll anstelle eines Einkaufszentrums ein Projekt mit 30 Wohntürmen entstehen. Dort trafen wir eine Gruppe besorgter Anwohner, die ihre Bedenken gegen das Projekt vortrugen. Die Bandbreite reichte von Zustimmung in kleinerem Rahmen bis hin zur absoluten Ablehnung des Projekts. Andrew hörte sich alle Bedenken an, stimmte in vielen Punkten zu, machte aber auch klar, dass das Projekt fortgeführt wird.

Den Mittwochvormittag verbrachte ich mit den Kollegen der Policy Group. Diese erarbeiten auf der Grundlage des sogenannten London Plan einen Barnet Plan. Dabei handelt es sich um eine Sammlung von Maßnahmen, Zielen und Empfehlungen für die integrierte Entwicklung des Bezirks.
Am Nachmittag hielt ich meinen Vortrag über das Planungssystem in Deutschland und beschrieb meine Aufgabe in der Verwaltung. Nach dem Vortrag entwickelte sich eine Diskussion über das Verständnis von Planung. Während in Deutschland die Bauleitplanung die städtebauliche Entwicklung sehr detailliert steuern kann und die Planung auch stark einschränkt, wenn sie nicht für notwendig erachtet wird, versuchen die Planer im Borough of Barnet Projekte zu ermöglichen und Vermittler von Veränderungen zu sein. Dies führt dazu, dass viele Bauprojekte ermöglicht werden, aber ich hatte auch den Eindruck, dass sich einige städtebauliche Projekte sehr stark von den bestehenden Stadtstrukturen abheben und ein kohärentes Placemaking sehr herausfordernd wird.

Am Donnerstagmorgen traf ich mich mit meiner Kollegin Basya, die im Enforcement-Team arbeitet. Wir fuhren mit ihrem Auto durch den Bezirk, um die Beschwerden der Anwohner zu bearbeiten. Wir waren fast ausschließlich bei Reihenhäusern oder Einfamilienhäusern, wo es Nachbarschaftskonflikte gab, die stark an ähnliche Konflikte in Deutschland erinnerten. Es ging um verwilderte Vorgärten, zu hohe Gartenzäune und Fenster, die ohne Genehmigung zum Nachbargrundstück hin gebaut wurden. Auch wenn es spannend war, diesen Teil der Arbeit meiner Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen, bin ich doch froh, dass ich mich in Deutschland nicht damit beschäftigen muss, denn die Stimmung war teilweise sehr aufgeheizt.

Am Donnerstagnachmittag war ich bei der Bürgermeisterin von Barnet zum Tee eingeladen. Es war ein überraschend entspanntes Gespräch, bei dem es nicht nur um Stadtplanung ging, sondern auch um Essensvorlieben, Reisen und die Arbeit der Bürgermeisterin.

An meinem letzten Tag, dem Freitag, lud mich mein Kollege Ashley vom Development Management Team zu einem Spaziergang durch den Hampstead Garden Suburb ein, ein britisches Gartenstadtprojekt aus dem frühen 20. Jahrhundert, das durch seine Ruhe und Schönheit besticht. Nach dem Spaziergang kehrten wir in einem Pub ein, eine weitere Kollegin gesellte sich zu uns, und wir tranken ein Pint Bier, um meinen Aufenthalt im Bezirk ausklingen zu lassen.

Es war eine einzigartige Erfahrung, die mich sowohl beruflich als auch persönlich sehr bereichert hat. Farewell, Barnet, ich komme sicher wieder!

Ludger Hellweg

Lissabon

20.10.2023 Lissabon

Das Wetter kühlt sich langsam ab. Die Einweihung des Neubaus war ein sehr freudiges Ereignis, begleitet vom Oktoberfest mit Brezeln, Bier und deutschen Schlagern. Übers Wochenende hatte ich zudem Besuch bekommen und auch noch ehemalige Erasmus-Studienkollegen getroffen, welche in Lissabon wohnen. Ich fühle mich sehr wohl und angekommen.
Die Woche beginnt direkt mit dem Auszug aus dem Container – mein erster Arbeitsplatz verschwindet und wir ziehen in das neu renovierte Gebäude ein. Wie der Möblierungsplan bereits darstellt, wird die Zusammenarbeit noch enger werden…

Die Umzugsfirma würde besser vorankommen, wenn nicht das Wetter einen starken Umschwung drehen würde. Regen und Wind nehmen immer mehr zu. Insbesondere die Technik lässt sich schwer umziehen. Am Mittwoch empfange ich Unwetterwarnungen per SMS auf dem Handy. Die Schule überlegt, am Donnerstag geschlossen zu bleiben und ja, die nassen Böen sind sehr beeindruckend.

Herr Tiago Queiroz findet diese Woche die Zeit mit uns 3 Schulen zu besichtigen. Wir beginnen mit dem Besuch der Grundschule „Escola Básica do Parque das Nações”, ein Neubau direkt neben dem Gelände der Expo98. Die Schule beeindruckt durch ihren klare Gebäudeform und -struktur und viel Mut zur Farbe in den Innenräumen. Die Fachräume sind ganz neu und neu ausgestattet. Wir melden uns am Ende an der Pforte wieder ab und verlassen das Gelände mit dem Auto. Herr Querioz hatte uns seinen Parkplatz überlassen – denn für sein elektrisches Auto muss er keine Parkgebühren in der Stadt bezahlen.

Der nächste Termin findet in der Escola Secundária D. Pedro V statt. (Pedro V war ein während der Mitte des 19. Jhd sehr beliebter König in der Mitte des und wie ich lerne, kam sein Vater aus Deutschland.) Frau Caravelho schätzt diesen Besuch auch sehr, denn hier war sie selbst früher Schülerin und kann nun das vorher nachher auch persönlich erleben. Wir sind mit dem Schulleiter, Herr Amilcar Santos, dieses Hauptstandortes verabredet, zu welchem 4 weitere Standorte zählen. Er beschreibt die stattgefundenen Änderungen und zeigt sich zudem bereit, viele meiner Fragen zum portugiesischen Schulsystem zu beantworten. Außerdem gibt es uns seine Telefonnummer und Email-Adresse mit – er wäre an weiterem Austausch sehr interessiert.

Weiter auf dem Programm steht die „Escola Secundária de Camões“, ein wunderschönes unter Denkmalschutz stehendes Schulensemble inmitten der Stadt. Die Schule wird derzeit komplett saniert und natürlich auch statisch ertüchtigt. Ein großer Teil des Unterrichtes wurde in Container ausgelagert um die Bauausführung zu ermöglichen. Auch hier dauert sie natürlich länger als geplant. Ich bin sehr beeindruckt über die Ausrüstung der Bauarbeiter, denn wirklich alle tragen auf dem Gelände Helm, Warnweste und Sicherheitsschuhe. Also auch wir. Also ganz anders als in Deutschland.

Das neue Gebäude strahlt im gesamten Inneren mit grüner Farbe und ich darf es aus Schülersicht erleben, weil ich zum Portugiesisch Unterricht eingeladen wurde und die baulichen Mängel treten sofort in den Hintergrund. Das Raumklima ist sehr angenehm.

Für meinen letzten Tag heute habe ich einen großen Schoko-Walnuss Kuchen bestellt, welcher nun neben mir auf den Verzehr wartet. Ich bin allen Kollegen hier unglaublich dankbar für meine Zeit hier. Alle haben sich mir gegenüber sehr offen gezeigt, mich immer wieder beteiligt bei allen möglichen fachlichen und teilweise auch privaten Fragen. Mit Frau Caravelho durfte ich tief in den Standort Deutsche Schule Lissabon eintauchen und die Herausforderungen von innen kennenlernen. Diese Erfahrung werde ich in meiner täglichen Arbeit, bei welcher ich die von mir begleiteten Standorte nur am Rande erleben kann, sehr hilfreich sein.
Muito obrigada.

Sigrid Fimpel

London

16.10.2023 London Barnet

Der Montag begann mit einer Einführung zum Thema “Obligations and Infratructure Planning”, übersetzt “Verpflichtungen und Infrastrukturplanung”. Letztendlich ist das mit der Angelegenheit betraute Team dafür zuständig, von Projektentwicklern eine Gebühr zur Schaffung von Infrastruktur für die Bevölkerung zu erheben. Bei Projektentwicklungen wird eine Gebühr pro Quadratmeter Neubaufläche erhoben. Außerdem verhandelt das Team mit den Projektentwicklern über die Infrastruktur, die sie gegebenenfalls selbst errichten können. Den Nachmittag verbrachte ich mit meinem Kollegen Nathan, der sich um den Umweltschutz bei Bauprojekten kümmert. Bei einem Treffen diskutierten Projektentwickler und Behördenvertreter über Kanadagänse, die möglicherweise auf eine Baustelle zurückkehren und dort brüten könnten. Da brütende Vögel geschützt sind, könnte dies zu Verzögerungen führen.

Am Dienstagmorgen erklärte mir mein Kollege Richard, wie bezahlbarer Wohnraum als Auflage für größere Projektentwicklungen umgesetzt wird. Es gibt gesetzliche Verpflichtungen, wie viele Wohneinheiten von Projektentwicklern zum Selbstkostenpreis betrieben oder verkauft werden müssen. Es gibt jedoch eine Varianz in der Bereitstellung, wenn das Projekt sonst nicht rentabel wäre. Richards Aufgabe ist es, für den Borough of Barnet entsprechende Berechnungen von Projektentwicklern zu überprüfen und möglicherweise Kompromisse zu finden. Am Dienstagnachmittag war ich mit meinen Kolleginnen Eva und Emily in Barnet, dem namensgebenden Stadtteil des Borough of Barnet. Als Schüler hatte ich dort einen Austausch gemacht. Eva und Emily zeigten mir, wie sich der Stadtteil in den letzten Jahrzehnten verändert hat und welche aktuellen Projekte dort stattfinden.

Am Mittwoch hatte ich die Gelegenheit, bei einem Projektentwickler in der City of London an einem sogenannten PreApp Meeting teilzunehmen, bei dem Gestaltungsideen für ein größeres Bauvorhaben im Stadtteil Finchley diskutiert wurden. An dem Treffen nahmen drei Städtebauer des Borough of Barnet und ein Stadtplaner teil. Wie auch bei anderen Treffen wurde häufig auf die Anzahl der Stockwerke und die Massivität der Baukörper hingewiesen, die nicht in die umgebende Struktur passten. Die Projektentwickler möchten die maximale Geschossfläche auf einem Grundstück erreichen, um die Profite zu maximieren, und versuchen, durch den PreApp-Prozess herauszufinden, wie weit sie gehen können.

Am Donnerstag war eigentlich ein Spaziergang durch den Hampstead Garden Suburb geplant, einem besonders schönen Stadtteil des Bezirks. Aber das Wetter ließ das nicht zu und so habe ich mir stattdessen den London Plan angeschaut, eine Sammlung von Richtlinien, die die Entwicklung der Stadt lenken sollen. Am Nachmittag habe ich eine allgemeine Einführung in den PreApp-Prozess bekommen. Dabei handelt es sich um eine kostenpflichtige Dienstleistung, die Projektentwickler in Anspruch nehmen können, um sicherzustellen, dass ihr Bauantrag den Genehmigungsanforderungen entspricht. Außerdem erhielt ich einen Überblick über eine weitere kostenpflichtige Dienstleistung, den sogenannten Fast Track, bei dem Bauanträge gegen Gebühr innerhalb von 6 Wochen geprüft werden.

Am Freitag nahm ich an einem weiteren PreApp-Treffen teil, bei dem der Projektentwickler wieder zu viele Wohneinheiten auf einem sehr kleinen Grundstück errichten wollte. Tania, die Projektleiterin aus Barnet, musste darauf hinweisen, dass der Baukörper zu massiv ist.

Ludger Hellweg

Lissabon

16.10.2023 Lissabon

Halbzeit. Die Zeit vergeht unglaublich schnell. Wieder habe ich ein sehr heißes Wochenende hinter mir. Doch nachdem ich etwas akklimatisiert bin, konnte ich endlich ein paar Ausflüge unternehmen und z.B. über die Brücke fahren (Ponte 25 de Abril, die drittlängste Hängebrücke der Welt), ins Surfparadies Ericeira und zum westlichsten Punkt Europas – Cabo da Roca.

Die Arbeiten im Sanierungsgebäude und im Neubau dauern weiter an. Nächste Woche wollen wir endlich die Container freimachen und umziehen. Wir besprechen mit dem Umzugsunternehmen den Ablauf und ich kann mich endlich etwas revanchieren und einen Möblierungsplan erstellen.

Außerdem konnten wir diese Woche einen sehr besonderen Gast empfangen, und zwar Parque Esolar, vertreten durch Hr. Tiago Querioz. Parque Esolar stellt ein Staatsunternehmen dar, welches bereits im Jahr 2000 von Portugal eigens zur Sanierung und Erweiterung von vornehmlich Sekundarschulen gegründet wurde. Frau Carvalho, (die mich weiterhin bei all ihren Aufgaben und Terminen als ihre ständige Begleiterin akzeptiert,) hatte für meine vielen Fragen, welche das Schul(bau)system in Portugal betreffen mit der Institution Kontakt aufgenommen. Herr Queiroz hat uns in der deutschen Schule besucht und die Entstehungsgeschichte der Institution sowie deren verschiedenen Aufgaben inkl. Vorgehensweise präsentiert und dann auch noch eingeladen, einige Projekte zu besichtigen.

Die Mitarbeiter der deutschen Schule Lissabon sind in dieser Woche noch mehr beschäftigt als sonst. Parallel zu den Umbauten, Beginn des neuen Schuljahres, Wahl der Schülersprecher usw. steht die Einweihung des fertiggestellten Gebäudes an, sowie die 175jährige Feier des Bestehens der Schule und Oktoberfest am Wochenende an. Zahlreiche Gäste werden erwartet und die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.

Wir waren zu einer Besichtigung der Erweiterung der Escola Secundária Pedro Nunes, eine sehr schöne historische Sekundarschule im Zentrum von Lissabon mit Herr Tiago vor Ort verabredet und stelle fest, dass alle öffentlichen Schulen in Portugal mit einer Eingangskontrolle versehen sind. Die Schüler und sämtliche Mitarbeiter/Lehrer melden sich digital am Eingang an und ab und unsere Ausweise werden genau kontrolliert. Damit behält die Schule stets den Überblick, wer sich hier befindet und wer das Gebäude bereits verlassen hat.

Das ursprüngliche Gebäude stammt aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts.
Parque Escolar hatte die Schule bereits für die erste Sanierungsphase ausgewählt. Sie wurde modernisiert und erweitert. Auf dem alten Schulhof wurde ein weiteres Gebäude zur Unterbringung der Klassenräume errichtet und auch eine große Sportfläche wurde mit einer regenfesten Konstruktion überdeckt. In allen unübersichtlichen Bereichen befinden sich sog. Vigilantes, d.h. Personen, welche sich eigens zur Überwachung der Schüler im Gebäude aufhalten.

Das Bestandsgebäude steht in erster Linie der Verwaltung und dem Teambereich zur Verfügung. Nicht nur das Gebäude selbst ist liebenswert erhalten, sondern auch ein Großteil der ehemaligen Möbel. Die Lehrer erhalten einen großzügigen Arbeits- und Rückzugsbereich um sich auf die nächsten Stunden vorzubereiten.
Die Kapazität der Schule konnte durch den Neubau um ca. 25% auf über 1.100 Schüler gesteigert werden- bei einer Verringerung der Außenflächen.

Wir gehen weiter durch das Übergangsgebäude und begeben uns auf den „Schulweg“ den auch die Schüler nutzen.
Für Berliner ungewohnt weisen die 7 Hügel der Stadt Lissabon auch deutliche Höhenunterschiede auf dem Grundstück auf. Das heißt wir erreichen den Hof über einen Treppenlauf nach oben und betreten anschließend die Sporthalle.

Die Woche geht zu Ende und ich sitze die letzten Stunden im Container, denn der Umzug steht tatsächlich vor der Tür. Diese Woche dauert deutlich länger als die nächste und ist noch nicht zu Ende. Denn morgen, am Samstag werden wir hier den ganzen Tag feiern.

Sigrid Fimpel

London

London Barnet 10.10.2023

Die erste Woche begann mit dem IT-Setup. Meine Betreuerin im Borough of Barnet teilte mir vorab per Mail mit, dass ich einfach um 11 Uhr an der Rezeption erscheinen und nach meinem Termin mit der IT-Abteilung fragen solle. Das war einfach, aber der zuständige Mitarbeiter konnte den PC nicht einrichten und sagte mir, ich solle einfach am Nachmittag wiederkommen. Gesagt, getan und als ich am Nachmittag zurückkam, suchte mich schon das halbe Büro, da die IT-Abteilung niemanden informiert hatte. Sarah, die mir eine Einführung geben sollte, freute sich, mich nach Stunden zu finden und stellte mich allen im Großraumbüro vor. Dazu muss man wissen, dass die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur ein bis zwei Tage im Büro arbeiten und so tauchten in der ersten Woche täglich neue Kolleginnen und Kollegen auf, die ich kennenlernen durfte.

Nach der Einführungsrunde übergab mich Sarah an das Brent Cross Team, das eine Projektentwicklung mit 7.500 Wohneinheiten im Borough of Barnet begleitet. Ihr aktueller Arbeitsschwerpunkt war die Änderung der Baugenehmigung für eine Grünfläche, auf der Sportflächen entstehen sollten. Am Dienstag war ich mit dem Projektleiter des Brent Cross Teams und Lokalpolitikern vor Ort, um die Auswirkungen der Änderungen auf die Anwohner zu diskutieren. Abschließend fand am Mittwoch eine Abendveranstaltung statt, an der ich teilnehmen durfte und bei der Politiker, Anwohner und Planer ihre Meinung zu dem Projekt äußern konnten.

Am Mittwoch hatte ich die Gelegenheit, das sogenannte Enforcement Team kennenzulernen, das sich um die Durchsetzung und Einhaltung der Regeln im Borough of Barnet kümmert. Sie können Bußgelder verhängen, Rückbauanweisungen geben und sogar eigene Handwerker beauftragen, wenn es die Situation erfordert. Der Teamtag endete mit der Besichtigung eines denkmalgeschützten Gebäudes, das langsam verfällt. Der zuständige Sachbearbeiter vermutet, dass der Eigentümer das Gebäude verfallen lässt, um es abreißen zu können, da das Grundstück ohne das Haus ein Vielfaches wert wäre.

Am Donnerstagmorgen war ich mit dem Pre-App Team im Londoner Grüngürtel. Das Pre-App Team berät Bauherren bei der Beantragung von Baugenehmigungen, um Ablehnungen von vornherein zu vermeiden. Die Bauherren möchten ein denkmalgeschütztes Gebäude aus dem 19. Jahrhundert für eine wohlhabende Londoner Familie entwickeln und wollten wissen, inwieweit sie in die historische Bausubstanz eingreifen dürfen und ob sie geschützte Bäume fällen können, sofern Ausgleichsmaßnahmen angeboten werden.

Am Donnerstagnachmittag fuhr ich dann mit dem Baumbeauftragten des Bezirks in die Bishop’s Avenue, eine der teuersten Wohnstraßen Londons, weil sich ein Anwohner über ein Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück beschwert hatte. Hier sollten neu zu pflanzende Bäume die Sichtbeziehungen zwischen den Grundstücken verhindern. Dies konnte jedoch vom Projektentwickler nicht umgesetzt werden, da entsprechende Bäume nicht gepflanzt werden konnten. Das Thema an sich war sehr spannend, aber noch spannender war der Einblick in das Haus auf dem Grundstück, in das wir geführt wurden, um die Sichtbeziehungen zu überprüfen. Es handelte sich um ein Haus in einer Dimension, wie ich sie sonst nur aus Filmen kenne.

Am Freitag war ich morgens mit dem Ingenieurteam verabredet. Ein Mitarbeiter, Miguel, nahm mich direkt mit zu einer Baustelle in der Nähe des Büros. Im 16. Stock eines Gebäudes überprüfte er ein Stahlnetz, das mit Beton gefüllt werden sollte, auf Fehler. Nach dem Mittagessen erklärte mir Miguel, wie man Stützenlasten berechnet und ließ mich exemplarisch für das Projekt die Last einer Stütze berechnen. Mein Ergebnis lag weit daneben, aber es war interessanter und spannender als ich gedacht hatte.

Ludger Hellweg

Tektonische Platten

Lissabon 09.10.2023

Das erste Wochenende war sehr, sehr heiß. Mit tagsüber 35° C schaffte ich Ausflüge maximal bis zum Strand. Es war ziemlich schwierig eine Unterkunft zu finden. Die Preise haben auch in Portugal stark angezogen und die Mieten in Lissabon sind vergleichbar mit den Mieten in Berlin. Ich wohne fast 30km also ca. 1h entfernt von der deutschen Schule. Dennoch habe ich großes Glück, denn der Schulbus eigens für die Schüler hier hält praktischerweise direkt vor meiner Tür (um 6:46Uhr – so früh verlasse ich mein Haus in Berlin nie). Ich bin also ein portugiesischer Pendler und fahre nach der Arbeit zurück in mein Dorf am Atlantik. Am Sonntag zeigten sich sogar Delfine am Strand.

Diese Woche war sehr entspannt. Aufgrund des deutschen Feiertages war der Dienstag (3. Oktober) frei und aufgrund des portugiesischen Feiertages der Donnerstag (5. Oktober). Tag der Republik (Implantação da República) – Nationalfeiertag in Erinnerung an die Ausrufung der Republik in Portugal 1910.

Die Begehung des neuen Gebäudes hat weitere Mängel auf der Mängelliste zur Folge. Die ausführende Firma hatte die Fertigstellung erneut zugesagt und das Versprechen erneut nicht eingehalten. Die Container sollten in den Sommerferien verschwinden, doch nun verbleiben sie noch etwas länger und ich friere manchmal. Die Portugiesen lieben ihre Klimaanlage.

Ein Großteil der Sanierungsarbeiten wird von der geographischen Lage hier bestimmt. Weit unter uns begegnen sich die afrikanische und die eurasische Platten und wir befinden uns in der „Zona de Fratura Açores-Gibraltar“, in der Azoren-Gibraltar-Bruchzone (nie davon gehört). 1755 gab es ein großes Erdbeben, durch welches 60.000 Menschen starben. Seit den 60er Jahren findet diese Tatsachen in den Bauvorschriften für Neubauten wieder zunehmend Beachtung – aber eben erst nach der Fertigstellung der Schule. Seitens des BfAA, Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten, wurde 2009 eine Untersuchung aller deutschen Auslandsschulen vorgenommen. Dabei wurde in der DSL festgestellt, dass die Gebäude entsprechend nachgerüstet werden müssen, um die Sicherheit der Nutzer zu gewährleisten. Einige wurden bereits ertüchtigt und weiter sollen folgen. Die Finanzierung erfolgt zum größten Teil über den deutschen Staat, ein weiterer Beitrag wird von der Schule selbst beigesteuert sowie über Projekte und Sponsoren gefördert.

Sigrid Fimpel

Wien

Wien 02.10.2023

In der letzten Woche galt meine Aufmerksamkeit der Struktur des Magistrates der Stadt Wien, der Kinder-und Jugendhilfe. Dementsprechend verabredete ich einen Termin bei der Leitung. Somit bekam ich durch die Leiterin der Gruppe Recht einen Überblick über den Aufbau und die Zuständigkeit dieser Magistratsabteilung. Die Referate Kindertagesbetreuung, Pädagogische Qualitätssicherung und Auftrittsgenehmigung, Aufsicht Sozialpädagogischer Einrichtungen und Asylvertretung, unterliegt der Rechtsaufsicht. Das bedeutet für die Praxis, dass alle sowohl rechtlichen und pädagogischen Belange, durch Jurist*innen final entschieden werden. Dazu gehören auch alle Formulare und Aktivitäten, die die Arbeit der Fachaufsichten betreffen. Für die Kolleg*innen sind damit kurze Wege und Expert*innen ansprechbar, wenn alltägliche Inhalte entschieden, bei Kindeswohlgefährdung reagiert und bei Beschwerden gehandelt werden muss. Personelle Veränderungen und Bedarfe werden über die Leiterin Mag. Michaela Krejcir vorangebracht, als auch politische Einflussnahme genommen. 14-tägig werden im Großteam alle aktuellen Themen besprochen und Pläne für die Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung diskutiert.

Als einen umfangreichen Gesprächstermin erlebte ich meinen Termin mit der Leiterin für Kinderbetreuung vom Wiener Hilfswerk. In Wien ist festgelegt, dass die Kinderbetreuung über freie Träger oder Privatpersonen organisiert wird. Dadurch ergibt sich eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen der Fachaufsicht seitens des Magistrats und den freien Trägern. Anders als in Berlin, sind die Tageseltern bei den Trägern angestellt. Somit ergaben sich spannende Einblicke hinschtlich der Themen wie Finanzierung, Fortbildung, Kontrollen, Kindeswohlgefährdung und andere darüber hinaus.

Mit dem Bewusstsein, dass Wien 1,98 Mio und Berlin 3,87 Mio Einwohner hat, muss ich die gesammelten Erfahrungen aus 24 stattgefundenen Terminen und den Gesprächen vor Ort relativieren. Dennoch nehme ich einen Erfahrungsschatz und unzählige Denkanstöße mit nach Berlin, die auch unsere Arbeit bereichern können. Meine Kolleg*innen vor Ort haben mir zum Abschied bestätigt, dass sowohl die Gespräche mit mir, als auch die mitgebrachten Materialien hilfreich für ihre Arbeit sind.

Sehr herzlich wurde ich verabschiedet und mithilfe dieses Projekts hoffen wir alle auf einen fachlichen Austausch in Berlin. Auf Wiedersehen.

Carola Behnke

Lissabon

Lissabon 02.10.2023

Am Montag wurde ich von Patricia Carvalho, der Leitung Infrastruktur DSL, deutsche Schule Lissabon, herzlich willkommen geheißen und vielen neuen und freundlichen Gesichtern vorgestellt. Die Nervosität, die sich bei mir in den 2 Wochen vorher dann langsam doch angestaut hatten, wurde somit in sehr kurzer Zeit aufgelöst.

Auf der schwierigen Suche nach einem Hospitationspartner in Portugal hatte ich auf die Unterstützung der deutschen Schule Lissabon gesetzt und nach einem Telefonat das Angebot erhalten, doch direkt auf dem Campus dort zu hospitieren, denn auch hier stehen Neubau- und Sanierungsmaßnahmen an um die Schule wegen wachsender Schülerzahlen zu erweitern und Bestandsgebäude zu ertüchtigen.

Auf dem Gelände befindet sich der große Teil des Kindergartens (ab 3Jahren), die Grundschule (4 Jahre) und das Gymnasium (Abitur nach 12 Jahren). Diese sind untergebracht in den ursprünglich am Standort vom deutschen Architekten Otto Bartning errichteten Gebäuden im Bauhaus Stil und ergänzt durch weitere moderne Gebäudeteile, entworfen von Carrilho da Graça. Außerdem befinden sich hier Schulgarten, Teich, Sportplätze, Sporthalle, Schwimmbecken, Freiflächen, Mensa usw. Das gesamte Gelände ist eingezäunt und der Eingang wird bewacht. Alle Schüler, Lehrer, Mitarbeiter betreten und verlassen das Grundstück mit einer Schlüsselkarte über mehrere Drehkreuztüren.

Mein Hauptarbeitsplatz befindet sich im Container. Wie wir es auch in Berlin gewohnt sind, erfordern die Verzögerungen im Bauablauf viel Flexibilität von allen Beteiligten. Interimsmaßnahmen werden verlängert und auch hier stellt sich die Frage, mit vielen Mängeln lässt es sich leben und arbeiten?

Ich nehme an einer Besprechung mit dem Vorstand und der Projektsteuerung teil und versuche herauszufinden, nach welchen Regeln hier gearbeitet wird. Nach deutschen? Denn der Hauptauftraggeber ist die BRD oder nach portugiesischen? Denn wir sind ja in Portugal?
Auf jeden Fall bin ich teilweise sehr froh, dass die meisten Kollegen hier sehr gut deutsch sprechen und ich so fast alle Fragen loswerden kann. ich bewundere insbesondere Frau Caravalho für Ihre Geduld, mich wirklich die ganze Woche bei allen Ihren Besprechungen und Diskussionen zu beteiligen und freue mich auf die kommende.

Sigrid Fimpel

Wien

Wien 26.09.2023

Meine dritte Woche in Wien galt persönlichen Gesprächen bezüglich der Verteilung von Verantwortlichkeiten und Einbeziehung in die alltägliche Arbeit.

Mit großem Interesse lernte ich die verschiedenen Zuständigkeiten bezüglich der Überprüfung von Tageseltern als Voraussetzung von Bewilligungen kennen. Unter den Mitarbeiter*innen aus dem Referat Kindertagesbetreuung sind die Inhalte: Bewilligung, Kontrolle, Tageseltern (Hierbei sind nur die Tageseltern in den eigenen Haushalten gemeint.) und Verwaltung.

Unter dem Schwerpunkt Kontrolle, konnte ich mich mit einer Kollegin anhand eines Beispiels, an der Überprüfung eines konkreten pädagogischen Konzeptes beteiligen. Die Prüfung anhand eines Leitfadens ließ Inhalte erkennen, die auch in unserer Praxis relevant sind. Dennoch ergaben sich Inspirationen, die ich mit meinen Kolleg*innen besprechen und auswerten möchte.

2018 wurden Strukturänderungen vollzogen. Seitdem unterliegt die Aufsicht über die Kindergruppen den Kolleg*innen aus der Zuständigkeit für Kindertagesstätten. Als Kindergruppen werden zwei Kindertageseltern von 2×5 Kindern in angemieteten Räumen bezeichnet. In Berlin unterstehen diese der Aufsicht für die Kindertagespflege, wie auch die einzelnen Kindertagespflegepersonen. In Wien werden die gesetzlichen und konzeptionellen Ansprüche der Kindergruppen, an die der Kindertagesstätten sukzessive angepasst. In Wien gilt das letzte Kindergartenjahr als verpflichtendes Jahr wie die Schulpflicht.
Um an der Arbeit als Tageseltern interessierten Personen die Voraussetzungen und Richtlinien für Bewilligungen nahezubringen, wird viermal jährlich ein One-Stop-Shop angeboten. An diesen Terminen sind alle relevanten Experten der Behörde vor Ort, die beratend für alle Ebenen Auskunft geben.

An einem Tag konnte ich als Beisitzerin an Gleichstellungsprüfungen teilnehmen. Erzieher*innen aus anderen Ländern wurden in Recht geprüft, inwieweit sie sich mit den rechtlichen Grundlagen der Wiener Kindertageselternbetreuung auskennen. Eine spannende Erfahrung.
Wie in Berlin, so fehlen auch in Wien Tageseltern, Assistent*innen für Kita-Gruppen und Erzieherinnen in den Kindertagesstätten. Um auf die Arbeit dieser Bereiche aufmerksam zu machen und zu werben, wird eine Open-Space Veranstaltung an einer Ausbildungsstätte bzw. Hochschule geplant, die entsprechende Expert*innen ausbilden.

Wieder einmal war diese Woche geprägt von neuen Erkenntnissen und Parallelen zu meiner Arbeit. Nun freue ich mich auf das nächste Wochenende und auf Einblicke in diese schöne Stadt.

Carola Behnke

Cantieri Culturali

Palermo, 25.09.2023

Palermo nach Woche drei wird mir immer vertrauter, und gleichzeitig stelle ich fest, wie viel ich über die lokalen Strukturen noch nicht weiß. In dieser Woche durfte ich ganz unterschiedliche Themenbereiche kennenlernen, bzw. vertiefen, über das Schulamt und über Jugend- und Sportpolitik.

Aber auch die Altstadt, das Centro Storico, wurde mir noch einmal aus einander anderen Perspektive nähergebracht, und zwar von Tonino Corso, Geologe im Servizio Autonomo Concessioni Edilizie. Vergleichbar mit der Denkmalschutzaufsicht überwacht die Einheit die Beachtung von Bauschriften in der Altstadt durch Privatpersonen. Die Altstadt, in der auf 2,5 km2 ca. 23.000 Menschen wohnen, wurde 1877 als Ganzes, als eigene Stadt erfasst und in verschiedene Gebäudetypen, Palazzo, Palazetto, Catoio und Multiplo, unterteilt. Wie schon vorher erwähnt, sind zahlreiche Gebäude verfallen, teilweise sind Bombeneinschläge aus dem 2. Weltkrieg nie aufgeräumt worden, das historische Zentrum war über Jahrzehnte praktisch verwaist. Ziel ist es, dies wurde Anfang der 90er festgehalten, die Altstadt als solche zu erhalten und wiederzubeleben. Diesem Plan wird, aus meiner Sicht, auch einiges untergeordnet. Auffällig sind z.B. die wenigen Grünflächen, bis auf die Piazza Marina und die nicht sehr barrierefreien Straßen. In Friedrichshain-Kreuzberg spielt die Anpassung an die Klimakrise eine immer größere Rolle, in der neuen Organisationseinheit Klima und Internationales wird ein Klimaanpassungskonzept entwickelt – dazu sei keine Strategie bekannt. Man müsse das Centro Storico als einen Stadtteil von vielen sehen (Palermo ist mit ca. 650.000 Einwohner*innen tatsächlich viel mehr als seine Altstadt) und dabei seinen besonderen Wert erkennen und erhalten. Und bereits in der arabischen Zeit fand man hier Strategien zum Umgang mit der Hitze, durch sogenannte Kälteräume, begrünte Innenhöfe mit Brunnen oder Wasserbecken, die Kühlung verschafften. Durch die engen, schattigen Gassen wird die Hitze nach oben geleitet – Wissen, das aktueller ist, denn je!

In der Area dell’istruzione e formazione, das sich mit den Schul- und Kindergärten beschäftigt, wurde ich sehr freundlich von Salvatore Grasso empfangen und im Gebäude herumgeführt. In seinem Bereich liegt u.a. die Pflichtschulbildung für Kinder mit Behinderung und besonderen Bedürfnissen, dazu gehört z.B. die Abholung durch den örtlichen Busbetreiber AMAT, das sind 170 in Palermo. Förderschulen gibt es in Italien übrigens nicht, hier werden alle Kinder gemeinsam beschult! Sehr interessant fand ich die Unterhaltung zum Thema Erzieher*innen- und Lehrkräftemangel. Man wünsche sich in Italien mehr Flexibilität für ältere Lehrkräfte, in der Verwaltung oder auf Abordnung arbeiten zu können. Besonders schön war, auch eine Kindertagesstätte besuchen zu können, die in Italien Babys ab sechs Monaten aufnehmen. Die Einrichtung in der Via Paolo hat täglich bis 15 Uhr geöffnet und nimmt auch Kinder aus einer Casa Familia, einer Einrichtung für Waisenkinder oder Pflegekinder, auf.

Zum Thema Jugendangebote erfuhr ich noch mehr bei der Abteilung Sport e politiche giovanili, also dem Sport- und Jugendamt und erhielt nebenbei eine Tour durch mehrere Sportstadien in Palermo. Die kommunalen Angebote für Jugendliche seien leider beschränkt, die großen Stadien könnten aber von Vereinen, und damit auch für den Jugendsport, genutzt werden. Berührend fand ich das Engagement einzelner Jugendlicher, die um mehr zeitlichen Zugang zum Sportplatz Vito Schifa (benannt einem 1992 von der Mafia ermordeten Polizisten) baten und auch erhielten.

Besonders spannend und anschaulich war der Besuch im Cantieri Culturali, einem großen, ehemaligen Möbelfabrikgelände, das inzwischen vom Kulturamt der Stadt Palermo übernommen wurde. Frau Angela Chiazza und ihre sehr engagierten Mitarbeiterinnen führten mich über das große Areal, auf dem Kulturinstitutionen und Künstler*innen untergebracht sind, es ein kommunales Kino und Event-Flächen gibt und aktuell das Mercurio Festival stattfindet, ein Performance-Festival, das seit 2019 besteht. Das Besondere: Die Künstler*innen des vergangenen Jahres laden die Künstler*innen des kommenden Jahres ein. Ebenfalls zum Cantieri Culturali gehört ein Museum für Fotografie, in dem aktuell auch Bilder von Letizia Battaglia ausgestellt werden, die in den 70er- und 80er Jahren als Fotografin die brutalen Mafia-Morde der Zeit für die Presse festhielt. Sie steht für die wichtige Rolle von Kunst als Mittel der Aufklärung und Mobilisierung in der Gesellschaft. Die sizilianische Geschichte hat eine eigene Kultur, Riten und Dialekt hervorgebracht, die lange vernachlässigt wurden und inzwischen wieder mehr Aufmerksamkeit erfahren. Davon zeugt das Teatro Ditirammu, in dem mit Kindern und Jugendliche Theaterstücke und Performances auf Sizilianisch eingeübt und aufgeführt werden.

Sehr spannend war für mich, als Städtepartnerschaftsbeauftragte, auch der Austausch mit Künstlern des Vereins „Haus der Kunst – Verein Düsseldorf Palermo e.V.“, der seit vielen Jahren Kulturaustausch, Ausstellungen und Residenzen zwischen den beiden Partnerstädten durchführt. Tatsächlich war es der künstlerische Austausch, der die Städtepartnerschaft erst anregte. Heute wird diese gefördert durch die Kommune Palermo durch eine große Atelierfläche im Cantieri Culturali, sowie von der Stadt Düsseldorf und dem Land NRW. Um die deutsch-italienischen Beziehungen ging es auch beim Gespräch mit Roman Maruhn, Leiter des Goethe-Instituts Palermo. Nachdem ein weiteres Goethe-Zentrum in der Innenstadt geschlossen wurde, decke man Sprach- und Kulturangebot ab und arbeite dabei auch mit dem Institut Français, das ebenfalls auf dem Gelände ansäßig ist, zusammen. Das Interesse an deutschen Sprachkursen sei groß, man versuche diese zu bedienen. Auch wenn Sizilien oftmals eher als Peripherie Europas wahrgenommen würde, befände man sich tatsächlich in der fünfgrößten Stadt des Landes, mit einem Einzugsgebiet von über 1 Mio. Menschen. Die wachsenden, populistischen Aussagen der neuen, italienischen Regierung, würde man mit Gelassenheit betrachten, die Kulturbeziehungen zwischen Deutschland und Italien hätten schon lange Bestand, auch wenn gerade andere Regionen mehr im Fokus stünden.

Das Cantieri Cultari bietet neben Ateliers und Räumlichkeiten für Künstler*innen und Kulturinstitutionen, auch jungen Start-Ups Fläche. Das riesige Industriegelände erfuhr in seiner wechselhaften Geschichte, die sehr anschaulich auf einer Stele dargestellt wird, letztendlich die Nutzung als Kultur-Hub der Stadt Palermo. Auch wenn mir vorher zuvor mitgeteilt wurde, dass die Ressourcen für die kommunale Kulturpolitik eingeschränkt seien, ist das Cantieri Culturali ein sehr spannender und kreativer Ort. Letzter Kommentar dazu beim Goethe-Institut: „Unser größtes Kompliment ist es, wenn jemand sagt, hier sieht es ja aus wie in Kreuzberg!“

Bettina Böhm

Wien

Wien 19.09.2023

Diese Woche konnte ich gleich mit einem aufschlussreichen und inspirierenden Gespräch mit einer Kollegin beginnen, die im gleichen Feld und mit dem gleichen Aufgabenschwerpunkt tätig ist. Nachdem mir alle möglichen Vereinbarungen und Gesetzesgrundlagen zum Lesen zur Verfügung standen, gingen wir in einen intensiven Erfahrungsaustausch. Ein Arbeitstag war natürlich zu kurz. Somit wird es weitere Termine geben. Arbeitsgrundlagen und der ständige fachliche und juristische Support, zeigten eine sehr hohe Professionalität und klare Arbeitsabläufe. Es gibt zu unserer Arbeit in Friedrichshain/ Kreuzberg viele Ähnlichkeiten, aber auch Inspiration zum Nachdenken.

Auch bei unseren Wiener Kolleg*innen wird die Thematik Kindeswohlgefährdung kontinuierlich den Tagesmüttern und Tagesvätern vermittelt und zur Diskussion gestellt. Auch bei den Trägern gibt es dazu umfangreiche Termine, in denen die Arbeit an den Konzepten in der Kindertagesbetreuung eine wesentliche Rolle spielt.

Im Zusammenhang mit einem weiteren Hausbesuch bei einer Tagesmutter, erfuhr ich von praxisrelevanten Erfahrungen im Umgang mit den Trägern, Eltern und der Problematik Personalmangel.

Darüber hinaus konnte ich an Netzwerktreffen in verschiedenen Gebäuden teilnehmen und auch dadurch die schöne Stadt Wien etwas mehr kennenlernen.

Meine Terminplanung für die nächste Woche, lässt auf weitere interessante Erkenntnisse hoffen.

Carola Behnke

Palermo

Palermo 18.09.2023

Meine zweite Woche in der Stadtverwaltung Palermo widmete sich den Themen Erhalt der historischen Altstadt und der Sozialleistungen- und Angebote der Verwaltung.
Wie schon im ersten Bericht erwähnt, ist die Altstadt Palermos die größte, zusammenhängende Altstadt Europas und liegt zudem noch direkt am Meer. Was auf den ersten Blick prächtig und identitätsstiftend erscheint, stellt die Verwaltung und die Palermitaner*innen vor die große Herausforderung, diese Altstadt zu erhalten. Zahlreiche Gebäude im historischen Zentrum stehen nämlich leer und verfallen und werden damit nach und nach zu einem Sicherheitsrisiko für Anwohner*innen und Passant*innen. Ich verbrachte einen Tag mit dem Nucleo Tutela Risorse Immobiliari, das zur Polizei der Stadt gehört. Hier arbeiten hauptsächlich Ingenieur*innen, die eine Übersicht über die verlassenen Gebäude der Altstadt führen. Diese müssen erfasst und abgeriegelt werden, regelmäßig werde dies kontrolliert. Langfristiges Ziel sei es, die eigentlichen Besitzer*innen ausfindig zu machen und in die Pflicht zu nehmen. Dies sei oft schwierig, da aufgrund der Migrationsgeschichte Süditaliens die Erb*innen nicht selten über Italien und über die ganze Welt verstreut lebten. Nach einigen Generationen wisse man oft gar nichts mehr vom Besitz der Familie in Palermo und wenn, würden Erbstreitigkeiten häufig dazu führen, dass die Renovierungsmaßnamen sich immer weiter verzögerten. Ich durfte zwei Kollegen, Commissario Ciro Lo Bello und Marcello La Placa, begleiten und dabei die Baustelle eines verfallenen, riesigen Pallazo besichtigen. Dieser wurde inzwischen von einem Architekten gekauft, der, nachdem alle 35 lebenden Erb*innen ausfindig gemacht wurden, die alte Substanz, die z.T. noch die 2.500 Jahre alte punische Stadtmauer umfasst, nach und nach in ein Hotel umbauen lässt. Der Innenhof solle der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Auf die Frage hin, welche Förderung es für klimaneutrales Bauen gäbe, erfuhr ich, dass die Regierung von Giorgia Meloni im vergangenen sämtliche Förderungen gestrichen habe. Es sei ihm gerade noch so gelungen, Mittel für energieeffiziente Dämmung und Kühlung zu beantragen. Von der Stadt gäbe es keine Wirtschaftsförderung, er habe einen Kredit erhalten.
Eine weitere, große Herausforderung für die Stadtverwaltung sei das illegale Bewohnen der verlassenen Häuser. Die sehr freundlichen Kolleg*innen betonten, dass es sich hierbei um Menschen handele, die keine andere Unterkunft hätten. Sie aus den, teils unmittelbar einsturzgefährdeten Gebäuden zu evakuieren, sei belastend, man tue dies, um sie zu schützen und arbeite mit dem Sozialamt der Stadt Palermo zusammen. Langfristig wolle man die Altstadt vollständig sanieren. Auf meine Frage hin, wie man dafür Investor*innen gewinnen wolle, wurde ich auf das Dach des alten Klosters geführt, das einen herrlichen Blick auf das Meer und das historische Stadtzentrum eröffne – so überzeuge man diese! Das Interesse an den Verhältnissen in Berlin war groß, obwohl bekannt war, dass Berlin im 2. Weltkrieg fast vollständig zerstört wurde und darum keine vergleichbare Altstadt hat. Die Frage, wie man die Altstadt renovieren und trotzdem Gentrifizierung verhindern kann, stellt sich auch in in Palermo, wo sich viele Bewohner*innen die Mieten in den historischen Viertel nicht mehr leisten können. An dieser Stelle einen großen Dank an das Büro Nucleo Risorse Immobiliari Centro Storico, für die sehr freundliche und informative Betreuung!
Beim Coordinamento del Serivizo Sociale, der Koordinationsstelle für die sozialen Dienste, stellte mir Laura Purpura die verschiedenen Angebote und Maßnahmen vor. Seit die neue, italienische Regierung die Sozialhilfe (ganze 500 Euro) für Menschen unter 25 und ohne Kinder gestrichen habe, seien die Anfragen bei ihnen noch einmal deutlich gestiegen. Die Situation sei prekär, insbesondere in der Altstadt träfen verschiedene, bedürfte Personengruppen aufeinander, dies führe nicht selten zu Konflikten.
In der Casa Di Diritti des Progetti di innovazione sociale erzählte mir Laura Nocelli welche Maßnahmen der sozialen Betreuung die Stadt Palermo genau übernehme. In Italien teilten sich die Leistungen auf zwischen der Gemeinde und der Präfektur, die wiederum die Zentralregierung wiederspiegelt. Bei der Betreuung von geflüchteten Menschen und Migrant*innen sei die Gemeinde für Minderjährige zuständig und die Präfektur für Erwachsene und Familien. Diese würden oftmals über die Insel verteilt untergebracht, in teilweise völlig entlegenen Orten ohne Anbindung. In Palermo nutze man oft Gebäude, die der Staat von der sizilianischen Mafia, der Cosa Nostra, beschlagnahme. Als Sozialarbeiterin betreue sie auch die Einrichtungen in der Stadt, die unbegleitete Geflüchtete versorgten. Viele seien Bangladeschis und Tamil*innen, denn in Palermo gibt es große Communities, oder kämen aus afrikanischen Ländern, wie Gambia. Besonders dramatisch sei die Situation von nigerianischen Mädchen und jungen Frauen, die fast ausschließlich für Zwangsprostitution nach Sizilien verschleppt würden. Neben der Finanzierung durch die Stadt und v.a. das Land würden sie zahlreiche Projekte mit EU-Mitteln finanzieren, die jedoch immer wieder neu beantragt werden müssten. Mit anderen, italienischen Städten stehe man zu dem Thema durchaus im Austausch, europaweit oder mit internationalen Partnern jedoch nicht.
Beim Sprachinstituti ItaStra, das zur Universität Palermo gehört, wird für minderjährige, unbegleitete Geflüchtete ein Alphabetisierungskurs angeboten, Disseo – Arriving Alone. Dieser bereitet sie zwei Monate lang auf den regulären Schulunterricht vor, der in Italien keine Willkommensklassen kennt. Aber, betonte Aliou Ba, Promotionsstudent aus dem Senegal, viele Geflüchtete hätten keine reguläre Schulbildung in ihrer Heimat erhalten, seien aber sehr wohl multilingual und sprächen mehrere, lokale Sprachen. Dies sei eine Kompetenz, die unbedingt anerkannt und genutzt werden müsse. Das Lehrbuch, das die Universität dafür entwickelte, steigt daher direkt in die Sprachpraxis ein. Als ich fragte, wo denn das Alphabet sei, erklärte man mir, das Schreiben käme eben ganz automatisch mit der Sprache! Das ItaStra-Gebäude gehört zu den schönsten und modernsten, die ich bisher in Palermo gesehen habe. Laura Nocelli betonte, das sei wichtig, um Menschen, die oftmals in alten und nicht sehr gepflegten Unterkünften lebten, Wertschätzung und Anerkennung zu geben.

Meine zweite Woche in Palermo endete mit vielen bewegenden Eindrücken, vor allem vom Engagement der einzelnen Mitarbeiter*innen für ihre Aufgabe.

Bettin Böhm

Team in Lambeth

London Lambeth 15.09.2023

In meiner letzten Woche bei Lambeth hatte ich vor, die Verkehrskonzepte der vorangegangenen Wochen weiterzuverfolgen, an einigen Sitzungen teilzunehmen und generell im Büro zu nerven 😉 Meine Pläne wurden jedoch ein wenig auf Eis gelegt, als ich positiv getestet wurde. Ich verbrachte einige Tage damit, mich zu erholen und zu schlafen, und als ich endlich wieder gesund genug war, um nach draußen zu gehen, traf sich mein Team zu einigen Abschiedtea mit sozialem Abstand im Park.

Ich werde in Lambeth die absurde Anzahl von Bussen vermissen, die Healthy Routes Program und ihren ganzheitlichen Ansatz bei der Planung für alle Verkehrsteilnehmer*innen, die durchgehenden Fußwege bei Nebenstraßen und die Einbeziehung des Feedbacks von Anwohner*innen, die durch die Infrastruktur behindert werden, die Schulstraßen und ihre innovativen Entwürfe, die Low Traffic Neighborhoods und all ihre mir sehr bekannten Widerstände, das unbegrenzte Engagement, das das Team bei all seinen Maßnahmen es trotz Wiederstand schafft, die KAMERAS, ich werde die Kameras und alles, was durch sie möglich ist, vermissen, die ständige Umstellung auf nachhaltige Nutzung von Parkraum, das Big Shift Program und die umfassende Unterstützung, das sie den Anwohner*innen bietet. …aber am wichtigsten ist natürlich, dass ich dieses Team vermissen werde. Diese Zeit in London war so besonders wegen dieses Team, und ich hoffe, bald wieder nach Lambeth zu kommen!

Jessica Horne

Lambeth

London Lambeth 11.09.2023

Diese Woche war entspannt, und ich beobachtete, wie das Team einen Antrag auf Finanzierung für die Umsetzung der Kerbsidestrategy auf Kiezebene stellte. Es war sehr interessant, ihre Strategie bei der Beantragung der Mittel zu beobachten.

Am Dienstag nahm ich an einer Präsentation von Transport for London (TFL) teil, wo sie ihre allgemeinen Strategien für nachhaltige Mobilität erläuterten und einige individuelle Entwürfe zeigten. Sie spielen eine ähnliche Rolle wie die Senatsverwaltung in Berlin. Im Anschluss an die Präsentation machten wir eine Fahrradtour zu einigen der wichtigsten Infrastrukturen, die während Boris Johnsons Zeit als Bürgermeister von London umgesetzt wurden. Interessanterweise war er ein fahrradfreundlicher Bürgermeister und finanzierte eine Menge Infrastrukturmaßnahmen.

Am Dienstag wurde auch in Brixton Hill eine LTN (low traffic neighbourhood) eröffnet, so dass wir am Mittwoch ebenfalls eine Tour machten, um sicherzustellen, dass die Modalen Filter* richtig aufgestellt waren und um festzustellen, ob sie auch beachtet wurden. In den ersten Tagen der LTN ist es offenbar sehr üblich, dass Fahrzeuge durch sie hindurchfahren, da sie nur mit Kameras durchgesetzt werden.
*(Anm. EUB: “Modale Filter sind alle verkehrsplanerischen und infrastrukturellen Elemente, die das Ziel haben, unerwünschte Verkehrsarten herauszufiltern, während den erwünschten Verkehrsarten der Durchgang ermöglicht wird”)

Am Donnerstag haben wir die Kartierungssoftware Felt besprochen, die das Team gerne für seine eigenen Projekte einsetzen möchte. Wir diskutierten einige der Quick-Win-LTN-Verkehrskonzepte, an denen ich in den letzten Wochen gearbeitet habe. Ich setzte mich auch mit dem Vertreter der Schulwegsicherheit zusammen und erfuhr von ihren Umsetzungsstrategien.

Das Wetter ist recht warm und wir genießen die Mittagspausen als Team im Park. Es könnte schon mehr Busse als Menschen geben. Ich achte beim Überqueren der Straße immer noch auf den Verkehr in der falschen Richtung.

Jessica Horne

Palermo

Palermo 11.09.2023

Am 4. September begann meine erste von vier Hospitationswochen in der Stadtverwaltung Palermo, der Provinzhauptstadt der Autonomen Region Sizilien und Wohnsitz von über 650.000 Einwohner*innen. Dank der sehr freundlichen Kommunikation mit der Koordinatorin vor Ort, Daniela Messina, die fließend Deutsch spricht, hatte ich bereits vor Ankunft das Gefühl, vor Ort gut aufgehoben und betreut zu sein. Palermos hinreißende, barocke Altstadt, ist nicht nur die größte, zusammenhängende Altstadt Europas, sondern auch UNESCO-Weltkulturerbe. Diese verfiel nach dem 2. Weltkrieg, zunehmend, während die Mafia Infrastrukturprojekte, wie den Bau von Sozialwohnungen, fest in der Hand hatte. Seit den 80er und 90er Jahren gelang es wieder, die Stadt zu beleben und zu sanieren, und die organisierte Kriminalität zurückzudrängen – das Andenken an die beiden 1992 ermordeten Mafia-Richter Falcone und Borsellino ist weiterhin allgegenwärtig.

Mein erster Tag begann mit einer sehr herzlichen Begrüßung durch Frau Messina und dem Kennenlernen meiner ersten Station, im Settore Rigenerazione Urbana e centro storico. Servizio per la Rigenerazione Urbana e la Qualità dello Spazio Pubblico e dell’Abitare Responsabile PO Progettazione Strategica – hinter dem sehr langen Namen verbirgt sich, nach einer Umstrukturierung, die Behörde für Stadterneuerung und für die Altstadt, sowie für die Qualität des öffentlichen Raums und für Strategische Planung. Dem Namen angemessen, befindet sich die Behörde in einem ehemaligen Kloster, mit historischen Kreuzgängen und Blick auf das Meer. Wie ich auch in den kommenden Tagen lernen durfte, wurden viele ehemalige Klöster umgewandelt und werden nun für andere Zwecke genutzt.

Gemeinsam mit Caterina Guerico, Irene Chinnici, Maurizio Ruggiano und Luisa Leggio der Behörde wurde mir mein Programm für die nächsten Wochen vorgestellt, sowie die Grundzüge der palermitanischen Verwaltung vorgestellt. Der Sindaco, der Bürgermeister, ist seit 2022 Roberto Lagalla, nachdem der zuvor viele Jahre der als „Antimafia“ und pro Migration bekannte Bürgermeister Leoluca Orleando nicht mehr antrat. Der Sindaco ernennt 11 Assessori, die den Gemeinderat bilden, und für verschiedene Themen zuständig sind. Anders als in Berlin, sind die acht Circoscrizioni, die Bezirke Palermos, weitestgehend ohne Macht und Budget, haben jedoch auch einen eigenen Rat und eine*n Präsidenten*in.

Im Sommer befindet sich ganz Italien im kollektiven Urlaub, weshalb auch meine erste Woche noch viele Besichtigungen außerhalb des Verwaltung beinhaltete. Am zweiten und dritten Tag besuchte ich, gemeinsam mit Maurizio Ruggiano, die Stadtbibliothek, die Biblioteca Communale di Palermo, die, nicht ganz unerwartet, in einem ehemaligen, riesigen Klostergelände untergebracht ist. Teilweise verwahrlost, war es eine zivilgesellschaftliche Initiative, die begann, das große Gelände vor ein paar Jahren aufzuräumen. Nachdem die historische Bibliothek im 2. Weltkrieg von einer Bombe getroffen wurde, wurde die Hälfte des Bestands von 12.000 Werken vernichtet. Dabei handelt es sich teilweise um über 500 Jahre alte Drucke. Aktuell wird der verbleibende Bestand digitalisiert und der Öffentlichkeit online zur Verfügung gestellt. Der sehr freundliche Guide antwortete ausweichend auf die Frage der Finanzierung der Bibliothek, von der Stadtverwaltung habe man vor einigen Jahren noch einmal 148 Euro erhalten (meine ungläubige Reaktion „…Tausend, oder?“ blieb unbeantwortet), ansonsten sei man auf EU-Drittmittel angewiesen.

Im Stadtarchiv Palermos, das einer Synagoge nachempfunden ist, aber ursprünglich ein Kloster war, hat die Digitalisierung noch nicht begonnen. Über 800 Jahre Geschichte sind allen Besucher*innen frei zugänglich, gesammelt in monumentalen Räumen in Regalen bis unter die Decke, das Gedächtnis der Stadt auf Papier.

Grundsätzlich ist die große Freundlichkeit und Flexibilität unter den palermitanischen Kolleg*innen sehr sichtbar und beeindruckend. Einen Besuch im Ethnografischen Museum Guiseppe Pitrè, das von der Stadt unterhalten wird, etwas außerhalb von Palermo, begleitete spontan die Direktorin Felice Patrizia d’Amico und stellte mir die eindrucksvolle Sammlung vor, die die sizilianische Kultur und Geschichte, vor allem durch Alltags- und Kulturgegenstände, Werkzeug, Schmuck und Kleidung, präsentiert. Die Neueröffnung vor fünf Jahren nach einer umfassenden Renovierung, nachdem das Museum bereits seit 1935 besteht, war ein Kulturprojekt des ehemaligen Bürgermeisters Orleando. Die Sammlung wird stetig durch Ankauf und private Spenden, bzw. Vererbung, erweitert.
Kultur, so schien es, könnte in der Stadtpolitik jedoch eine noch größere Rolle spielen, wurde mir in der Woche vermittelt. Spannende Pilotprojekte hat Palermo auch durchaus zu bieten, wie das Street Art Palermo-Projekt, bei dem die Stadtverwaltung Fassaden und Flächen für Künstler*innen zur Gestaltung freigab und das mir Irene Chinnici vorstellte. 58 Künstler*innen wurden mit ihrem Vorschlag ausgewählt und bemalten und besprühten 2021 Häuserwände und Mauern in der ganzen Stadt, vor allem in den teils sozial etwas benachteiligten Außenbezirken. Relativ großzügige Guidelines gaben dabei kaum Grenzen vor, gleichzeitig lässt die historische Altstadt nicht viele Spielräume zu. Darauf angesprochen, ob das Projekt in internationalen und städtepartnerschaftlichen Kontext zu übertragen sei, antwortete Irene bescheiden, Mailand habe größere Projekte in dem Rahmen umgesetzt. Dennoch erschienen das Projekt und auch der interne Prozess in einer Stadt, die sich nicht zuletzt über ihr historisches und ästhetisches Erbe definiert, sehr wegweisend.

Ein ganz anderes Projekt ist das Centro Astalli, das ich, nach großen Bemühungen meiner Koordinator*innen, besuchen durfte. Die Freiwilligenorganisation gehört zu einem italienweiten Netzwerk an Einrichtungen und setzt sich mit unterschiedlichen Angeboten für sozial benachteiligte Menschen und Geflüchtete ein. Das umfasst ein kostenloses Frühstück- und Abendessen, Waschmöglichkeiten und Wäsche, ebenso wie die Unterbringung von Asylsuchenden, Italienischkurse, Rechtsberatung und Gesundheitsuntersuchungen. Das Centro ist auf Spenden angewiesen, das große Gelände erhielt es vom Jesuitenorden. Man habe Platz um noch mehr geflüchtete Menschen aufnehmen, betonte der Leiter beim Rundgang und man sei gleichzeitig sehr dankbar für das Engagement der Freiwilligen, wobei es gerade herausfordernder würde, junge Menschen langfristig für ein Projekt zu gewinnen – eine Erfahrung, die mir von unseren ehrenamtlichen Städtepartnerschaftsvereinen bekannt vorkam.

Und zum Abschluss noch eine Erkenntnis aus der ersten Woche in Palermo: Die Stadtverwaltung habe wohl keinerlei Nachwuchsmangel, die Arbeit in der Verwaltung streben viele junge Menschen, auf der Suche nach einer sicheren Anstellung im von Jugendarbeitslosigkeit geplagten Süden Italiens, an. Für eine Stadt wie Palermo, mit großem historischen Erbe und gleichzeitig viel Dynamik und Kreativität, ist das doch eine große Chance!

Bettina Böhm

Wien

Wien 09.09.2023

Nach einem umfangreichen Bewerbungsverfahren ist es mir gelungen, einen Hospitationsplatz in Wien, im Jugendamt zu erlangen. Bei allen Kolleg*innen und Organisatorinnen bedanke ich mich für diese Möglichkeit, in einen europäischen Fachaustausch in Wien gehen zu dürfen. Mit meinem beruflichen Schwerpunkt Kindertagespflege und frühkindliche Bildung im Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg, darf ich nun unseren Kolleg*innen in Wien über die Schulter schauen.

Nach einer offiziellen Begrüßung und Einführung durch Herrn Dr. Wimmer, Magistratsdirektion, im Haus des Personals in der Bartensteingasse in Wien, habe ich die Kolleg*innen der Kinder-und Jugendhilfe in der Rüdensteingasse, aufgesucht. Freundlich begrüßt, lernte ich die fachbezogenen Mitarbeiter*innen kennen. Schon in der ersten Woche konnte ich neben interessanten Gesprächsterminen im Haus, gleich beeindruckende Außentermine wahrnehmen.

Schon eine aufsuchende Beratung und Kontrolle einer Tagespflegeperson in der privaten Wohnung, hat mir interessante Einblicke in die Verfahrensweise und den Auftrag des Jugendamtes vermittelt, die ich als Anregung mitnehmen werde.

Am 07.09.2023 wurde mir die Teilnahme an einem Fachtag ermöglicht. Die “KICK OFF zum Ausbau Frühe Hilfen“, fand nicht nur in dem historischen Festsaal Wiens statt, sondern vermittelte ein spannendes Netzwerk für die Umsetzung Früher Hilfen. Mittels Vorträge und des umfangreichen Marktplatzes, lernte ich die Schwerpunkte kennen und konnte auch hier wieder Anregungen für die eigene Arbeit sammeln.

In einer Großteamzusammenkunft konnte ich die Gelegenheit wahrnehmen, meine Präsentation unserer Arbeit vorzustellen und entsprechende Materialien zu verteilen. Im Rahmen eines Erfahrungsaustauschs lernten so die Kolleg*innen auch Inhalte aus unserer Arbeit in Berlin kennen.

Als besonderes Bonbon lud mich mein temporäres Team ein, mit Ihnen am Businessrun teilzunehmen. Somit lernten wir uns besser kennen und hatten viel Spaß miteinander.
Die Vielfalt dieser ersten Woche lässt mich auf die nächste Woche und weiteren Erkenntnissen freuen.

Carola Behnke

Kiezblock Lambeth

London Lambeth 04.09.2023

Diese Woche begann mit der Festlegung einiger Projekte für die Zeit in Lambeth. In erster Linie werde ich einige vorläufige Entwürfe für die “Quick-Win”-Kiezblocks erarbeiten. Ein Verkehrsberatungsunternehmen wurde beauftragt, die Kiezblöcke für verkehrsberuhigende Maßnahmen anhand von 25 vordefinierten Faktoren wie Luftverschmutzung, Bevölkerungsdichte, Durchschnittseinkommen, Geschlecht usw. zu priorisieren.

Unter den Ergebnissen des Berichts wurden 7 Kiezblocks als “Quick Wins” definiert, da sie nur über ein kleines Nebenstraßennetz verfügen die von Hauptverkehrsstraßen umgeben sind. Die Quick-Win-Kiezblocks können mit einer minimalen Anzahl von Filtern verkehrsberuhigt werden, und es ist weniger öffentlicher Widerstand zu erwarten. Daher ist geplant, den Entwurf/Umsetzungs- und Beteiligungsprozess für jedes Viertel zu verkürzen, und ein Großteil meiner Sitzungen in dieser Woche diente der Gestaltung des verkürzten Entwurf/Umsetzungs- und Beteiligungsprozesses. Ich habe auch die Geodatensätze von den Beratern erhalten und werde nächste Woche mit einer Analyse beginnen. Ich lerne sehr viel von den Kollegen*innen und es macht sehr viel Spaß zusammen zu arbeiten.

Außerdem habe ich mit der Planung von einer Straße im Stadtteil Waterloo begonnen. Eine neue geplante Maßnahme wird sich voraussichtlich negativ auf die Straße und die angrenzenden Gebiete auswirken. Deswegen sind parallel umgesetzte Verkehrsberuhigungsmaßnahmen gewünscht Es ist sehr interessant, die englische Herangehensweise an diese beiden Projekte zu sehen, ich lerne viel von meinem Team und genieße es sehr !

Das Foto von dieser Woche zeigt einen permanent eingesetzten Modalfilter, der durch Kameras und Gebühren verstärkt wird. Die permanenten Filter werden von Begrünungsmaßnahmen begleitet, um eine neue Atmosphäre zu schaffen und Fußgängern und Radfahrern an den Filterstandorten wieder Raum zu geben. Aufgrund der Kameraüberwachung ist es möglich, dem Bus eine Ausnahme zu gewähren und ein “Bustor” zu schaffen.

Darüber hinaus habe ich weiterhin Interviews geführt, um unsere Prozesse zu vergleichen, sowohl für spezifische Projekte als auch für allgemeine Strukturen zu Themen wie Finanzen oder Genehmigungen und Vorschriften. Alle sind sehr hilfsbereit und freundlich. Wir haben einen Lauftreff für die Mittagspause ins Leben gerufen und gehen am Donnerstagabend in den Pub. Es ist einfach sehr schön im Vereinigten Königreich!

This week started off by defining a few projects for my time in Lambeth. Primarily, I will be doing some preliminary design work for some quick win neighborhoods. A traffic consultancy was hired to reporioritize the neighborhoods for traffic calming measures according to 25 predefined factors like air polution, population density, average income, gender etc…

Among the outputs of the report, 7 neighborhoods were defined as quick wins because of their small nebenstraße network size surrounded by main roads. The quick win neighborhoods can be traffic calmed with a minimal number of filters, and there is less public resistance expected. Therefore, the design and engagement process for each neighborhood is planned to be reduced, and a majority of my meetings this week were designing the shortened design and engagement process. I have also received the geo data sets from the consultants and will begin performing the analysis next week.

I have also begun consulting on a street calming plan in the Waterloo district on a street called Weber Street. A new planned measure is projected to have negative impacts on the street and adjacent areas. It is very interesting to see the Englsih approach to both of these projects, I am learning a lot from my team and enjoy working with them very much.

Additionally I have continued conducting interviews to compare our processes, both for specific projects as well as general structures around topics like finance or approvals and technical design regulations. Everyone is extremely helpful and kind. We have started a lunch time running club, and we go to the pub on Thursday evenings. It is simply lovely in the UK !

Jessica Horne

London Lambeth

London Lambeth 29.08.2023

In der ersten Woche kam ich in London an und traf meinen Chef Josh Learner, den Leiter der Abteilung Verkehrsstrategie und -programme. Wir besprachen unsere mögliche Zusammenarbeit während der vier Wochen. Mein Ziel für den Austausch ist es, Prozesse für parallele Projekte und Strukturen zu vergleichen, die wir in unseren beiden ähnlichen Bezirken durchführen, vor allem in Low Traffic Neighborhoods (LTN) und bei der Kerbside Strategy. Darüber hinaus möchte ich einen allgemeinen Vergleich der Verwaltungsstrukturen, einschließlich der Finanzierung, der Fristen, der Gestaltungsvorschriften und des Genehmigungsverfahrens, anstellen.

In der ersten Woche traf ich mich mit den Teammitglieder*innen in Einzelgesprächen und größeren Gruppen. Ich erhielt einige Präsentationen und lernte die Teamstrukturen und Projekte kennen. Am Montagabend nahm ich an einer Videokonferenz teil, in der die Fragen der Öffentlichkeit zum bevorstehenden LTN beantwortet wurden. Die Fragen wurden im Voraus eingereicht und nach Relevanz gefiltert, Beschwerden und Tiraden wurden nicht beantwortet, und alle relevanten Fragen wurden auch auf einer FAQ-Website für jedes LTN veröffentlicht und beantwortet, zum Beispiel hier: https://sladegardensltn.commonplace.is/

Ein Kollege zeigte mir am Dienstag ein LTN auf der Straße, das unserem Projekt Xhain beruhigt sich in Berlin sehr ähnlich ist. Wir sahen einige der Vorbereitungen, die die Baufirma bereits getroffen hat und die auf die Eröffnung am 4. September warten. Die verkehrsberuhigenden Maßnahmen kommen in erster Linie ohne physische Barrieren aus und werden mit Kameras durchgesetzt, die automatisch Strafzettel zu 65 £ an Verkehrssünder verschicken. Auf diese Weise kann sich das Projekt finanziell selbst tragen und der Widerstand von Behörden wie der Feuerwehr wird minimiert. Die Maßnahmen werden ähnlich wie bei unserem Plan in zwei Phasen umgesetzt, zunächst probeweise für 18 Monate und dann nach einer Bewertung dauerhaft mit begleitendem Straßengrün und neuer Fußgängerinfrastruktur.

Donnerstags abends geht das Team auf ein Bier in eine Bar um die Ecke des Büros. Die Atmosphäre im Team ist angenehm, sehr vielfältig und integrativ. Das Büro ist offen gestaltet, was automatisch die Zusammenarbeit fördert, und das Team scheint es einfach zu genießen, in einer flachen Hierarchie zusammenzuarbeiten.

Am Freitag veranstaltete Lambeth eine Podiumsdiskussion mit Anwohner*innen mit Behinderungen, um über das Standarddesign für niveaugleich ausgebaute Querungen zu beraten. Das Design wird in Friedrichshain-Kreuzberg nicht umgesetzt, da die Kosten aufgrund der Entwässerungsanforderungen oft viel höher sind. Die Diskussionsteilnehmer gaben wertvolle Rückmeldungen zu ihren Erfahrungen mit der bestehenden Infrastruktur und gaben Empfehlungen für künftige Planungen ab, z. B. dass Farbunterschiede, selbst wenn sie auf gleicher Höhe mit dem Gehweg liegen, entscheidend sind, damit behinderte Menschen eine Kreuzung erkennen können. Gesprenkelte Muster bei einigen Anwohner*innen mit Behinderungen können aber leicht zu Schwindelgefühlen führen und man kann sich nicht darauf konzentrieren.

Ich habe die erste Woche sehr genossen.

In the first week I arrived in London and met my boss Josh Learner, the head of transportation strategy and programmes. We had a coffee and discussed our potential collaboration for the four weeks. My objective for the exchange is to compare processes for parallel projects we have running in our two similar bezirks, primarily low traffic neighborhoods and the cerb side strategy. Additionally my objectives include generally comparing administrative structures including financing, timelines, design regulations, and the approvals process.

The first week was spent meeting team members in individual meetings and larger group settings. I received some presentations and learned about the team structures and projects. On Monday evening I attended an engagement video conference to answer the publics questions about the upcoming LTN. The questions were submitted in advance and filtered for relevance, complaints and rants were not answered, and all relevant questions were also published and answered on an FAQ webiste for each LTN, for example here : https://sladegardensltn.commonplace.is/

A colleague showed me on Tuesday the LTN, which closely parallels our project Xhain beruhigt sich in Berlin. We saw some of the preparations by the construction company already set up and waiting for the opening on September 4th. The traffic calming measures primarily operate without physical barriers and are enforced with cameras which automatically send tickets of 65 pounds to traffic violators. This allows the scheme to be financially self sufficient and minimizes resistance from authorities like the fire department. The measures are implemented similarly to our plan in two phases, first on a trial basis for 18 months, and then after evaluation permanently with accompanying street greenery and new pedestrian infrastructure.

On Thursday nights the team goes out for a beer at a pub around the corner from the office. The team atmosphere is lovely, very diverse and inclusive. The office is open concept, which automatically encourages colaboration and the team seems to just enjoy working together on a relatively flat heirarchy.

On Friday, Lambeth hosted a panel of disabled residents to consult on the standard design for a new continuous paving. The scheme is unfortunately not implemented in Friedrichshain-Kreuzberg because the cost is often much higher with drainage requirements. The panel provided valuable feedback to their experiences with existing infrastructure and recommendations for future continuous footways, for example that color variations even when at the same level as the sidewalk are critical to allow disabled people to recognize a crossing, however speckled patterns can easily contribute to dizziness for some residents and cannot be concentrated on.

Jessica Horne