08.10.2022
Buongiorno,
mein Hinflug am Samstagnachmittag, von Berlin nach Mailand hatte gute 1,5 Stun-den Verspätung. Als Entschädigung dafür, begrüsste mich die Sonne und warme 24 Grad am Flughafen Linate. Der Weg, vom Flughafen zu meiner Unterkunft für die nächsten vier Wochen, im Stadtteil mit dem Namen NoLo dauerte nicht mal 45 Minuten. Das Ticket kostete mich gerade mal 2€. Generell lässt sich hier schon er-wähnen, dass das Nutzen der öffentlichen Verkehrsmittel hier günstiger ist als Zu-hause in Berlin. Maske trägt man oder trägt man nicht. Die Mehrheit verzichtet da-rauf.
Auch am nächsten Morgen, ist das Wetter wunderschön, strahlend blauer Himmel und die Sonne lachte mir schon entgegen. Von meiner Wohnung im 6. Stock kann ich sogar das Alpen Panorama sehen, welches mich ursprünglich aus Oberbayern stammend natürlich sehr freut.
Auf geht`s die neue Stadt erkunden. Wer noch nicht in Mailand war, man kann direkt die Treppen von der U-Bahn hoch zum Dom nehmen und steht vor diesen un-glaublichen Gebäude, dem Mailänder Dom.
Die neue Woche beginnt. Bei euch ist heute Tag der deutschen Einheit, ich hoffe ihr habt alle euren freien Tag genossen. Pünktlich wie ich bin, bin ich schon gute 10 Minuten vor der vereinbarten Zeit am Checkpoint. Um Punkt 10 Uhr klingele ich, doch niemand öffnet die Tür. Nachdem ich ein paar Minuten gewartet habe kontak-tiere ich meinen Anleiter per WhatsApp. Er ruft mich sofort an und entschuldigt sich (auf Italienisch) und ich verstehe fast nichts. Auf Englisch klappt es dann schon besser. Er hat mich leider vergessen und verspätet sich um gute 1,5 Stunden. Macht nichts, ich gehe ins nächste Café und bestelle mir erst mal einen Cappuccino und ein Croissant. Die Zeit nutze ich, um mir nochmal die Webseite des Checkpoints und den Social Media Auftritt (Instagram) anzusehen. Gerade die Instagram Seite ist sehr ansprechend gestaltet, hier der Link:
https://www.instagram.com/milano.checkpoint/?hl=de
Ich werde auch auf einen Post von vor ein paar Wochen aufmerksam, hier wird eine „Testnacht“ beworben, die der Checkpoint veranstaltete. Und zwar konnte man sich auf HIV, Hepatitis C und Syphilis (mit einem Schnelltest) testen lassen. Das alles abends/ nachts in einem beliebten Ausgehviertel der queeren Szene. Ein weiterer Post bedankt sich bei allen Teilnehmer*innen und es heißt an zwei Abenden wurden mehr als 300 Teste durchgeführt. Die Zeit ist auch schon fast um und ich gehe zurück zum Checkpoint.
Der zweite Anlauf klappt, mein Anleiter wartet schon vor dem Checkpoint auf mich. Er ist sehr sympathisch, wir verstehen uns auf Anhieb. Er zeigt mir die Räumlich-keiten und erklärt mir gleich, dass ab heute Nachmittag die ersten Klient*innen kommen. Davor muss er noch ein paar organisatorische Aufgaben erledigen, (Tele-fonate) mit Klient*innen die Interesse an der Prep (Prä-Expositions-Prophylaxe) haben, chatten, Termine koordinieren usw. Ich lerne einen weiteren Kollegen ken-nen, er arbeitet hier ehrenamtlich und ist eigentlich schon in Pension.
Heute Nachmittag findet die Prep Beratung statt, es ist eine Mischung aus Testung/ Beratung/ Rezept Verschreibung und natürlich der Prep Vergabe. Einen Termin dafür buchen die Klient*innen vorab online auf der Webseite, es gibt Klient*innen die zum ersten Mal die Prep bekommen (die Beratung fällt in diesem Fall ausführlicher aus) oder Klient*innen die eine Fortsetzung beziehungsweise Kontrolle der Prep bekommen.
Der erste Klient bekommt zum ersten Mal die Prep. Es wird nochmal der zuvor on-line ausgefüllte Fragebogen mit ihm durchgegangen, gefragt ob er die Prep durch-nehmen möchte oder Anlass bezogen, es wird ihm nochmal ausdrücklich erklärt was er dabei zu beachten hat. Heißt, die Prep rechtzeitig mindestens 2 Stunden vor dem Geschlechtsverkehr einzunehmen. Es wird nach Blutbild gefragt (die Klient*innen müssen ein aktuelles, umfassendes Blutbild mit relevanten Werten zum Checkpoint mitbringen) und Abfrage des Hepatitis AB Impfstatus, (es ist wichtig einen ausreichenden Schutz für Hepatitis A und B zu haben.) Es wird auf Wunsch auch eine Impfempfehlung ausgesprochen, (hier in Mailand für MSM kostenlos) und im jeweiligen Impfzentrums des Distrikts zu bekommen. Ob und wenn ja, wann die letzte Syphilis Infektion war. Es wird ein Schnelltest für HIV, HEP C und Syphilis gemacht. Im Anschluss bekommt der
Klient das (Privat-) Rezept für die Prep aus-gestellt.
Da heute kein Arzt im Haus ist, kann bei Bedarf ein Arzt bei Zoom oder Skype zu-geschaltet werden. Das ist ein paarmal der Fall.
Das Ergebnis der Tests für HIV, Syphilis und HEP C sind in ca. 15 Minuten fertig, die Klient*innen warten so lange im Wartebereich. Die Chlamydien- und Gonorrhötestung findet mit Urin, rektal und oder oral Abstrich statt. Die Tests werden hier Vorort in einer Maschine ausgewertet. Mir wird erklärt, dass ca. 95% der Klient*innen für die Prep Männer sind, die Sex mit Männern haben. Eine weitere User Gruppe sind Trans-Sexarbeitende Personen.
Die Klient*innen bekommen für die Chlamydien und GO Testung die Ergebnisse am folge Tag auf ihr Telefon zugeschickt.
Es wird beim Beratungsgespräch auch immer nach der Impfung für MPX (Affenpo-cken) gefragt. Falls nötig helfen die Berater*innen den Klient*innen auch Termine für eine Impfung zu bekommen.
In der Beratung wird auch über Schutzmöglichkeiten gesprochen. Das kenne ich ja von Berlin, auch bei uns im Zentrum füllen die Klient*innen vor der Beratung bezie-hungsweise des Tests freiwillig einen Fragebogen aus.
Manch ein Klient*in erhält die Prep für 4 Monate hier vor Ort. Als Voraussetzung dafür, müssen sie an einer Studie teilnehmen. Nicht alle nehmen an der Studie teil. Die Prep muss man hier in Italien selbst bezahlen und kostet ca. 60€.
Der ausgefüllte Fragebogen (online), auch über Sexualverhalten der Klient*innen, dient gleichzeitig auch für die Statistik, alle Angaben sind natürlich anonym und nicht auf einzelne Personen zurückzuführen.
Im Laufe der Woche darf ich bei einigen Skype Interview mit Prep Interessent*innen dabei sein. Ich führe eine eigne Beratung auf Englisch :-)
Was ich selbst an mir die ersten Tage beobachten kann, da ich ja die Sprache nicht so gut verstehe, bin ich mehr offen für die Umgebung, beobachte noch genauer die Körpersprache der Menschen.
Mitte der Woche gibt es einen reinen Testtag. Die Klient*innen können sich dafür online auf der Webseite einen Termin buchen. Es gibt im 15 Minuten Takt ca. 30 Termine. Mein Anleiter erklärt mir das dieses Angebot auch überwiegend von Frauen genutzt wird, von jungen Frauen, da es in Italien unter 18 Jahren nicht ohne das Einverständnis der Eltern geht einen HIV Test zu machen. Zum vergleich ab 16 Jahren kann ein Mädchen ohne das Einverständnis der Eltern einen Schwanger-schaftsabbruch machen.
Die Klient*innen warten im Wartebereich, dort liegen immer Flyer zur Prävention zur Sexuellen Gesundheit, Werbung für Selbsthilfegruppen, Safer Use u.ä. aus, es gibt auch gratis Kondome zum mitnehmen.
Gemeinsam mit einem Mitarbeiter wird vor dem Test ein Fragebogen zum Sexual-verhalten ausgefüllt.
Die Test laufen ähnlich wie bei der Prep Vergabe ab, nur dass hier nicht auf Chlamydien und die Gonorrhö getestet wird weil diese Tests zu teuer sind. Haben Personen jedoch eine Verdacht oder Symptome werden sie gleich in die nächst mögliche Klinik verweisen.
Ich lerne eine weitere Mitarbeiterin des Checkpoints kenne, sie studiert Sexualpsy-chologie im Master und absolviert hier ihre Praxisstunden.
In der Woche ist ein HIV Schnelltest positiv, der Person wird erklärt, das diese um-gehend in der Klinik einen weiteren Test machen muss. Erst mit diesem Test kann man eindeutig feststellen ob eine HIV Infektion vorliegt. Der Arzt macht unmittelbar einen Termin für die Person in der Klinik. Die ganze Situation ist für die Person vor-stellbar schwierig, zum Glück ist eine Psychologin in Rufbereitschaft, auf Wunsch wird diese verständigt und ist auch kurze zeit später im Checkpoint und nimmt sich der Person an.
Zum Ende der Woche nimmt mich ein Mitarbeiter des Checkpoints mit in eines der größten Krankenhäuser Mailands, das Ospedale Niguarda. Zum ersten mal kann ich mit der bekannten kleinen Straßenbahn aus den 20er fahren. Ich staune nicht schlecht als wir vor diesem beeindruckenden Gebäude aussteigen. Dieser Kran-kenhauskomplex ist riesig, es quasi ein ein Dorf. Wir sind mit einem Facharzt für Infektiologie und 3 Studierenden der Bocconi Universität verabredet. Es ist ein ers-tes Treffen, mehr ein Austausch an Interessen und Ideen, gemeinsam wollen sie an einer Studie über die MPX arbeiten.
Um meine italienisch Kenntnisse zu verbessern, habe ich am Dienstag mit einem Kurs angefangen.
Die erste Woche verging wie im Flug.
Arrivederci, Gabriel Hinterdobler