Drucksache - DS/1880/II  

 
 
Betreff: Namensgebung für das Anschütz-Gelände
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:B'90 Die GrünenVorsteher Herr Heck, Werner
  Baran, Riza
Drucksache-Art:AntragBeschluss
Beratungsfolge:
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Vorberatung
14.12.2005    Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg      
Kultur und Bildung Vorberatung
18.01.2006 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Kultur und Bildung      
17.05.2006 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Kultur und Bildung      
21.06.2006 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Kultur und Bildung      
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Vorberatung
28.06.2006 
Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg erledigt   

Sachverhalt
Beschlussvorschlag

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Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Das Bezirksamt wird beauftragt, bei der Namensgebung für das Anschütz-Gelände gemäß den Regeln des BVV-Beschlusses (Frauennamen) folgende Frauen mit einer Straßenbenennung auszuzeichnen:

 

Marianne von Rantzau          1811–1855

Lina Morgenstern                  1830–1909

Nelli Beese                            1886–1925

Valeska Gert                         1892–1978

Lotte Lenya                           1898–1981

Anita Berber                          1899–1928

Charlotte Salomon                1917–1943

Hildegard Knef                      1925–2002

Geselle Freund                     1909–2000

 

Begründung:

Als wichtigstes Kriterium zur Benennung der Straßen und Plätze des neuen Anschütz-Geländes sehen wir einen BERLINBEZUG.

Wir wollen hiermit Frauen ehren, die in Berlin lebten, arbeiteten, wirkten.

Die Verdienste der von uns vorgeschlagenen Frauen liegen überwiegend im künstlerischen und kulturellen Bereich. Berücksichtigung fanden aber auch Frauen, die soziale und sportliche Erfolge durchsetzten. Daher passen ihre Namen gut zur Nutzung des Anschütz-Geländes.

Wir präferiern eine ausnahmslose Neubenennung ausschließlich mit Frauennamen. Auch historische Namensgebungen sollen diesen Prozess der weiblichen Namensgebung nicht beeinträchtigen.

 

Bekanntermaßen ist es nur erlaubt, für Straßenbenennungen Persönlichkeiten auszuwählen, deren Todesdatum mindestens fünf Jahre zurückliegt. Bei Hildegard Knef möchten wir deshalb eine Ausnahme machen, weil sich ihr Todestag am 1. Februar 2006 zum vierten Mal jährt und es nur noch ein Jahr bis zum vollendeten fünften Jahr wäre. Angesichts der langwierigen Bauarbeiten auf dem Gelände bliebe noch genügend Zeit bis zur Inbetriebnahme der Straße oder des Platzes.

 

Gudrun Schneider und Tine Hauser-Jabs

Bündnis 90/Die Grünen, Berlin, den 05.12.05

Marianne von Rantzau (Erste Oberin des Diakonissenhauses Bethanien)            1811–1855

 

Marianne von Rantzau entstammte einem mecklenburgischen Grafengeschlecht. Mit 34 Jahren machte sie eine kurze Ausbildung zur Diakonisse (für adelige Damen damals selten). König Friedrich Wilhelm IV wurde sie sehr bald als Vorsteherin für Bethanien empfohlen. Dieser bezahlte ihr eine Studienreise durch Europa in Begleitung eines Geheimrats aus dem Kultusministerium. Ab 1847 organisierte und verwaltete sie Bethanien. Beigeordnet war ihr ein Anstaltsgeistlicher, Pastor Schulz, mit dem sie in ständigem Kleinkrieg um die Führungsposition kämpfen musste.

 

 

Lina Morgenstern („Berliner Suppenlina“)                1830–1909

 

Sie lernte als Heranwachsende bei einem Rabbiner und heiratete dann den Berliner Kaufmann Morgenstern, mit dem sie fünf Kinder hatte. 1866 gründete sie den „Verein Berliner Volksküchen“. Unter anderem gab es Küchen an der Ecke Naunynstraße/Oranienplatz, in der Oranienstraße 113 und in anderen Arbeitervierteln. 1869 „Kinderschutzverein“, Gründung einer Kinderpflegestätte am Fuße des Kreuzberges nach Fröbelschen Grundsätzen. Anlass war die hohe Säuglingssterblichkeit bei der armen Bevölkerung. Weitere Gründungen: Akademien und Schulen, „Deutsche Hausfrauenzeitung“ und „Allgemeiner Deutscher Hausfrauenverein“

 

 

Valeska Gert (Tänzerin, Kabarettistin und Schauspielerin) 1892–1978

 

Schon als Kind und Jugendliche hatte Valeska Gert Tanz- und Schauspielunterricht. Sie erneuerte den Tanz durch exzentrische Pantomime als Solotänzerin in Berlin und München. Ihr expressionistischer Tanzstil machte sie zum Skandal umwitterten Star. In bekannten Stummfilmen spielte sie Haupt- und Nebenrollen.

Als Jüdin musste sie 1933 emigrieren. Sie tanzte in europäischen Hauptstädten und ging dann nach New York. Dort hielt sie sich durch Spenden und Gelegenheitsarbeiten über Wasser, bis sie 1941 das Kabarett „Beggars Bar“ gründete. Nach Schikanen durch die amerikanischen Behörden kehrte sie 1947 nach Berlin zurück. Dort gründete sie das erfolgreiche Kabarett „Hexenküche“, das seiner Zeit weit voraus war und natürlich auch wieder Probleme mit den Behörden bekam. 1951eröfffnete sie in Sylt die später als Prominententreff bekannte Gaststätte „Ziegenstall“. Außerdem filmte sie u. a. mit Fellini, Fassbinder und Schlöndorff. 1970 erhielt sie das „Filmband in Gold“.

 

 

Anita Berber              1899–1928

 

Anita Berber war Tänzerin und Schauspielerin und kreierte einen neuen Tanzstil, den Ausdruckstanz. Nach ihrer Ausbildung mit 18 Jahren trat sie bereits in Varietés wie dem „Apollo“ und dem „Wintergarten“ auf. Schon vor dem Ende des ersten Weltkriegs war sie ein Star. Es folgten Auftritte im Ausland. Die Porzellanmanufaktur Rosenthal schuf zwei Tanzfiguren nach ihr. Sie führte ein turbulentes Leben, geprägt von mehreren Heiraten, lesbischen Beziehungen und Rauschmittelkonsum; dies fand in tänzerischer Gestaltung und vielen Filmen (z. B. mit Conradt Veit, Emil Jannings und Bassermann) seinen Ausdruck.

Sie hatte weiterhin Auftritte in Europa und Amerika. 1928 starb sie im Krankenhaus Bethanien an TBC.

Charlotte Salomon (Malerin)             1917–1943

 

In Berlin geboren, muss Charlotte Salomon 1933 wegen Feindseligkeiten ohne Abitur die Oberschule verlassen, wird aber an der Staatsschule für freie und angewandte Kunst immatrikuliert. Nachdem ihr dort ein 1. Preis verweigert wurde, weil sie Jüdin war, verlässt sie die Schule nach einem Jahr. 1939 emigriert sie nach Nizza zu ihren Großeltern. Nach zwischenzeitlicher Internierung heiratet sie 1943 und malt auch wieder. Es entstehen 1325 expressionistische Gouachen.

Im Spätsommer 1943 werden sie und ihr Ehemann nach Auschwitz deportiert, wo sie, im 5. Monat schwanger, bald ermordet wird.

 

 

Hildegard Knef          1925–2002

 

Mit 17 Jahren wurde Hildegard Knef 1943 zur Schauspielausbildung in Babelsberg angenommen. Dort wurde der Regisseur Wolfgang Liebenmeier auf sie aufmerksam und schon 1944 spielte sie in Filmen wie „Unter den Brücken“ und „Fahrt ins Glück“. Sie hatte eine Liebesbeziehung mit Ewald von Demandowsky, dem Reichsfilmdramaturg und Produktionschef der Filmfirma Tobis. Als dieser 1945 zum Volkssturm eingezogen wurde, ging sie mit ihm mit, aus Angst vor russischen Vergewaltigern als Soldat verkleidet. In Berlin überlebte sie mit viel Glück den „Endkampf“.

Schon 1945 spielte sie wieder Theater und Kabarett in den Ruinen des Schlossparktheaters (unter Boleslav Barlog). 1946 drehte sie den ersten deutschen Nachkriegsfilm mit Wolfgang Staudte: „Die Mörder sind unter uns“. Weitere Filme folgten. Für den „Film ohne Titel“ erhielt sie bei den Filmfestspielen in Locarno den Preis als beste weibliche Darstellerin.

1947 heiratete sie den US-Offizier Kurt Hirsch und zog zu ihm in die USA. In Hollywood drehte sie einige Filme mit David O. Selznik und wurde 1950 amerikanische Staatsbürgerin. Im selben Jahr drehte sie in Deutschland den Film „Die Sünderin“, der einen Skandal auslöste. Zurück in den USA wählten die Amerikaner „Hildegard Neff“ zum Star mit dem größten Sex-Appeal. Am Broadway feierte sie 1954–1956 Triumphe mit dem Musical „Silk Stockings“, doch wegen Streitigkeiten zwischen Century Fox und MGM um Filmrechte konnte sie in den USA keine weiteren Filme drehen.

Nach Europa zurückgekehrt, drehte sie Filme in Frankreich und England und baute ihre Karriere als Jazz- und Chansonsängerin aus. Seit 1962 nahm sie auch in Deutschland Schallplatten mit zum Teil selbst gedichteten Texten auf. 1970 veröffentlichte sie ihre Autobiografie „Der geschenkte Gaul“. Das Buch kam auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste und wurde in 17 Sprachen übersetzt. 1975 schrieb sie mit „Das Urteil“ ein auch in den USA sehr erfolgreiches Buch über ihre Brustkrebserkrankung.

Sie erhielt zahlreiche Ehrungen und Anerkennung für ihr Lebenswerk. Hildegard Knef starb an den Folgen eines Lungenemphysems, unter dem sie als Kettenraucherin schon lange gelitten hatte.

 

 

Lotte Lenya (Sängerin)         1898–1981

 

Lotte Lenya machte eine Ausbildung als Tänzerin und Sängerin. Mit 23 Jahren spielt sie in Berlin. 1926 heiratet sie Kurt Weil. Sie sang u. a. in Stücken (Mahagonny; Die Dreigroschenoper) von Brecht und Weil mit einem ganz besonderen Ausdruck und Timbre. Die Dreigroschenoper wurde auch von Pabst mit ihr verfilmt. 1933 emigrierte sie mit Brecht und Weil in die USA. Sie hatte nach 1954 dort große Erfolge und etwas später auch wieder in Deutschland.

 

 

Nelli Beese (erste deutsche Motorfliegerin) 1886–1925

 

Schon als junges Mädchen fing sie mit der Fliegerei an. Ihre Pilotenprüfung war schwierig, denn die ersten männlichen Motorflieger wollten keine Frauen unter bzw. neben sich dulden. In Berlin-Johannisthal betrieb sie von 1910–1915 eine Flugschule, konstruierte selbst Flugzeuge und errang schon 1911 zwei Weltrekorde für Damen. Da sie einen französischen Piloten geheiratet hatte, wurde sie von den deutschen Behörden im 1. Weltkrieg als „feindliche Ausländerin“ verfemt und enteignet. 1925 beging sie Selbstmord.

 

 

Giselle Freund (Fotografin)               1909–2000

 

Emigrierte am 30. Mai 1933 aus Berlin nach Paris. Im Gepäck hatte sie dokumentarisches Filmmaterial, welches sie 1933 bei den 1.-Mai-Demonstrationen aufgenommen hatte. In Paris entwickelte sie sich zu einer bekannten Fotografin. Ihre Doktorarbeit war die erste wissenschaftliche Arbeit, die zum Medium Fotografie geschrieben wurde. Sie war mit Walter Benjamin, Frieda Kahlo und deren Lebensgefährten Diego Riviera befreundet.

 

 

Die Bezirksverordnetenversammlung beschließt:

 

Der Antrag – DS/1880/II – wird in den Ausschuss für Kultur und Bildung überwiesen.

 

 

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Die Bezirksverordnetenversammlung beschließt:

 

Das Bezirksamt wird beauftragt, bei der Namensgebung für das Anschütz-Gelände gemäß den Regeln des BVV - Beschlusses (Frauennamen) folgende Frauen mit einer Straßenbenennung auszuzeichnen:

 

Straße 1    =  Marianne – von -  Rantzau – Straße

Straße 2 a =  Valeska -  Gert – Straße

Straße 2b  =  Wanda -  Kallenbach – Straße

Straße 3    =  Mildred - Harnack – Straße

Straße 4    =   Helen - Ernst – Straße

Straße 5    =  Hedwig - Wachenheim – Straße

Straße 6    =  Tamara - Danz – Straße

 

 

Platz der Arena: Hildegard – Knef – Platz (ab März 2007)

 

 

Des weiteren wird das Bezirksamt beauftragt den Empfehlungen der Gedenktafelkommission in diesem Gelände zu folgen, in dem es folgende Straßenbenennungen vornimmt:

 

Bahnareal:

 

Planstraße 1 =  An der Ostbahn

Planstraße 2 = Am Wriezener Bahnhof

 

Postareal:

E – Straße = Am Postbahnhof

 

 

 
 

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