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Drucksache - DS/1880/II
Die
Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen: Das Bezirksamt wird beauftragt, bei der Namensgebung für das
Anschütz-Gelände gemäß den Regeln des BVV-Beschlusses (Frauennamen) folgende
Frauen mit einer Straßenbenennung auszuzeichnen: Marianne von Rantzau 1811–1855 Lina Morgenstern 1830–1909 Nelli Beese 1886–1925 Valeska Gert 1892–1978 Lotte Lenya 1898–1981 Anita Berber 1899–1928 Charlotte Salomon 1917–1943 Hildegard Knef 1925–2002 Geselle Freund 1909–2000 Begründung: Als wichtigstes Kriterium zur Benennung der Straßen und
Plätze des neuen Anschütz-Geländes sehen wir einen BERLINBEZUG. Wir wollen hiermit Frauen ehren, die in Berlin lebten,
arbeiteten, wirkten. Die Verdienste der von uns vorgeschlagenen Frauen liegen
überwiegend im künstlerischen und kulturellen Bereich. Berücksichtigung fanden
aber auch Frauen, die soziale und sportliche Erfolge durchsetzten. Daher passen
ihre Namen gut zur Nutzung des Anschütz-Geländes. Wir präferiern eine ausnahmslose Neubenennung ausschließlich
mit Frauennamen. Auch historische Namensgebungen sollen diesen Prozess der
weiblichen Namensgebung nicht beeinträchtigen. Bekanntermaßen ist es nur erlaubt, für Straßenbenennungen
Persönlichkeiten auszuwählen, deren Todesdatum mindestens fünf Jahre
zurückliegt. Bei Hildegard Knef möchten wir deshalb eine Ausnahme machen, weil
sich ihr Todestag am 1. Februar 2006 zum vierten Mal jährt und es nur noch ein
Jahr bis zum vollendeten fünften Jahr wäre. Angesichts der langwierigen
Bauarbeiten auf dem Gelände bliebe noch genügend Zeit bis zur Inbetriebnahme
der Straße oder des Platzes. Gudrun Schneider und Tine Hauser-Jabs Bündnis 90/Die Grünen, Berlin, den 05.12.05 Marianne
von Rantzau (Erste Oberin des Diakonissenhauses Bethanien) 1811–1855
Marianne von Rantzau entstammte einem mecklenburgischen
Grafengeschlecht. Mit 34 Jahren machte sie eine kurze Ausbildung zur
Diakonisse (für adelige Damen damals selten). König Friedrich Wilhelm IV wurde
sie sehr bald als Vorsteherin für Bethanien empfohlen. Dieser bezahlte ihr eine
Studienreise durch Europa in Begleitung eines Geheimrats aus dem
Kultusministerium. Ab 1847 organisierte und verwaltete sie Bethanien.
Beigeordnet war ihr ein Anstaltsgeistlicher, Pastor Schulz, mit dem sie in
ständigem Kleinkrieg um die Führungsposition kämpfen musste. Lina Morgenstern („Berliner Suppenlina“) 1830–1909 Sie lernte als Heranwachsende bei einem Rabbiner und
heiratete dann den Berliner Kaufmann Morgenstern, mit dem sie fünf Kinder
hatte. 1866 gründete sie den „Verein Berliner Volksküchen“. Unter
anderem gab es Küchen an der Ecke Naunynstraße/Oranienplatz, in der
Oranienstraße 113 und in anderen Arbeitervierteln. 1869
„Kinderschutzverein“, Gründung einer Kinderpflegestätte am Fuße des
Kreuzberges nach Fröbelschen Grundsätzen. Anlass war die hohe Säuglingssterblichkeit
bei der armen Bevölkerung. Weitere Gründungen: Akademien und Schulen,
„Deutsche Hausfrauenzeitung“ und „Allgemeiner Deutscher
Hausfrauenverein“ Valeska
Gert (Tänzerin, Kabarettistin und Schauspielerin) 1892–1978
Schon als Kind und Jugendliche hatte Valeska Gert Tanz- und
Schauspielunterricht. Sie erneuerte den Tanz durch exzentrische Pantomime als
Solotänzerin in Berlin und München. Ihr expressionistischer Tanzstil machte sie
zum Skandal umwitterten Star. In bekannten Stummfilmen spielte sie Haupt- und
Nebenrollen. Als Jüdin musste sie 1933 emigrieren. Sie tanzte in
europäischen Hauptstädten und ging dann nach New York. Dort hielt sie sich
durch Spenden und Gelegenheitsarbeiten über Wasser, bis sie 1941 das Kabarett
„Beggars Bar“ gründete. Nach Schikanen durch die amerikanischen
Behörden kehrte sie 1947 nach Berlin zurück. Dort gründete sie das erfolgreiche
Kabarett „Hexenküche“, das seiner Zeit weit voraus war und
natürlich auch wieder Probleme mit den Behörden bekam. 1951eröfffnete sie in
Sylt die später als Prominententreff bekannte Gaststätte
„Ziegenstall“. Außerdem filmte sie u. a. mit Fellini, Fassbinder
und Schlöndorff. 1970 erhielt sie das „Filmband in Gold“. Anita Berber 1899–1928 Anita Berber war Tänzerin und Schauspielerin und kreierte
einen neuen Tanzstil, den Ausdruckstanz. Nach ihrer Ausbildung mit 18 Jahren
trat sie bereits in Varietés wie dem „Apollo“ und dem
„Wintergarten“ auf. Schon vor dem Ende des ersten Weltkriegs war
sie ein Star. Es folgten Auftritte im Ausland. Die Porzellanmanufaktur
Rosenthal schuf zwei Tanzfiguren nach ihr. Sie führte ein turbulentes Leben,
geprägt von mehreren Heiraten, lesbischen Beziehungen und Rauschmittelkonsum;
dies fand in tänzerischer Gestaltung und vielen Filmen (z. B. mit Conradt Veit,
Emil Jannings und Bassermann) seinen Ausdruck. Sie hatte weiterhin Auftritte in Europa und Amerika. 1928
starb sie im Krankenhaus Bethanien an TBC. Charlotte Salomon (Malerin) 1917–1943 In Berlin geboren, muss Charlotte Salomon 1933 wegen
Feindseligkeiten ohne Abitur die Oberschule verlassen, wird aber an der
Staatsschule für freie und angewandte Kunst immatrikuliert. Nachdem ihr dort
ein 1. Preis verweigert wurde, weil sie Jüdin war, verlässt sie die Schule nach
einem Jahr. 1939 emigriert sie nach Nizza zu ihren Großeltern. Nach
zwischenzeitlicher Internierung heiratet sie 1943 und malt auch wieder. Es
entstehen 1325 expressionistische Gouachen. Im Spätsommer 1943 werden sie und ihr Ehemann nach Auschwitz
deportiert, wo sie, im 5. Monat schwanger, bald ermordet wird.
Hildegard
Knef 1925–2002
Mit 17 Jahren wurde Hildegard Knef 1943
zur Schauspielausbildung in Babelsberg angenommen. Dort wurde der Regisseur
Wolfgang Liebenmeier auf sie aufmerksam und schon 1944 spielte sie in Filmen
wie „Unter den Brücken“ und „Fahrt ins Glück“. Sie
hatte eine Liebesbeziehung mit Ewald von Demandowsky, dem Reichsfilmdramaturg
und Produktionschef der Filmfirma Tobis. Als dieser 1945 zum Volkssturm
eingezogen wurde, ging sie mit ihm mit, aus Angst vor russischen Vergewaltigern
als Soldat verkleidet. In Berlin überlebte sie mit viel Glück den
„Endkampf“. Schon 1945 spielte sie wieder Theater und
Kabarett in den Ruinen des Schlossparktheaters (unter Boleslav Barlog). 1946
drehte sie den ersten deutschen Nachkriegsfilm mit Wolfgang Staudte: „Die
Mörder sind unter uns“. Weitere Filme folgten. Für den „Film ohne
Titel“ erhielt sie bei den Filmfestspielen in Locarno den Preis als beste
weibliche Darstellerin. 1947 heiratete sie den US-Offizier Kurt
Hirsch und zog zu ihm in die USA. In Hollywood drehte sie einige Filme mit
David O. Selznik und wurde 1950 amerikanische Staatsbürgerin. Im selben Jahr
drehte sie in Deutschland den Film „Die Sünderin“, der einen
Skandal auslöste. Zurück in den USA wählten die Amerikaner „Hildegard
Neff“ zum Star mit dem größten Sex-Appeal. Am Broadway feierte sie
1954–1956 Triumphe mit dem Musical „Silk Stockings“, doch
wegen Streitigkeiten zwischen Century Fox und MGM um Filmrechte konnte sie in
den USA keine weiteren Filme drehen. Nach Europa zurückgekehrt, drehte sie
Filme in Frankreich und England und baute ihre Karriere als Jazz- und
Chansonsängerin aus. Seit 1962 nahm sie auch in Deutschland Schallplatten mit
zum Teil selbst gedichteten Texten auf. 1970 veröffentlichte sie ihre
Autobiografie „Der geschenkte Gaul“. Das Buch kam auf Platz 1 der
Spiegel-Bestsellerliste und wurde in 17 Sprachen übersetzt. 1975 schrieb sie
mit „Das Urteil“ ein auch in den USA sehr erfolgreiches Buch über
ihre Brustkrebserkrankung. Sie erhielt zahlreiche Ehrungen und
Anerkennung für ihr Lebenswerk. Hildegard Knef starb an den Folgen eines
Lungenemphysems, unter dem sie als Kettenraucherin schon lange gelitten hatte. Lotte
Lenya (Sängerin) 1898–1981
Lotte Lenya machte eine Ausbildung als Tänzerin und
Sängerin. Mit 23 Jahren spielt sie in Berlin. 1926 heiratet sie Kurt Weil. Sie
sang u. a. in Stücken (Mahagonny; Die Dreigroschenoper) von Brecht und Weil mit
einem ganz besonderen Ausdruck und Timbre. Die Dreigroschenoper wurde auch von
Pabst mit ihr verfilmt. 1933 emigrierte sie mit Brecht und Weil in die USA. Sie
hatte nach 1954 dort große Erfolge und etwas später auch wieder in Deutschland.
Nelli Beese (erste deutsche Motorfliegerin) 1886–1925 Schon als junges Mädchen fing sie mit der Fliegerei an. Ihre
Pilotenprüfung war schwierig, denn die ersten männlichen Motorflieger wollten
keine Frauen unter bzw. neben sich dulden. In Berlin-Johannisthal betrieb sie
von 1910–1915 eine Flugschule, konstruierte selbst Flugzeuge und errang
schon 1911 zwei Weltrekorde für Damen. Da sie einen französischen Piloten
geheiratet hatte, wurde sie von den deutschen Behörden im 1. Weltkrieg als „feindliche
Ausländerin“ verfemt und enteignet. 1925 beging sie Selbstmord. Giselle Freund (Fotografin) 1909–2000 Emigrierte am 30. Mai 1933 aus Berlin nach Paris. Im Gepäck
hatte sie dokumentarisches Filmmaterial, welches sie 1933 bei den
1.-Mai-Demonstrationen aufgenommen hatte. In Paris entwickelte sie sich zu
einer bekannten Fotografin. Ihre Doktorarbeit war die erste wissenschaftliche
Arbeit, die zum Medium Fotografie geschrieben wurde. Sie war mit Walter
Benjamin, Frieda Kahlo und deren Lebensgefährten Diego Riviera befreundet. Die
Bezirksverordnetenversammlung beschließt: Der
Antrag – DS/1880/II – wird in den Ausschuss für Kultur und Bildung
überwiesen. Die
Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen: Die
Bezirksverordnetenversammlung beschließt: Das Bezirksamt wird beauftragt, bei der Namensgebung für das
Anschütz-Gelände gemäß den Regeln des BVV - Beschlusses (Frauennamen) folgende
Frauen mit einer Straßenbenennung auszuzeichnen: Straße 1 =
Marianne – von - Rantzau
– Straße Straße 2 a = Valeska -
Gert – Straße Straße 2b = Wanda -
Kallenbach – Straße Straße 3 = Mildred - Harnack – Straße Straße 4 = Helen - Ernst – Straße Straße 5 = Hedwig - Wachenheim – Straße Straße 6 =
Tamara - Danz – Straße Platz der Arena: Hildegard – Knef – Platz (ab
März 2007) Des weiteren wird das Bezirksamt beauftragt den Empfehlungen
der Gedenktafelkommission in diesem Gelände zu folgen, in dem es folgende
Straßenbenennungen vornimmt: Bahnareal: Planstraße 1 = An der
Ostbahn Planstraße 2 = Am Wriezener Bahnhof Postareal: E – Straße = Am
Postbahnhof |
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