Drucksache - DS/0796/VI  

 
 
Betreff: Die Uhr tickt - Sofort Maßnahmen gegen den Verlust von Kultur- und Atelierräumen in Friedrichshain-Kreuzberg einleiten!
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:B'90 Die GrünenSitzungsleitung
Verfasser:1. Haberer, Maria
2. Heck, Werner
Heise, Magnus
Drucksache-Art:ResolutionResolution
   Beteiligt:DIE LINKE
Beratungsfolge:
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Vorberatung
28.06.2023 
Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg (BVV) ohne Änderungen in der BVV beschlossen   

Beschlussvorschlag

ALLRIS net Ratsinformation

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Die Bezirksverordnetenversammlung beschließt:

 

Wieder ist ein wichtiger Ort für die künstlerische Vielfalt und das kulturelle Leben unseres Bezirks durch die Renditeinteressen eines Immobilienunternehmens in seiner Existenz bedroht: Der Atelierstandort in der Adalbertstraße 9, wo seit mehr als 20 Jahren ein Künstler*innennetzwerk von rund 40 Künstler*innen in 30 Arbeits- und Produktionsräumen gewachsen ist und das mit seinen zahlreichen Synergien auch positiv in den Kiez hineinwirkt.

Mit ihrer Ausstellung „Speculative Properties“, die am Wochenende vom 16.-18. Juni in den Räumen mehrerer Gemeinschaftsateliers, wollten die Künstler*innen aus der Adalbertstraße 9 nicht nur gegen Verdrängung aus dem Gebäude protestieren, sondern darüber hinaus darauf aufmerksam machen, dass sie kein Einzelfall sind, sondern eher die Regel: immer mehr über die Jahre gewachsene Atelierstandorte in Friedrichshain-Kreuzberg drohen verloren zu gehen.

Denn wie den Künstler*innen in der Adalbertstraße 9 erging und ergeht es vielen Künstler*innen in unserem Bezirk und Berlin: die Häuser und Gewerbehöfe, in denen sie teilweise über viele Jahre oder Jahrzehnte gearbeitet und künstlerisch tätig sein konnten, werden von Immobilienunternehmen aufgekauft, die Mietverträge - die unter das dringend reformbedürftige Gewerbemietrecht fallen-, gekündigt oder auf ein Niveau angehoben, dass für Künstler*innen nicht mehr zu stemmen ist. Im Falle der Adalbertstraße 9 kaufte die Wohninvest Zeta 2021 das Haus einem Privateigentümer ab und veräußerte es dann an die Immobiliengesellschaft Coros Management. Bis Oktober 2023 werden alle Mieter*innen ihre Arbeitsräume verloren haben, die dann leer stehen und auf die Umgestaltung durch die neuen Eigentümer*innen warten werden.

 Damit verliert Friedrichshain-Kreuzberg erneut einen wichtigen Atelierstandort. Und nicht nur den 40 Künstler*innen und Kulturschaffenden wird die Arbeitsgrundlage und im schlimmsten Falle die künstlerische Existenz genommen. Die rücksichtslose Profitmaximierung privater Investor*innen gefährdet die Diversität und Vielfalt unseres Bezirks zunehmend. Denn die Stärke von Friedrichshain-Kreuzberg ist gerade an eben diesen künstlerischen und sozialen Innovationsorten zu finden. Unser Bezirk droht kulturell zu verarmen.

 Wir appellieren deshalb an die neuen Eigentümer*innen, die Kündigungen der Künstler*innen und Kulturschaffenden der Adalbertstraße 9 zurückzunehmen und sie durch langfristige Mietverträge räumlich abzusichern. Denn letztlich sind es nicht zuletzt die Künstler*innen und Kulturschaffenden, die Friedrichshain-Kreuzberg so attraktiv machen und ohne die letztlich die Voraussetzungen für die angestrebte scheinbar profitablere Vermarktung der erworbenen Flächen entfallen werden.

 Doch über diesen aktuellen Fall hinaus:  Die Raumsituation für Künstler*innen und Kulturschaffende spitzt sich in unserem Bezirk und Berlin zunehmend zu: Laut einer aktuellen Studie des Atelierbeauftragten für Berlin geben 63% der befragten Künstler*innen in Berlin an, derzeit kein Atelier zu haben, es gerade verloren zu haben oder es in absehbarer Zeit zu verlieren. Die Hälfte aller Befragten gab zudem an, nach Verlust des Arbeitsraumes den Beruf als Künstler*in nicht mehr ausüben zu können.

 Laut dieser Studie leben 24,7% der Künstler*innen Berlins im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Unser Bezirk ist also im Besonderen von dieser Verdrängungswelle betroffen. Das macht sich deutlich bemerkbar. Anfang dieses Jahres wurden die Mieter*innen des Gewerbestandort am Paul-Lincke-Ufer 44a verdrängt (siehe DS/0587/VI). Betroffene Akteur*innen, wie zum Beispiel das berlinweit bekannte Tanzkollektiv laborgras sind seitdem vergeblich auf der Suche nach Alternativräumen. Auch mit der Kündigung des Kreuzberger Kunstvereins nGbk aus den Räumlichkeiten in der Oranienstraße wird ein wichtiger Knotenpunkt für kulturelles Wirken in unserem Bezirk verloren gehen.

 

Diesem rasanten Verlust von bezahlbaren Räumen der Kunst- und Kulturproduktion und kulturellen Schaffungsorten muss zügig durch entsprechende Maßnahmen entgegengewirkt werden.

 Die Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg fordert deshalb auch das Bezirksamt und den Senat von Berlin auf, im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegen das zunehmende Ateliersterben vorzugehen, durch Schaffung neuer Räume in landeseigenem Besitz oder in anstehenden B-Plan-Verfahren.

 Insbesondere aber wenden wir uns auch an die Abgeordneten im Deutschen Bundestag und die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, endlich das Gewerbemietrecht dahingehend zu reformieren, auf dass uns als Kommunen endlich ermöglicht wird, wirkungsvolle Maßnahmen gegen die profitgetriebene Verdrängung von kultureller und sozialer Infrastruktur ergreifen zu können. Die Zeit drängt!

 

 

 

 

 

 

 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
Stadtbezirk Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Kommunalpolitiker Auszug Realisierung
   Anwesenheit Kleine Anfragen

Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin

Postanschrift

Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
Postfach 35 07 01
10216 Berlin

Barrierefreiheit

Rollstuhlgerecht Behindertenparkplatz Fahrstuhl WC nach DIN 18024

Barrierefreiheit Erläuterung der Symbole

Mehr Hinweise zur Barrierefreiheit bekommen Sie über folgende Datenbanken: