Drucksache - DS/0318/III  

 
 
Betreff: Gegen ein Einbürgerungs- und Zuwanderungsrecht, das mehr Abschottung und weniger
Integration schafft!
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Integration und MigrationVorsteherin
  Burkert-Eulitz, Marianne
Drucksache-Art:ResolutionResolution
Beratungsfolge:
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Vorberatung
10.07.2007 
Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg      

Beschlussvorschlag
Anlagen:
1. Version vom 11.07.2007 PDF-Dokument

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Die BVV von Friedrichshain-Kreuzberg vertritt die Auffassung, dass zahlreiche ExpertInnen (von Kirchen, Wohlfahrtsorganisationen, Verbänden, Rechtsanwaltsvereinigungen, dem UNHCR usw.) bei den Anhörungen zur Novellierung des Einbürgerungs- und Zuwanderungsgesetzes die dringende Notwendigkeit umfangreicher Änderungen am Gesetzesentwurf verdeutlicht haben.

 

Die BVV Friedrichshain-Kreuzberg bemängelt, dass die Argumente dieser Sachverständigen im neuen Gesetz nur unzureichend berücksichtigt wurden.

 

Positiv bewertet die BVV die bundeseinheitlichen gesetzlichen Bestimmungen zum Bleiberecht für einen Teil der Menschen, die seit Jahren mit einem Duldungsstatus in Deutschland leben (vgl. §§ 104a und 104b AufenthG). Kritisch zu bewerten ist dagegen, dass das Gesetz keine effektive Regelung für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge wie z.B. Kranke oder traumatisierte Flüchtlinge, Alte oder Erwerbsunfähige enthält. Diesen Menschen muss eine dauerhafte Lebensperspektive in Deutschland geboten werden.

 

Das Gesetz ist Ausdruck und Instrument einer verstärkten Abwehrpolitik, die eine Vielzahl von langjährig Geduldeten vom Bleiberecht ausschließt.

 

Des weiteren lehnen wir unter anderem folgende Änderungen nachdrücklich ab:

 

-          Die Rücknahme der Einbürgerungserleichterungen für junge Erwachsene. (§ 10 Abs. 1 S.3 StAG) Bisher können unter 23-Jährige sich einbürgern lassen, ohne nachweisen zu müssen, dass sie ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern können. Diese Einbürgerungserleichterungen für junge Erwachsene werden ersatzlos gestrichen. Angesichts der bereits länger bestehenden Probleme auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt für Jugendliche / junge Erwachsene mit oder ohne deutschen Pass geht diese Regelung an den Realitäten in Deutschland vorbei.

 

Auch aus den EU-Richtlinien, die mit dem Gesetz umgesetzt werden sollen, ergibt sich keinerlei Notwendigkeit zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts in dieser Form.

 

-          Die jugendpolitisch verfehlten Ausweisungsbestimmungen, “….wenn der Heranwachsende wegen serienmäßiger Begehung nicht unerheblicher vorsätzlicher Straftaten, wegen mehrerer Straftaten oder wegen einer besonderen Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist.” (§ 56 Abs. 2 AufenthG) Die über das Strafrecht hinaus gehende konstante Drohung mit Ausweisung an alle in Deutschland lebenden Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft ist u. E. nach diskriminierend und fördert den Integrationswillen nicht. Schließlich sind viele der hier geborenen oder aufgewachsenen Jugendlichen mit dem Herkunftsland ihrer Eltern kaum oder gar nicht vertraut.

 

-          Eingriffsmöglichkeiten in die körperliche Unversehrtheit, wonach “….das Aufnehmen von Lichtbildern, das Abnehmen von Fingerabdrücken sowie Messungen und ähnliche Maßnahmen, einschließlich körperlicher Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zum Zweck der Feststellung des Alters vorgenommen werden, wenn kein Nachteil für die Gesundheit des Ausländers zu befürchten ist. Die Maßnahmen sind zulässig bei Ausländern, die das 14. Lebensjahr vollendet haben; Zweifel an der Vollendung des 14. Lebensjahres gehen dabei zu Lasten des Ausländers.” ( § 49 Abs. 6 AufenthG)

 

Wir begrüßen den Beschluss der Ärztinnen und Ärzte, die auf dem 110. Deutschen Ärztetag 2007 mit Entschiedenheit jegliche Beteiligung an der Feststellung des Alters von AusländerInnen abgelehnt haben. Die Feststellung des Alters von Ausländerinnen sei mit dem Berufsrecht nicht vereinbar, da es sich weder um eine Maßnahme zur Verhinderung noch um die Therapie einer Erkrankung handelt. Weiterhin sei die Altersfeststellung durch Röntgen der Handwurzelknochen von Jugendlichen wissenschaftlich höchst umstritten und biete daher keine zweifelfreie Rechtssicherheit.

 

-          Die Restriktionen beim Familiennachzug: “Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

(a) beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben

(b) der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann …..” ( § 30 Abs. 1 AufenthG)

 

Die umzusetzende EU- Richtlinie fordert lediglich, dass Zuwandernde Sprach-kenntnisse erwerben sollen; keine Aussage wird jedoch darüber gemacht, ob vor oder nach der Einreise. Das Gesetz baut neue, schwer zu überwindende Hürden für eine Familienzusammenführung in Deutschland auf. Denn nun sollen EhepartnerInnen bereits vor ihrer Einreise die deutsche Sprache erlernen, was besonders im ländlichen Raum vieler Herkunftsländer nicht realisierbar ist. Daher werden diese Regelungen zu einer sozialen Selektion führen, die nicht zu rechtfertigen ist.

 

Obwohl die Regelungen auch mit der Abwehr von Zwangsverheiratungen begründet werden, können sie als solche keine einzige Zwangsheirat verhindern. Wer tatsächlich Zwangsehen verhindern will, muss im Gesetz die Aufenthaltsrechte zwangsverheirateter Frauen stärken.

 

-          Verdachtsmomente gegen bi-nationale Ehen: “…wenn die Ehe nicht ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wurde, dem nachziehende Ehegatten die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.” ( § 27 Abs. 1a AufenthG) In unserer Einwanderungsgesellschaft ist es völlig normal, dass zwischen Menschen ohne und mit deutschem Pass Beziehungen gelebt, Ehen geschlossen und Familien gegründet werden. Die neue Rechtslage verstärkt die Tendenz, einen Teil der bi-nationalen Ehen unter den Generalverdacht der “Scheinehe” zu stellen.

 

-          Den gestuften Sanktionskatalog, den AusländerInnen erfahren, die ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Teilnahme an Integrationskursen verletzen: Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis ( §8 Abs. 3 AufenthG), Verwaltungszwang ( § 44 a Abs. 3 AufenthG) und Bußgeld ( § 98 AufenthG).

 

Bekanntermaßen haben sich Zwang und Druck nicht als geeignete Mittel zur Förderung des Lernens erwiesen. Daher sollte die Motivierung von TeilnehmerInnen an Integrationskursen durch die Schaffung positiver Anreize erfolgen. Einen sachgerechten und angemesseneren Weg dahin weist die dringend notwendige Qualitätsverbesserung der Integrationskurse (kunden-, bildungs- und berufsorientierte Angebote) oder die frühere Erteilung der Niederlassungserlaubnis bzw. Einbürgerung.

 

 

Das neue Einbürgerungs- und Zuwanderungsgesetz schafft Regelungen, die zum Teil hinter das geltende Recht zurückfallen und verfassungsrechtlich bedenklich sind. Offensichtlich werden Menschen zum Teil nach ihrer Nützlichkeit bzw. fehlenden Nützlichkeit klassifiziert. Das Gesetz ist daher nicht geeignet, das Projekt einer gelingenden Integrationspolitik als gemeinsame gesellschaftspolitische Herausforderung sowohl für die sog. "Mehrheitsgesellschaft" wie auch für die verschiedenen Generationen der Zugewanderten zu befördern. Stattdessen führt es zu mehr Abschottung und zu weniger Integration.

 

 

 

 

 

 

 

 
 

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