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Auszug - Strategien gegen Rechtsextremismus in Berlin, speziell in unserem Bezirk Gast: Frau Dr. Lehnert, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus
Frau Dr.
Lehnert berichtet sehr informativ über neuere Entwicklungen in der rechten
Szene sowie best practice-Modelle für die zivilgesellschaftliche Arbeit gegen
Rechtsextremismus. Im Ausschuss werden zahlreiche Nachfragen gestellt, die
in die folgenden Notizen eingearbeitet sind. Die mbr
wird durch das Landesprogramm des Integrationsbeauftragten des
Berliner Senats sowie das Bundesprogramm "kompetent. für Demokratie -
Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus" gefördert. Die Arbeit ist
nachfrageorientiert: Schulen, Bezirksämter, Projekte und engagierte Gruppen
treten an die mbr heran und erhalten eine kompetente Beratung auf der Grundlage
aktueller und ortspezifischer Erkenntnisse. Für unseren
Bezirk bedeutet dies, den Unterschied zwischen einem
deutschen Rechtsextremismus, der in Friedrichshain zu
beobachten ist, und spezifischen - teils sehr unterschiedlichen -
Formen der Ungleichheitsideologie, die in Kreuzberg existieren,
wahrzunehmen. Was rechtfertigt es, trotz dieser Unterschiede, hier
dennoch von Rechtsextremismus zu sprechen? Die mbr definiert
Rechtsextremismus als eine Einstellung oder Verhaltensweise, bei der - von der
Ungleichheit und Ungleichwertigkeit der Menschen ausgegangen, - ein
ethnisch homogenes Volk konstruiert und - die
Gemeinschaft vor das Individuum gestellt wird. Dabei wird
Gewalt akzeptiert oder selbst angewandt. Die
einzelnen Aspekte rechter Einstellungen (von völkischem Nationalismus über
Demokratiefeindlichkeit bis Rassismus und Sozialdarwinismus) treten in sehr
unterschiedlichen Erscheinungsformen zu Tage: - Protest
und Provokation - Wahlverhalten -
Vergesellungsformen (Parteien, Kameradschaften, Vereine, Geschäfte...) -
Propaganda (Flugblätter, Internet, Aufkleber, Publikationen...) -
kulturelle Aspekte (Lifestyle, Kleidung, Symbole, Musik...) - Gewalt,
Terror. Grob lässt
sich zwischen einem parteiförmigen und einem aktionsorientierten
Rechtsextremismus unterscheiden, wobei im Gegensatz zu DVU und Reps die NPD
beide Formen verbindet. Rechte Subkulturen, Kameradschaften,
Rocker und Hooligans kooperieren mit der NPD, ebenso das rechte Musiknetzwerk.
Die Verbindung zwischen Kameradschaften, NPD und Netzwerk Musik stellt heute
das Zentrum rechtsextremer Strukturen dar. In Berlin
ist die NPD relativ schwach, dennoch ist sie hier die wichtigste Partei der
extremen Rechten. Ihre Kooperation mit Kameradschaften lässt sie als
"kämpferische" Kraft erscheinen, im Gegensatz zu früheren
Rechtsextremen wie den "bürgerlicheren" REPs (die 1989 bei
den Berliner AH-Wahlen 7,5 % bekamen). Vergleicht
man die Zustimmung zu rechtsextremen Einstellungen in Deutschland und Berlin im
Jahre 2008, so zeigt sich in Berlin eine durchaus niedrigere Verbreitung
(Gesamtzustimmung zu den einzelnen Einstellungen in Dt.: 10%, Berlin: 7%).
Nationaler Chauvinismus (Dt.: 37%, Berlin: 24%) und Sozialdarwinismus (Dt.:
23%, Berlin: 19%) sind dabei die beiden dominanten ideologischen Merkmale.
Während der Antisemitismus in Berlin geringer ausgeprägt ist (Dt.: 17%, Berlin:
10%), der Rassismus nur unwesentlich geringer (Dt.: 20%, Berlin: 16%), sind die
Werte bei der Befürwortung einer Diktatur (Dt.: 14%, Berlin: 12%) und der
Verharmlosung des Nationalsozialismus (17% und 15%) sehr ähnlich. Hierbei ist
zu bedenken, dass es sich um Zahlen aus Befragungen (von Stöss/Niedermayer)
handelt, also um Selbstauskünfte der Interviewten. In der
Berliner Statistik rechtsextremer Gewalt liegt der Ortsteil Friedrichshain mit
30 Angriffen im Jahr 2008 an einsamer Spitze (anschl. Lichtenberg 15, Pankow
13, Marzahn 12, Treptow 9, am Ende: Steglitz 1, Wilmersdorf 0). Diese Gewalt
ist eindeutig männlich geprägt, Frauen sind an diesen Angriffen mit max.
10% beteiligt. In den
Parteien der Rechten arbeiten etwa 20% Funktionärinnen, in
Kameradschaften und Cliquen liegt der Frauenanteil zwischen 10
- 33%, rechte Wähler sind zu etwa 33% weiblich, bei den Einstellungen
gibt es keine signifikante Geschlechterdifferenz. Daraus läßt sich ablesen,
dass Frauen in der rechtsextremen Szene zwar eine untergeordnete Rolle spielen,
es aber mit dem "Ring Nationaler Frauen" (RNF) inzwischen
deutliche Anstrengungen gibt, Frauen stärker anzusprechen. Dazu gehören
etwa Demos mit Sicherheitsthemen, die Inszenierung des
"deutschen Paars" Jörg und Stella Hähnel in der NPD, die
Öffnung des RNF auch für Nichtmitglieder rechter Parteien. Eine rechtsextremer
"Feminismus" will Ansprüche von Frauen in der Szene durchsetzen, wird
aber regelmäßig von der Männerdominanz abgewertet. Ziel ist eine neue
Zusammensetzung der Rechten durch mehr
aktive Frauen, die aber im Rahmen fester Rollenverteilungen, in denen das
rechte Gesellschaftsmodell bereits sichtbar wird, aktiv werden sollen. In den
rechtsextremen Jugendkulturen wird seit langem eine Pluralisierung/Mischung der
Stile und der alltagsästhetischen Zeichen beobachtet: Kapuzenpullis, Palituch,
Schrifttypen aus der HipHop-Kultur, modische Variationen von chiffrierten
Zeichen ("18" als Pop-Button) u.v.m. (siehe Broschüren zu Thor
Steinar und "Versteckspiel", hg. vom antifaschistischen Pressearchiv
apabiz). Rechte Modeläden wie Tromsö haben hier eine Türöffnerrolle: Der rechte
Lifestyle soll bis in den gesellschaftlichen mainstream hinein verbreitet
werden, die Zugangsschwellen zu rechtsextremen Erlebniswelten und Accessoires
gesenkt. Die Läden sollen als "normaler Bestandteil" der Straße
durchgesetzt werden. Dazu dient auch die Strategie verschwimmender Grenzen: Das
Sortiment enthält sowohl völlig unverfängliche Produkte wie eindeutig
rechtsextreme Bedeutungsträger. Ziel solcher Läden ist die kulturelle
"Normalisierung" rechter Stile voranzutreiben, der Gewöhnungseffekt.
Zudem erhöht sich der rechtsextreme Publikumsverkehr, was die potenzieller
Opfer von Angriffen bedroht und einschüchtert und damit die
Bewegungsfreiheit einschränkt. Auch der black block style ist in der rechten
Szene aufgegriffen worden und ermöglichst es, sich unerkannt unter Demos zu
mischen. Auf
Websites der Rechten finden sich gezielte Infos zu "Linken
Läden" bzw. antifaschistischen Projekten, mit Angaben von Adressen
und Einzelbeschreibungen der Aktivitäten. Solche Websites dienen der
Einschüchterung und der Strategieplanung der sog. Anti-Antifa. Deutlich ist
auch, dass verstärkt soziale Themen (Hartz IV) aufgegriffen werden, wie etwa in
der NPD-Kampagne "Sozial geht nur national, Deutsche Arbeit zuerst für
Deutsche" und in der Profilierung eines rechten Antikapitalismus von
Seiten des Kameradschaftsspektrums ("Nationalen Sozialismus
durchsetzen"). Die
mbr-Beratung zielt auf folgende Handlungsstrategien: -
Intervention: durch klare Grenzziehungen, Regelwerke durchsetzen,
Ausschluss Rechtsextremer. Beispiele: "Servicewüste für Nazis" (hier
liegen noch keine Auswertungen vor) oder Bühnenprogramm gegen Rechts auf der
Biermeile. -
Prävention: langfristig angelegte Förderung demokratischer Kultur und
Kompetenz. Besonders
wichtig ist das Zusammenwirken von Zivilgesellschaft und Politik/Verwaltung: - Durch
zivilgesellschaftliches Engagement Diskussionen anstoßen, gesellschaftliches
Klima verändern und Druck erzeugen, - durch
praktische Unterstützung von Initiativen (z.B. durch unbürokratisches Vorgehen,
feste Ansprechpersonen, finanzielle Hilfe) können Impulse verstärkt werden und
die Präventionsarbeit kann institutionell oder über Projekte gefördert werden. Die
mbr hat einen Mustergewerbemietvertrag erarbeitet, der Klauseln gegen
rechtsextreme Wirtschaftsunternehmungen enthält. Ziele sind: - ein
klares politisches Signal des Vermieters -
Abschreckung potenzieller rechtsextremer Mieter -
Erleichterung der Mietvertragskündigung. In den
Mietvertragsklauseln versichert der Mieter mit seiner Unterschrift, dass sein
Sortiment keines rechtsextremen, rassistischen und antisemitischen Inhalte hat.
Der Verkäufer versichert, dass im Laden keine Produkte, Modemarken oder
Accessoires verkauft werden, die in der Öffentlichkeit mit einem Bezug zur
rechtsextremen Szene wahrgenommen werden. Sehr
gut ist nach Einschätzung der mbr die Entwicklung kommunaler Standards und
Kriterien für die Jugendarbeit in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus,
wie sie im Jugendhilfeausschuss Treptow-Köpenick am 2.4.08 als verbindliche
Grundlage für alle nach § 11 KJHG finanzierten Projekte beschlossen wurde.
Darin sind festgelegt: -
professionelles demokratisches Selbstverständnis alle Jugendarbeiter/innen -
Zuständigkeiten und Ziele der Jugendarbeit im Bezirk in Bezug auf
Rechtsextremismus -
Handlungsempfehlungen für Mitarbeiter/innen von Jugendfreizeiteinrichtungen zum
Umgang mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen -
Prozessmerkmale und Kriterien eines glaubhaften Ablösungsprozesses aus der rechtsextremen
Szene - Kriterien zum Umgang bzw. der pädagogischen Arbeit mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen (Sympathisanten, Mitläufern). Fort- und
Weiterbildungen sollten geleistet werden für - die
Regeldienste (Hilfen zur Erziehung, Allgemeiner sozialer Dienst etc.), um
Hintergrundwissen zu rechten Jugendkulturen zu vermitteln und zu aktualisieren,
die Auseinandersetzung mit Alltagsrassismus zu fördern und das demokratische
Selbstverständnis im Team zu unterstützen -
Lehrerinnen und Lehrer. Es gibt dafür zu wenig Freistellungen durch
Schulleitungen, häufig fehlen direkte Ansprechpartner/innen an der Schule, d.h.
keine Rechtsextremismus- oder Demokratiebeauftragten, zu wenig Anerkennung von
engagierten Lehrer/innen durch die Schulleitungen. Spezifische und
aktualisierte Angebote für Schulen sind nötig, darüber hinaus mehr
Demokratiepädagogik. Die mbr hat
einen Koffer mit Materialien für Auszubildende erarbeitet und arbeitet mit
den Gewerkschaften zusammen, damit es vermehrt zu Betriebsvereinbarungen kommt,
die einen innerbetrieblichen Konsens gegen Rechtsextremismus festschreiben.
Zudem muss die Jugendarbeit mit den Folgen von Hartz IV umgehen. Der bisherige
Wirkungseffekt des antirassistischen Zusatz-Passus in der Berliner SPAN kann von
der mbr zur Zeit noch nicht bewertet werden, da im Sport sehr viele
ehrenamtlich Engagierte tätig sind, zu denen wenig direkte Kontakte existieren.
Dementsprechend ist im Einzelfall auch unklar, wie ggf. eine mögliche
Anschlussarbeit gegen rechte Vorfälle ausgestaltet sein könnte Der
Ausschuss legt fest, dass in der nächsten Sitzung über eine parteiübergreifende
Beschlussempfehlung zum Thema beraten wird. Die Ausschussmitglieder sind
eingeladen, hierzu Anregungen vorab zu formulieren. |
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