Neue Stolpersteine in Friedrichshain-Kreuzberg

Neue Stolpersteine in Friedrichshain-Kreuzberg

In Friedrichshain-Kreuzberg wurden heute neun weitere Stolpersteine an fünf Orten verlegt.

In der Georgenkirchstraße 10-11 wurden zwei Stolpersteine für Lea Ramras und Dora Ramras verlegt. An dieser Verlegung hat die Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann ebenfalls teilgenommen.
Bis zu ihrer Deportation lebten Lea Ramras und ihre Tochter Dora in der Georgenkirchstr. 62. Dieses Gebäude existiert nicht mehr, die Adresse entspricht der heutigen Anschrift Nr. 10-11. Lea Müller kam 1895 in Oleszyce in Galizien (damals zu Österreich-Ungarn gehörig) in einer jüdischen Familie zur Welt. Ihre Familie zog ca. 1915 nach Berlin. Lea Müller heiratete 1919 den ebenfalls aus Galizien stammenden jüdischen Moritz Moses Ramras (*1897). Er war als Kaufmann tätig. Das Ehepaar wohnte seit 1920 in der Georgenkirchstraße. Ihre Tochter Dora kam im April 1921 zur Welt. Ab etwa 1930 lebten Mutter und Tochter dann allein – ob Moritz Moses Ramras gestorben war oder das Ehepaar sich getrennt hatte, ist ungewiss. Lea Ramras und Dora Ramras wurden am 26. Oktober 1942 mit dem sogenannten „22. Osttransport“ nach Riga deportiert. Beide wurden gleich nach ihrer Ankunft in Riga am 29. Oktober 1942 ermordet.
Die Patin für die Stolpersteine für Lea Ramras und Dora Ramras ist eine Angehörige.

In der Gärtnerstraße 12 wird mit der Verlegung von drei Stolpersteinen an Moritz Rabow, Betty Rabow und Hulda Salinger erinnert.
Moritz Rabow kam 1876 in Karthaus (damalige Provinz Westpreußen) als Sohn eines jüdischen Bäckermeisters zur Welt. Er absolvierte am Technikum Ilmenau in Thüringen ein Ingenieurstudium. 1911 heirateten er und Betty Herrmann (*1886 in Berent, damalige Provinz Westpreußen) in Berlin. Ab 1912 lebte das Ehepaar im ersten Stock des Hauses Gärtnerstr. 12. Betty Rabow arbeitete als Kontoristin. Seit Ende der 1930er Jahre wohnte beim Ehepaar Rabow die verwitwete Hulda Salinger (geb. Krutsch) zur Untermiete. Sie wurde 1869 in Neustadt bei Pinne in der damaligen Provinz Posen geboren. In Berlin betrieb sie bis Mitte der 1930er Jahre in der Köpenicker Str. 123 eine Posamentierwarenhandlung und verkaufte z.B. Spitzen, Schmuckbänder, Kordeln und bezogene Knöpfe. Moritz und Betty Rabow wurden am 28. März 1942 mit dem sogenannten „11. Osttransport“ nach Piaski deportiert, wo sich ihre Spur verliert. In Piaski war seit Anfang 1940 ein Ghetto, in das Mehrere tausende Juden aus dem Deutschen Reich verschleppt wurden. Wer im Ghetto nicht an Hunger, Entkräftung oder Krankheiten starb, wurde in eines der Vernichtungslager deportiert und ermordet. Hulda Salinger befand sich zuletzt im Pflegeheim der Jüdischen Gemeinde im Wedding. Sie wurde am 16. Juni 1943 mit dem sogenannten „91. Alterstransport“ ins KZ Theresienstadt verschleppt, wo sie am 20. November 1943 ermordet wurde.
Die Stolpersteine für Moritz Rabow, Betty Rabow und Hulda Salinger wurden von engagierten Anwohnenden initiiert.

Mit der Verlegung eines Stolpersteines in der Schleiermacherstraße 20 wird an Emil Hirschfeldt gedacht.
Emil Hirschfeldt wurde 1873 in Pyritz in der damaligen Provinz Pommern geboren. Er entstammte einer jüdischen Familie. Unbekannt ist, welchen Beruf er ergriff und wann er nach Berlin zog. Bis 1924 war Emil Hirschfeldt bei der Victoria-Versicherung in Berlin angestellt. In der Schleiermacherstraße wohnte Emil Hirschfeldt mindestens seit 1932. Das damalige Haus existiert nicht mehr. Im Januar 1941 musste Emil Hirschfeldt seine bisherige Wohnung aufgrund von Repressionen durch die Nationalsozialisten verlassen und zur Untermiete in eine Wohnung am Halleschen Ufer 58 ziehen. Das Gebäude existiert ebenfalls nicht mehr. In dieser Wohnung lebten außer ihm noch sieben weitere Erwachsene. Der 68-jährige Emil Hirschfeldt wurde am 19. Januar 1942 mit dem sogenannten „9. Osttransport“ vom Berliner Bahnhof Grunewald in das Ghetto Riga deportiert und kam dort zu einem unbekannten Zeitpunkt ums Leben.
Der Stolperstein für Emil Hirschfeldt wurde von einer engagierten Anwohnerin initiiert.

Zur Erinnerung an Dr. Kurt Machol und Abel Machol wurden in der Yorckstraße 88 zwei Stolpersteine verlegt.
Kurt Machol kam 1904 in Hemer (Westfalen) als Sohn eines jüdischen Arztes zur Welt. Er zog mit seiner
Familie 1917 nach Niederschönhausen, das damals noch vor den Toren Berlins lag. Kurt Machol studierte Jura, promovierte 1928 an der Universität Breslau und ließ sich als Rechtsanwalt in Berlin nieder. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten erhielt Dr. Kurt Machol im April 1933 ein Vertretungsverbot, wurde aber auf Antrag zunächst wieder zugelassen. Nach dem allgemeinen Berufsverbot für „jüdischstämmige“ Rechtsanwälte 1938 wurde Kurt Machol als sogenannter ‚Konsulent‘ zugelassen und durfte nur noch jüdische Klienten beraten und vertreten. Im Oktober 1936 heiratete er und Editha Tuch (* 1909 in Obornik, damalige Provinz Posen) und sie zogen in die Yorckstraße 88. Für Editha Machol gibt es dort bereits einen Stolperstein. Das Ehepaar trat aus der jüdischen Gemeinde aus und ließ sich im September 1940 evangelisch taufen. Im Dezember 1940 kam ihr Sohn Abel Stephan zur Welt. Doch auch der Übertritt zum Christentum schützte die Familie nicht: Kurt, Editha und Abel Machol wurden am 26. September 1942 mit dem sogenannten „20. Osttransport“ nach Raasiku bei Tallinn verschleppt und mit hunderten anderen Deportierten in einer Grube in Kalevi-Liivi erschossen.
Der Pate für die Stolpersteine für Dr. Kurt Machol und Abel Machol ist ein Angehöriger.

Ein Stolperstein in der Zossener Straße 45 erinnert an Dr. Salomon Lazarus.
Salomon Lazarus kam 1858 in Rogasen (damalige Provinz Posen) zur Welt. Er studierte an der Universität Gießen Medizin und zog wahrscheinlich Ende der 1880er Jahre nach Berlin. Dr. Salomon Lazarus praktizierte und wohnte seit 1890 in der Zossener Str. 45. Auch er war von der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 betroffen. 1936 wurde ihm die Approbation entzogen. Er musste seine Arztpraxis schließen und zog in die Barbarossastr. 52 in Schöneberg. Dort wohnte er zusammen mit seinem Bruder. Dr. Salomon Lazarus wurde am 31. August 1942 mit dem sogenannten „53. Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert. Die Lebensbedingungen im Ghetto überstand der 83-Jährige nur wenige Tage. Er kam dort am 8. September 1942 ums Leben. Der Stolperstein für Dr. Salomon Lazarus wurde von einer engagierten Anwohnerin initiiert.
Stolpersteine, deren Verlegung von Angehörigen oder Nachfahren von Opfern des Nationalsozialismus initiiert wird, finanziert seit 2017 das Bezirksamt. Dieses Vorgehen hat die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg mit einem Beschluss (DS/0417-15/V) bekräftigt.

Recherchen & biografische Zusammenstellung:
Christiana Hoppe, Stolperstein-Initiative Friedrichshain-Kreuzberg