JAVollzG Bln - Abschnitt 9 - Sicherheit und Ordnung

§ 30 - Grundsatz der Sicherheit und Ordnung

(1) Sicherheit und Ordnung der Anstalt bilden die Grundlage des auf die Erreichung des Arrestziels ausgerichteten Anstaltslebens und tragen dazu bei, dass in der Anstalt ein von gegenseitiger Akzeptanz geprägtes gewaltfreies Klima herrscht.

(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die den Arrestierten zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt auferlegt werden, sind so zu wählen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und die Arrestierten nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen. Es sind insbesondere geschlechtsspezifische Belange sowie die besonderen Belange Arrestierter mit Behinderung zu berücksichtigen.

§ 31 - Allgemeine Verhaltenspflichten

(1) Die Arrestierten sind für das sozialverträgliche, geordnete Zusammenleben in der Anstalt mitverantwortlich und müssen mit ihrem Verhalten dazu beitragen. Ihr Bewusstsein hierfür ist zu entwickeln und zu stärken.

(2) Auf eine einvernehmliche Streitbeilegung (§ 33) ist hinzuwirken. Das Bewusstsein der Arrestierten hierfür ist zu entwickeln und zu stärken.

(3) Die Arrestierten haben die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich durch diese beschwert fühlen.

(4) Die Arrestierten haben ihren Arrestraum und die ihnen von der Anstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(5) Die Arrestierten haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 32 - Reaktionen auf Pflichtverstöße

(1) Verstöße der Arrestierten gegen Pflichten, die ihnen durch oder auf Grund dieses Gesetzes auferlegt sind, sind unverzüglich im Gespräch aufzuarbeiten.

(2) Daneben können Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, den Arrestierten ihr Fehlverhalten bewusst zu machen (erzieherische Maßnahmen). Als solche Maßnahmen kommen insbesondere die Erteilung von Weisungen und Auflagen, die Beschränkung der Nutzung oder der Entzug einzelner Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung bis zu einer Dauer von zwei Tagen und der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu einer Dauer von einem Tag in Betracht. Jeder Pflichtverstoß kann gesondert geahndet werden.

(3) Es sollen solche erzieherischen Maßnahmen angeordnet werden, die mit der Verfehlung im Zusammenhang stehen.

§ 33 - Einvernehmliche Streitbeilegung

Zur Abwendung von erzieherischen Maßnahmen nach § 32 Absatz 2 sollen in geeigneten Fällen im Wege einvernehmlicher und gewaltfreier Streitbeilegung Vereinbarungen getroffen werden. Insbesondere kommen die Wiedergutmachung des Schadens, die Entschuldigung beim Geschädigten, die Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft und das vorübergehende Verbleiben im Arrestraum in Betracht. Erfüllen die Arrestierten die Vereinbarung, so ist die Anordnung von erzieherischen Maßnahmen unzulässig.

§ 34 - Durchsuchung und Absuchung

(1) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt dürfen die Arrestierten, ihre Sachen und die Arresträume mit technischen Mitteln oder sonstigen Hilfsmitteln abgesucht und durchsucht werden. Die Durchsuchung der Arrestierten darf nur von Personen gleichen Geschlechts vorgenommen werden. Abweichend von Satz 2 soll bei berechtigtem Interesse der Arrestierten ihrem Wunsch, die Durchsuchung Bediensteten eines bestimmten Geschlechts zu übertragen, entsprochen werden. Das Schamgefühl ist
zu schonen.

(2) Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung der Leiterin oder des Leiters der Anstalt ist es im begründeten Einzelfall zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung Arrestierter vorzunehmen. Sie darf nur in Anwesenheit von Personen gleichen Geschlechts erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Arrestierte dürfen nicht anwesend sein. Durchführung und Ergebnis der Durchsuchung sind schriftlich abzufassen. Abweichend von Satz 2 soll bei berechtigtem Interesse der Arrestierten ihrem Wunsch, die mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung Bediensteten eines bestimmten Geschlechts zu übertragen, entsprochen werden; nur Bedienstete des benannten Geschlechts dürfen in diesem Fall während der Entkleidung anwesend sein. Das Schamgefühl ist zu schonen.

(3) Die Anordnung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters im Einzelfall ist den Arrestierten mündlich zu eröffnen und zu begründen.

§ 35 - Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelmissbrauch

Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder aus Gründen der Gesundheitsvorsorge können im Einzelfall Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, den Gebrauch von Suchtmitteln festzustellen. Diese Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.

§ 36 - Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Gegen Arrestierte können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder auf Grund ihres seelischen Zustands in erhöhtem Maß die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

  1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
  2. die Beobachtung der Arrestierten in ihren Hafträumen, im besonders gesicherten Arrestraum oder im Krankenzimmer, auch mit technischen Hilfsmitteln,
  3. die Trennung von allen anderen Arrestierten (Absonderung) bis zu 24 Stunden,
  4. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Arrestraum ohne gefährdende Gegenstände bis zu zwölf Stunden.

Mehrere besondere Sicherungsmaßnahmen können nebeneinander angeordnet werden, wenn die Gefahr anders nicht abgewendet werden kann.

(3) Wenn es zur Abwehr einer Selbsttötung oder erheblichen Selbstverletzung unerlässlich ist, ist über Absatz 2 hinaus eine vorübergehende Fesselung im besonders gesicherten Arrestraum zulässig. In der Regel darf die Fesselung nur an den Händen oder an den Füßen der Arrestierten erfolgen. Eine ständige und unmittelbare Überwachung ist vorzusehen. Es ist unverzüglich eine ärztliche Untersuchung herbeizuführen und eine Entscheidung über die Arrestfähigkeit einzuholen. Hinsichtlich der Art und des Umfangs der Fesselung sind die Arrestierten zu schonen. Die Fesselung ist unverzüglich zu lockern, wenn die Gefahr sich verringert hat oder dies zeitweise, beispielsweise zur Nahrungsaufnahme oder ärztlichen Untersuchung, notwendig ist. Sie ist zu entfernen, sobald die Gefahr nicht mehr fortbesteht oder durch mildere Mittel abgewendet werden kann.

(4) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter an. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete diese Maßnahmen vorläufig anordnen; die Entscheidung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen.

(5) Den Arrestierten sind besondere Sicherungsmaßnahmen zusammen mit deren Anordnung mündlich zu erläutern. Die Anordnung ist mit einer kurzen Begründung schriftlich abzufassen.

(6) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur so weit aufrechterhalten werden, wie es ihr Zweck erfordert. Sie sind in angemessenen zeitlichen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen. Das Ergebnis der Überprüfungen und die Durchführung der Maßnahmen einschließlich einer möglichen Beteiligung des ärztlichen Dienstes sind schriftlich abzufassen.

(7) Während der Absonderung und während der Unterbringung im besonders gesicherten Arrestraum sind die Arrestierten in besonderem Maß zu betreuen.

(8) Sind die Arrestierten in einem besonders gesicherten Arrestraum untergebracht, sucht sie eine Ärztin oder ein Arzt alsbald auf.