Abschnitt 5 - Schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining und Arbeit

§ 22

Ziel von Qualifizierung und Arbeit

Schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining und Arbeit haben insbesondere das Ziel, die Fähigkeiten der Jugendstrafgefangenen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu verbessern oder zu erhalten. Maßnahmen der schulischen und beruflichen Aus- und Weiterbildung sind für die Jugendstrafgefangenen von besonderer Bedeutung. Sie dienen dem Ziel, durch Vermittlung geeigneter Lernmodelle schulischem Nachholbedarf zu begegnen, die Lebenssituation zu stabilisieren, Beständigkeit und Selbstdisziplin aufzubauen, Eigenverantwortung und Motivation zu entwickeln sowie das Selbstwertgefühl zu verbessern. Die Jugendstrafgefangenen werden darin unterstützt und beraten, ihren Fähigkeiten, Kenntnissen und Neigungen angemessene Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder Arbeit zu finden.

§ 23

Schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen

(1) Jugendstrafgefangene sind vorrangig zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen in Form von Orientierungs-, Berufsvorbereitungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder speziellen Maßnahmen zur Förderung ihrer schulischen und beruflichen Entwicklung verpflichtet. § 12 Absatz 2 bleibt hinsichtlich der Maßnahmen nach § 12 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 bis 10 und § 3 Absatz 9 Satz 2 unberührt.

(2) Jugendstrafgefangenen ist eine für sie sinnvolle Qualifizierungsmaßnahme, die zu einem anerkannten Abschluss führt, anzubieten. Jugendstrafgefangene erhalten allgemeinen oder berufsbildenden Unterricht in Anlehnung an die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften. Bei der Festlegung von Inhalten, Methoden und Organisationsformen der schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen wird der spezielle Förderbedarf der Jugendstrafgefangenen berücksichtigt. Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung werden in der Regel als Vollzeitmaßnahme durchgeführt.

(3) Die Vollzugs- und Eingliederungsplanung ist darauf auszurichten, dass die Jugendstrafgefangenen Qualifizierungsmaßnahmen während ihrer Haftzeit abschließen oder danach fortsetzen können. Können Maßnahmen während der Haftzeit nicht abgeschlossen werden, trägt die Anstalt in Zusammenarbeit mit außervollzuglichen Einrichtungen dafür Sorge, dass die begonnene Qualifizierungsmaßnahme nach der Entlassung fortgesetzt werden kann. § 50 Satz 4 bleibt unberührt.

(4) Nachweise über schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen dürfen keinen Hinweis auf die Inhaftierung enthalten.

(5) Der Verpflichtung zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen unterliegen weibliche Jugendstrafgefangene nicht, soweit entsprechende gesetzliche Beschäftigungsverbote zum Schutz erwerbstätiger werdender und stillender Mütter nach dem Mutterschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S. 2318), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 23. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2246) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung bestehen.

§ 24

Arbeitstherapeutische Maßnahmen

Arbeitstherapeutische Maßnahmen dienen dazu, dass die Jugendstrafgefangenen Eigenschaften wie Selbstvertrauen, Durchhaltevermögen und Konzentrationsfähigkeit einüben, um sie stufenweise an die Grundanforderungen des Arbeitslebens heranzuführen.

§ 25

Arbeitstraining

Arbeitstraining dient dazu, Jugendstrafgefangenen, die nicht in der Lage sind, einer regelmäßigen und erwerbsorientierten Beschäftigung nachzugehen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die eine Eingliederung in das leistungsorientierte Arbeitsleben fördern. Die in der Anstalt dafür vorgehaltenen Maßnahmen sind danach auszurichten, dass sie den Jugendstrafgefangenen für den Arbeitsmarkt relevante Qualifikationen vermitteln.

§ 26

Arbeitspflicht

(1) Nehmen die Jugendstrafgefangenen an keiner schulischen oder beruflichen Qualifizierungsmaßnahme teil, sind sie zur Teilnahme an arbeitstherapeutischen Maßnahmen, Arbeitstraining oder zu Arbeit verpflichtet, wenn und soweit sie dazu in der Lage sind. § 12 Absatz 2 bleibt unberührt. Bei der Zuweisung einer Beschäftigung sind Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen der Jugendstrafgefangenen zu berücksichtigen.

(2) Die Verpflichtung entfällt für weibliche Jugendstrafgefangene, soweit das gesetzliche Beschäftigungsverbot zum Schutz erwerbstätiger werdender und stillender Mütter nach dem Mutterschutzgesetz besteht.

§ 27

Beschäftigungsbedingungen und Ablösung

(1) Nehmen die Jugendstrafgefangenen an Maßnahmen gemäß §§ 23 bis 25 teil oder üben sie eine Arbeit gemäß § 26 aus, so gelten die von der Anstalt festgelegten Beschäftigungsbedingungen. Für schwangere und stillende Jugendstrafgefangene sind die Vorschriften des Mutterschutzgesetzes über die Gestaltung des Arbeitsplatzes entsprechend anzuwenden.

(2) Die Jugendstrafgefangenen können von den in Absatz 1 Satz 1 benannten Beschäftigungen abgelöst werden, wenn

1. sie den Anforderungen nicht gewachsen sind,
2. sie trotz Abmahnung wiederholt gegen die Beschäftigungsvorschriften verstoßen,
3. dies zur Erfüllung der Vollzugs- und Eingliederungsplanung geboten ist oder
4. dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

(3) Vor Ablösung sind die Jugendstrafgefangenen anzuhören. Bei einer Gefährdung der Sicherheit der Anstalt kann dies auch nachgeholt werden. Werden Jugendstrafgefangene nach Absatz 2 Nummer 2 oder aufgrund ihres Verhaltens nach Absatz 2 Nummer 4 abgelöst, so gelten sie als verschuldet ohne Beschäftigung.

§ 28

Freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung

(1) Jugendstrafgefangenen, die zum Freigang gemäß § 44 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 zugelassen sind, soll gestattet werden, einer Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung, Umschulung oder einer Arbeit auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses oder der Selbstbeschäftigung außerhalb der Anstalt nachzugehen, wenn die Beschäftigungsstelle geeignet ist und nicht überwiegende Gründe des Vollzugs entgegenstehen. § 46 gilt entsprechend.

(2) Das Entgelt ist der Anstalt zur Gutschrift für die Jugendstrafgefangenen zu überweisen. Die Anstalt kann in geeigneten Fällen hiervon Ausnahmen zulassen.

§ 29

Freistellung

(1) Haben die Jugendstrafgefangenen ein halbes Jahr lang gearbeitet, so können sie beanspruchen, zehn Arbeitstage von der Arbeit freigestellt zu werden. Zeiten, in denen die Jugendstrafgefangenen infolge Krankheit an der Arbeitsleistung gehindert waren, werden auf das Halbjahr mit bis zu 15 Arbeitstagen angerechnet. Der Anspruch verfällt, wenn die Freistellung nicht innerhalb eines Jahres nach seiner Entstehung erfolgt ist.

(2) Auf die Zeit der Freistellung wird Langzeitausgang gemäß § 44 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 angerechnet, soweit er in die Arbeitszeit fällt. Gleiches gilt für einen Langzeitausgang nach § 45 Absatz 1, sofern er nicht wegen des Todes oder einer lebensgefährlichen Erkrankung naher Angehöriger erteilt worden ist.

(3) Die Jugendstrafgefangenen erhalten für die Zeit der Freistellung ihr Arbeitsentgelt weiter.

(4) Urlaubsregelungen freier Beschäftigungsverhältnisse außerhalb der Anstalt bleiben unberührt.

(5) Für schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, arbeitstherapeutische Maßnahmen und Arbeitstraining gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend, sofern diese den Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erreichen.