Modellprojekt für Verkehrsberuhigung
Das Modellprojekt Begegnungszone Bergmannstraße entstand 2011 als Teil der Berliner Fußverkehrsstrategie. In den folgenden Jahren gab es umfangreiche Öffentlichkeitsbeteiligung, planerische Untersuchungen und eine Testphase.
Seit 2020 wird das Konzept realisiert. Einige Maßnahmen sind noch mit vielen Planungsschritten verbunden, bevor sie vollständig umgesetzt werden können. Daher wurde die Bergmannstraße bis zum dauerhaften Umbau zunächst temporär umgestaltet. Der Kfz-Verkehr wurde auf einem Abschnitt stark eingeschränkt, ein Zweirichtungsradweg und Fußverkehrsquerungen eingerichtet sowie Blumenkübel aufgebaut. Im Umfeld wurden Einbahnstraßen umgesetzt, um Durchgangsverkehre zu verhindern. Das Ganze wurde ergänzt um Liefer- und Ladezonen, Radbügel und abschnittsweise Geschwindigkeitsbeschränkung auf 10 km/h. Zur weiteren Vermeidung des Durchgangsverkehrs wurden stufenweise weitere Einbahnstraßenregelungen entsprechend des Konzepts umgesetzt und Durchfahrten am Chamissoplatz gesperrt.
Damit das Ergebniskonzept vollständig umgesetzt werden kann, muss die Zossener Straße für den Durchgangsverkehr gesperrt werden. Daher wurde ein umfangreiches Gutachten erstellt und 2023 die Straße durch die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) aus dem übergeordneten Netz herausgenommen. Damit ist der Weg für eine Sperrung für den Kfz-Verkehr frei, kann jedoch frühestens 2025 erfolgen. Derzeit wird geprüft, wie eine solche Sperrung für den Kfz-Verkehr aussehen kann, die gleichzeitig den Busverkehr auf der Route weiterhin durchfahren lässt und nicht einschränkt.
Für die Gestaltung der geplanten Fußgänger*innenzone in der Bergmannstraße wird das Bezirksamt einen freiraumplanerischen Wettbewerb ausschreiben. Die Straße soll künftig klimaresilient gestaltet werden. Dazu gehören Entsiegelungsflächen und Wasserelemente zur lokalen Hitzevorsorge. Ein Zeitplan für diesen Wettbewerb steht bislang noch nicht fest.
Im Neuigkeiten-Archiv zum Projekt finden Sie einen Überblick über bislang erfolgte Aktivitäten.
Konzeptentwicklung und Beteiligung
Im näheren Umfeld der Bergmannstraße wohnen ca. 15.000 Menschen. Dazu kommt eine hohe Anzahl an Gewerbetreibenden, welche die Vielfalt an Geschäften in der Bergmannstraße aufrechterhalten, sowie Personen, die im Bergmannkiez arbeiten. Im Rahmen von der Umgestaltung öffentlicher Räume sind die Menschen im Kiez gleichzeitig auch Betroffene von Baumaßnahmen. Daher wurden umfangreiche Schritte der Beteiligung durchgeführt.
Im Juli 2011 hat der Senat die Fußverkehrsstrategie mit dem Modellprojekt „Berliner Begegnungszonen“ verabschiedet und der Standort Bergmannstraße bekam den Zuschlag als Modellprojekt. Danach begannen die Planungen. In einer BVV-Sitzung im Dezember 2014 wurde der Beteiligungsprozess beschlossen und eine Steuerungsrunde gegründet. Die gesamte Planung wurde 2014 bis 2016 von einer intensiven Öffentlichkeitsbeteiligung in drei Phasen begleitet. Im Herbst 2015 wurden die Stärken und Schwächen der Bergmannstraße erfasst. Im Frühjahr 2016 wurden dann erste Varianten für mögliche Straßenraumgestaltungen vorgestellt. Anschließend wurde ein Vorplanungsentwurf auf den Ergebnissen der Diskussionen zu den Varianten erstellt.
Zentrale Forderungen der Beteiligung waren die Erstellung eines verkehrlichen Gesamtkonzepts mit mehr Verkehrssicherheit, mehr Platz für den Fußverkehr, die Trennung von Rad- und Fußverkehr, die Förderung des Radverkehrs und Lösungen für den Lieferverkehr und das Gesundheitszentrum. Gleichzeitig sollte der Kiezcharakter erhalten bleiben, die Fläche für Außengastronomie nicht erweitert werden und Platz für mehr Begrünung geschaffen werden. Sehr umstritten war vor allem die Anzahl der Pkw-Parkplätze sowie die Art und Anzahl der ggf. neu hinzukommenden Sitzgelegenheiten.
Ein zentrales Ergebnis der Beteiligung war, vor einem endgültigen Umbau der Bergmannstraße die „Begegnungszone“ als zeitlich begrenzte Testphase durchzuführen. Verschiedene Maßnahmen sollten über den Zeitraum von einem Jahr in der Bergmannstraße aufgebaut und ausprobiert werden. Mögliche Gestaltungselemente konnten so zunächst getestet und hinsichtlich ihrer Auswirkungen z.B. auf den Verkehrsfluss oder die Aufenthaltsqualität bewertet werden.
Von April bis Mai 2018 wurden zwei Parklets für den sogenannten Probelauf im Bereich der Gebäude Bergmannstraße Nr. 99 / Nr. 11 aufgestellt. Der Probelauf diente als Vorbereitung auf die Testphase in der Bergmannstraße. Der Probelauf wurde von einer Onlinebeteiligung, aufsuchenden Befragungen im Mai 2018 sowie einer digitalen Befragung begleitet, auf welche über Hauswurfsendungen an 7.500 Haushalte im Umfeld der Bergmannstraße hingewiesen wurde. Das Ergebnis zeigte eine starke Polarisierung des Meinungsbildes. Neben dem Wunsch nach mehr Verkehrsberuhigung und mehr Aufenthaltsqualität gab es große Bedenken gegenüber unklaren Verkehrsregelungen und zunehmendem Lärm und Müll. Die Ergebnisse flossen in die Ausarbeitung der Testphase ein.
Im September 2018 fand eine Informationsveranstaltung mit 150 Anwesenden statt, bei der über die geplanten Maßnahmen der Testphase informiert wurde. Auf Grundlage der Ergebnisse des Probelaufs wurde über folgende Handlungsempfehlungen informiert: eine Gestaltung, die die Parklets besser in den Straßenraum integriert, eine bessere Regelung des Verkehrsflusses und weitere bauliche Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung in Betracht ziehen (z.B. Bremsschwellen).
Der Aufbau der Testphase in der Bergmannstraße startete Mitte Oktober 2018 und war auf 12 Monate angelegt. Die Testphase umfasste das Aufstellen von Parklets und das Aufbringen von grünen Punkten als Fahrbahnmarkierung, um den Charakter der Begegnungszone hervorzuheben. Im Laufe dieser Testphase gab es verschiedene Möglichkeiten für Anwohnende, Gewerbetreibende und weitere Interessierte, sich an dem Prozess zu beteiligen. Sie konnten in vielfältigen Formaten z.B. zukünftige Qualitäten der Bergmannstraße priorisieren, die Elemente der Testphase bewerten sowie Perspektiven für die Zukunft der Bergmannstraße entwickeln und diskutieren. Das Meinungsbild war sehr durchwachsen. Insbesondere gab es Bedenken hinsichtlich möglicher Lärmbelastung durch Parklets, Auswirkungen der neuen Regelungen auf die Verkehrssicherheit sowie der Wunsch nach mehr Transparenz im Beteiligungsprozess.
Im Frühjahr 2019 wurde das Projekt sowohl medial als auch politisch in den Gremien der Bezirksverordnetenversammlung und im Bezirksamt diskutiert. Auf Basis einer neuen Beschlusslage wurde das Beteiligungsverfahren angepasst und die Testphase im September 2019 abgeschlossen. In einer öffentlichen Werkstatt wurde ein Zwischenfazit zur Testphase vorgestellt und diskutiert.
Auf Grundlage eines Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung fand eine repräsentative Haushaltsbefragung zum Projekt statt. Die Umfrage der asum GmbH zeigte, dass die Bewohner*innen des Bergmannkiezes großes Verbesserungspotenzial in den verkehrlichen Regelungen und in den Nutzungsmöglichkeiten der Testphase sahen. Im Sommer 2019 gab es mehrere repräsentativ besetzte Perspektiv-Werkstätten, zu denen Anwohner*innen mit einer Zufallsstichprobe aus dem Einwohner*innen-Melderegister eingeladen wurden. In den Werkstätten herrschte allgemein Einigkeit über das Ziel einer Verringerung des Autoverkehrs in der Bergmannstraße und im gesamten Kiez. Zudem war eine dauerhafte Umgestaltung der Bergmannstraße mehrheitlich gewollt und es wurde häufig der Wunsch nach mehr Aufenthaltsflächen und Grünraum in unterschiedlicher Form und Gestalt geäußert. In den Werkstätten wurden vier verschiedene Optionen für die zukünftige Gestaltung der Bergmannstraße entwickelt.
Die Ergebnisse der Haushaltsbefragung wurden Ende August 2019 der Öffentlichkeit vorgestellt. Die vier entwickelten Gestaltungsoptionen waren ab September 2019 in einer Open-Air-Galerie ausgestellt. Diese wurde durch eine Online Beteiligung begleitet. Dort konnten die Varianten kommentiert und diskutiert werden.
Im Format eines Reallabors informierte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg am 20. September 2019 über die Ergebnisse der vergangenen Perspektiv-Werkstätten und der Haushaltsbefragung in „Perspektiv-Rundgängen“ vor Ort. Dazu wurde der Abschnitt der Bergmannstraße von der Schenkendorfstraße bis zur Kreuzung der Zossener Straße gesperrt.
Außerdem gab es die Möglichkeit, zukünftige Qualitäten der Bergmannstraße zu bewerten und mit Kreide gewünschte Elemente auf die Straße zu malen. Des Weiteren konnten Anwohnende und Gewerbetreibende die Testphase rückblickend an einem „Testphasen-Barometer“ bewerten und Kurzinterviews dazu geben. Abschließend fand eine Fragerunde statt, bei der zwei Mitarbeiter des Bezirksamts gesammelte Fragen rund um das Verfahren und die Bergmannstraße beantworteten.
Die Erkenntnisse aus der Begleitung der Testphase waren Grundlage für die Entwicklung des Ergebniskonzepts für die Neugestaltung der Bergmannstraße und das Verkehrsberuhigungskonzept für den Bergmannkiez. Dazu erfolgte im zuständigen Straßen- und Grünflächenamt eine planerische Abwägung der Einzelmaßnahmen. Das fertige Konzept wurde der Bezirksverordnetenversammlung zur Kenntnis vorgelegt. Am 9.12.2020 hat die Bezirksverordnetenversammlung das Konzept zur Kenntnis genommen. Es ist damit beschlossen und kann umgesetzt werden.
Die Vorlage zur Kenntnisnahme zur Drucksache 1457/V sowie die dazugehörigen Anlagen können hier heruntergeladen werden. Außerdem können Sie die Beteiligungsberichte herunterladen.
Ergebnis der von 2011-2019 andauernden Beteiligungs- und Planungsphase ist ein Verkehrskonzept für den gesamten Bergmannkiez sowie eine Gestaltungsidee für den Umbau der Bergmannstraße zur Fußgänger*innen-Zone. Ziel der Maßnahmen ist, den öffentlichen Raum gerechter zu verteilen, die Verkehrssicherheit zu erhöhen und den Kiez klimaangepasst umzubauen. Die Diskussionen und Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens wurden in einer umfangreichen Ausstellung auf insgesamt 14 Plakaten aufbereitet. Diese können am Ende dieser Seite heruntergeladen werden.