Vorstellung des Ausbildungsbürgeramtes

Vorstellung des Ausbildungsbürgeramtes

Leiter des Ausbildungsbürgeramtes, Paul Huwe

Dienstagvormittag im Bürgeramt 2 in der Schlesischen Straße: In Büro 4 bearbeiten vier Kolleg*innen die Anliegen der Bürger*innen. An Platz 4C beantragt eine Familie den Reisepass für ihren Sohn. „Wie groß ist er denn?“ – Da die Frage nicht beantwortet werden kann, wird der Jugendliche kurzerhand am Türrahmen gemessen. Denn für diese Fälle sind alle Türrahmen der Büroräume mit Maßbändern ausgestattet. An Platz 4A benötigt derweil ein Bürger einen neuen Personalausweis. Weiter geht es mit einem Führungszeugnis: „Das macht 13 Euro,- natürlich können Sie auch mit Ihrem Handy zahlen, wenn Sie die Funktion aktiviert haben.“ Bei 4D nimmt ein älterer Herr Platz, der seinen alten grauen „Lappen“ gegen einen neuen EU- Führerschein tauschen möchte. Am Bearbeitungsplatz 4A wird jetzt ein Bürger aufgerufen, der einen zweiten Reisepass benötigt, weil er dienstlich nach Israel und nach Saudi-Arabien reisen muss.

Ganz normaler Arbeitsalltag im Kreuzberger Bürgeramt? Nicht ganz, denn die Sachbearbeiter*innen die an den Plätzen 4A, 4C und 4D sitzen und Führerscheine, Reisepässe, Personalausweise und Führungszeugnisse ausstellen, sind noch in der Ausbildung. Sie sind im dritten Lehrjahr und lernen ganz praktisch „on the job“ mit echten Bürger*innen und deren Anliegen. Wenn sie Fragen haben oder allein nicht weiterkommen, wenden sie sich an ihre Ausbilderin Ezgi Isikli, die an Platz 4B sitzt und von dort aus den Überblick hat, wer ihre Unterstützung braucht. Gerade ist es die Kollegin an Platz 4A mit dem komplizierten Fall des zweiten Reisepasses.

Ein*e Ausbilder*in für drei Nachwuchskräfte

Ezgi Isikli ist seit Kurzem Ausbilderin im Ausbildungsbürgeramt. An diesem Dienstagvormittag betreut sie drei Nachwuchskräfte in Raum 4 bei ihrer Arbeit. „Die vielen positiven Bewertungen und Rückmeldungen, die wir bekommen, motivieren die Auszubildenden natürlich sehr für ihre Arbeit. Außerdem hat man hier als Azubi gleich ein Erfolgserlebnis, wenn man eine Dienstleistung gelernt hat, weil man sie sofort umsetzen kann.“

Bei der Frage nach ihrer Lieblingsdienstleistung muss die Ausbilderin nicht lange nachdenken. Das sei ganz klar der internationale Führerschein, weil er kein Alltagsding sei und man daher sehr auf die Details achten müsse.
Das Ausbildungsbürgeramt des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg ist eine besondere Einrichtung. Ein vergleichbares Bürgeramt, in dem Nachwuchskräfte den Betrieb eigenständig übernehmen, gibt es in Berlin und anderswo in Deutschland bislang nicht.

Im Frühjahr 2015 startete der Probebetrieb. Das Konzept eines eigenen Bürgeramtes für die Nachwuchskräfte hatten der Fachbereichsleiter des Bürgeramts, die damalige Amtsleiterin und der Leiter des Nachwuchsmanagements gemeinsam entwickelt. Die Idee war es, ein Bürgeramt von Auszubildenden organisieren und betreiben zu lassen, die wiederum von motivierten und qualifizierten Ausbilder*innen unterstützt werden. Ein besonderer Fokus lag von Anfang an darauf, dass es sich nicht um einen Spielbetrieb, sondern um ein echtes Bürgeramt handeln sollte, das den kompletten Umfang der Dienstleistungen eines regulären Bürgeramtes anbietet. Bei der Einrichtung erhielt das Bezirksamt Unterstützung vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, das den Nachwuchskräften den Zugriff für das Fachprogramm freischaltet, was im Normalfall nicht vorgesehen ist.

Seit dem Vorjahr läuft das Ausbildungsbürgeramt im Regelbetrieb. Im Oktober 2020 übernahm Paul Huwe die Leitung. Gemeinsam mit drei Ausbilder*innen leitet er die Auszubildenden im Alltag an. Er war selbst während seiner Ausbildung im Bürgeramt in der Schlesischen Straße eingesetzt. Der 29-Jährige hat seine Ausbildung als Verwaltungsfachangestellter 2013 abgeschlossen. Zu seiner neuen Stelle kam er, weil ihn die Arbeit mit den Auszubildenden und der Einsatz in einem neu etablierten Team interessierte. Da er im Rahmen seiner Ausbildung zweimal im Bürgeramt eingesetzt war, kann er sich mit dem Aufgabengebiet sehr gut identifizieren. „Außerdem hatte ich keine Lust mehr, Akten zu bearbeiten“, sagt Paul Huwe. Aktenbearbeitung oder täglicher Umgang mit Kund*innen, jede*r Verwaltungsfachangestellte hätte da eine Präferenz.

Regelmäßige Exkursionen

Zweimal im Jahr wechselt die Azubi-Belegschaft, im Februar und im September. In jedem Durchgang sind zehn bis zwölf Nachwuchskräfte für den Beruf zum Verwaltungsfachangestellten aus dem ersten oder dritten Ausbildungsjahr und Praktikant*innen, die eine Umschulung absolvieren, im Einsatz. Die Altersspanne des aktuellen Teams liegt zwischen 19 und Mitte 40. Idealerweise soll jede*r Auszubildende des Bezirksamtes einmal hier Station machen.

Die Auszubildenden arbeiten im Ausbildungsbürgeramt eigenständig für Kund*innen und erledigen alle Dienstleistungen selbst. Nur Anmeldungen neuer Berliner Bürger*innen dürfen sie nicht vornehmen. Wenn jemand gerade in die Stadt gezogen ist und ein neuer Datensatz im System angelegt wird, müssen kurz die Ausbilder*innen übernehmen. „Eine gute Ausbildung ist unglaublich wichtig und die jungen Leute hier verdienen einfach eine gute Ausbildung mit entsprechenden Schulungen.“ Zu Beginn des Ausbildungsabschnittes erhalten die Nachwuchskräfte in allen Themengebieten, beispielsweise Ausländerecht, Führerscheinwesen, Ausweisrecht, Schulungen mit allen rechtlichen Hintergrundinformationen. Denn: Jedes behördliche Handeln ruht auf einer gesetzlichen Grundlage. Danach üben sie in einem Testprogramm, in dem sie sich ausprobieren und Muster von vorläufigen Reisepassen und Personalausweisen ausstellen können.

Zusätzlich zum Praxiseinsatz gibt es für die jungen Mitarbeiter*innen regelmäßige Exkursionen zu anderen Behörden, wie die Bundesdruckerei, das Callcenter der 115 beim ITDTZ, die Führerscheinstelle oder die Zulassungsstelle in Lichtenberg. Außerdem finden regelmäßige Schulungen und Informationsveranstaltungen statt, etwa vom Verfassungsschutz oder zum Thema Korruption. Hierfür werden die Freitage genutzt, an denen das Ausbildungsbürgeramt generell für den Kundenverkehr geschlossen ist. „Damit lernen die Auszubildenden natürlich Dinge, die sie auch auf ihren folgenden Stationen und nach Abschluss der Ausbildung nutzen können“, erklärt Paul Huwe.

Vorstellung des Ausbildungsbürgeramtes

Beliebtes Bürgeramt

„Vielen Menschen, die zu uns kommen, wird erst auf dem Flur klar, dass wir kein ganz normales Bürgeramt sind. Andere kommen ganz bewusst hier her. Denn wir bekommen immer sehr gute Bewertungen – und das konstant seit unserer Eröffnung“, erklärt Paul Huwe. Das stimmt. Auf Google schneidet das Ausbildungsbürgeramt in der Bewertung mit 4,7 Sternen wesentlich besser ab als andere Bürgerämter. Woran liegt das? Der Leiter glaubt, dass es neben dem Konzept noch andere Faktoren für die Beliebtheit gibt: „Wir haben ein wirklich ansprechendes Dienstgebäude mit einem schön gestalteten Vorgarten und eine andere Wandfarbe als andere Bürogebäude.“ In der Mittagspause könne man sich entweder in den Garten setzen oder gleich an die Spree. Außerdem sei der Standort wesentlich kleiner als die beiden Bürgerämter in der Frankfurter Allee und der Yorckstraße. „Wir sind hier schon sehr wohlbehütet“, sagt Paul Huwe und lacht. Als weiteren Vorteil sieht der Leiter die Vielsprachigkeit des Teams. „Unsere jungen Beschäftigten sprechen alle gut Englisch und häufig auch noch andere Sprachen. Das vereinfacht die Zusammenarbeit mit dem internationalen Publikum in der Stadt.“

Inzwischen sind auch andere Bezirke und Kommunen in Deutschland auf das Ausbildungsbürgeramt aufmerksam geworden und möchte das Konzept übernehmen. „Aber bislang sind wir mit unserer Organisation einzigartig!“