Bezirksamt stellt Papier zu diversem Gedenken im öffentlichen Raum vor

Pressemitteilung Nr. 87 vom 14.04.2021

Wer war Minna Neumann und wie hat sie schon 1906 auf den „Gender Pay Gap“ hingewiesen? Was hat es mit den Kartoffelunruhen vom Belle-Alliance-Platz auf sich? Wo waren in der DDR die Vertragsarbeiter*innen beschäftigt und wie verbrachten sie ihre Freizeit? Welche queeren Veranstaltungsorte fanden sich schon im 19. Jahrhundert in unserem Bezirk? All diese Geschichten sind momentan kaum bekannt und Stadtbild nicht sichtbar.

„An welche Ereignisse, Orte, Persönlichkeiten und Perspektiven im öffentlichen Raum erinnert wird, ist eine zentrale Gerechtigkeitsfrage. Unser Bezirk hat sich auch in der Gedenkarbeit immer dafür eingesetzt, alle Stimmen zu hören und verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen. Trotzdem ist auch unsere Erinnerungskultur weiß, männlich und heterosexuell dominiert. Wir sind ein bunter und vielfältiger Bezirk. Das muss auch in unserem Gedenken sichtbarer werden. Im Rahmen der Recherche hat das Museum viele Geschichten entdeckt, die wir erzählen sollten. Denn diese Personen und ihre Geschichten prägen unseren Bezirk und machen ihn zu dem, was er ist. Diese Vielfalt muss auch im Stadtraum sichtbar und erfahrbar werden.“ erklärt Kulturstadträtin Clara Herrmann.

Seit Jahrzehnten verfolgt die bezirkliche Kulturarbeit in Friedrichshain-Kreuzberg das Ziel einer vielfältigen, antirassistischen und feministischen Gedenkarbeit. Ein Beispiel hierfür ist die Menschenlandschaft am Schlesischen Tor, die mit ihren Skulpturen bereits 1987 dem Thema Kreuzberg als Kristallisationspunkt der Einwanderung widmete oder die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus im Stadtraum und die Umbenennung des Groebenufers nach der afrodeutschen Aktivistin und Dichterin May-Ayim-Ufer.

Die vorhandenen Gedenktafeln im Bezirk spiegeln dagegen jedoch die Mehrheitsgesellschaft und die damit einhergehenden hegemonialen Verhältnisse: So ehren rund 90,3 Prozent der Gedenktafeln und -stelen Männer, lediglich 9,7 Protent Frauen; LGBTI* spielen mit nur 0,9 Prozent aller Gedenktafeln und -stelen und People of Colour (Schwarze und Menschen mit biografischem Migrationsbezug) mit 1,8 Prozent eine marginale Rolle.

Damit möchte das Bezirksamt eine fokussierte und strukturierte Betrachtung des diversen Gedenkens voranbringen.
Dafür hat das FHXB Museum die aktuelle Situation des Gedenkens und mögliche Ansätze für mehr Diversität im Gedenken wissenschaftlich erarbeiten lassen und daraus das Papier „Gedenken neu denken – Ansätze für eine diversitätsorientierte Gedenkarbeit und Erinnerungskultur in Friedrichshain-Kreuzberg“ erstellt. Das Papier wird heute in der bezirklichen Gedenktafelkommission vorgestellt. Das Ziel ist es, eine Struktur für eine konsequent diversitätsorientierte Gedenkarbeit im Bezirk zu schaffen. Damit die vielfältige Bezirksgeschichte auch im Stadtraum konkret, sichtbar und erlebbar wird.

  • Konzeptpapier "Gedenken neu denken"

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