Einmal Duschen für 5 Pfennig – Geld und ein neues Konzept für das historische Baerwaldbad

Das historische Kreuzberger Baerwaldbad wartet geduldig auf eine Sanierung

Das historische Kreuzberger Baerwaldbad wartet geduldig auf eine Sanierung

Tiefgrünes Wasser, wie in der Südsee, Kinderlachen und Wasserplätschern – mit geschlossenen Augen kann man ihn sich vorstellen: Den Badebetrieb im historischen Kreuzberger Baerwaldbad gleich nach der Eröffnung im Jahr 1901. Damals, zu Kaisers Zeiten, hatten die schönen großen Altbauwohnungen im Bezirk weder Bäder noch fließendes heißes Wasser. Es war es das erste Berliner Stadtbad und bot neben dem neuen U-förmigen Volksbad mit seiner Größe von etwa 21 mal 9 Metern eine Etage höher 64 Wannen- und 68 Brausebäder, eine medizinische Abteilung und später sogar einen hauseigenen Friseur. Eine weitere Etage höher fanden sich Wohnungen für Beamt*innen.

Der Bedarf war riesig, so notierte damals der Planer des Volksbades Ludwig Hoffmann penibel die Besucher*innenzahlen: Allein in den ersten neun Monaten nach der Eröffnung wurden 66.499 Wannenbäder, 108.975 Duschbäder und 178.168 Schwimmbadbesucher*innen gezählt. Der Plan, die Hygiene im ärmeren Wohnviertel Kreuzberg zu verbessern, ging also auf. Die Kreuzberger*innen kamen, und schwammen oder reinigten sich.

Männer und Frauen konnten zeitgleich schwimmen gehen, wenn auch in getrennten Becken

Männer und Frauen konnten zeitgleich schwimmen gehen, wenn auch in getrennten Becken

Komplette Familie konnte nach und nach gemeinsam das Wasser einer Wanne nutzen

Einmal Duschen kostete 5 Pfennig. Baden war mit 10 Pfennig etwas teurer. Dafür konnte aber auch eine komplette Familie nach und nach gemeinsam das Wasser einer Wanne nutzen. Solange, bis etwa zehn Minuten vor Ablauf der Badezeit eine Badeaufseherin daran erinnerte, dass es nun Zeit wird, das Bad wieder zu verlassen. Das Wasser wurde erneuert, der Fliesenboden gewischt, und der nächste Gast konnte in der Wanne entspannen.

Also plante Ludwig Hoffmann erneut und errichtete direkt nebenan einen Erweiterungsbau mit einem weiteren Schwimmbecken und weiteren Wannenbädern und Duschen.

Mit der Eröffnung der Erweiterung im Jahr 1917 konnten nun zeitgleich Männer und Frauen schwimmen gehen, wenn auch in getrennten Becken. Im Neubau befand sich jetzt das „große“ Becken mit einer Länge von 25 mal 9,55 Metern. Es gab 35 zusätzliche Brausebäder sowie eine Heil- und Kurabteilung.

Hinter jedem Fenster fand sich eine abgetrennte Bademöglichkeit für die Kreuzberger*innen

Hinter jedem Fenster fand sich eine abgetrennte Bademöglichkeit für die Kreuzberger*innen

Täglich wurde Wasser in den Landwehrkanal abgelassen

Das Wasser beider Schwimmbecken wurde täglich nach Betriebsschluss in den nahegelegenen Landwehrkanal abgelassen und für den Folgetag frisch aufgefüllt. Damit die Wassertemperatur erträglich war, fütterte ein Heizer den ganzen Tag die Heizanlage mit Kohle. Das so erhitzte Wasser lagerte in gigantischen Tanks unter dem Dach. Noch heute steht im Hinterhof der riesige Schornstein der Anlage, und ein einfacher Wasserstandsanzeiger an der Hauswand könnte auch heute noch vom Wasserstand im Tank berichten. Jedenfalls hängt er dort. Noch.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Erweiterungsbau vollständig zerstört.1951 wurde das Gebäude danne mit dem Charme der 1950er Jahre versehen, neu aufgebaut. Bis in die 1980er Jahre wurden die Brausen und Wannen genutzt, doch dann mussten nach und nach einige Abteilungen stillgelegt werden. Es folgten ein Betreiber*innenwechsel und mehrere Schließzeiten. Im April 2017 wurde das Baerwaldbad vollständig geschlossen und das Wasser beider Becken abgelassen. Bis heute erinnern Absperrbänder in Weiß und Rot und ein einsamer lila Medizinball in der Beckenecke daran, dass in der lichtdurchfluteten Halle des Neubaus einst ein lebendiges Wasserleben tobte.

Absperrbänder in Weiß und Rot und ein einsamer lila Medizinball in der Beckenecke erinnern an das lebendige Wasserleben

Absperrbänder in Weiß und Rot und ein einsamer lila Medizinball in der Beckenecke erinnern an das lebendige Wasserleben

Sanierung würde über 41 Millionen Euro kosten

Blickt man hingegen heute von oben in die „kleine“ Schwimmhalle mit ihrem hohen Tonnengewölbe, dem Chlor und das feuchtheiße Badeklima arg zugesetzt haben, kommt nicht nur bei Schwimmer*innen der Wunsch auf, hier solle wieder Wasser fließen! Doch das Baurecht, Chlor- und Feuchtigkeitsschäden schließen momentan eine Nutzung aus.
Beide Gebäude müssten kernsaniert werden. Nach dem Bausubstanzgutachten aus 2020 würde eine Sanierung beider Hallen als Schwimmbäder mit über 41 Millionen Euro sehr teuer werden.

Die BVV (Bezirksverordnetenversammlung) hat am 14. Dezember 2022 die Erarbeitung einer Machbarkeitsstudie für künftige Nutzungen beschlossen. Inzwischen soll anhand der vorhandenen Grundlagen und Gutachten als Basis, weitere Schritte in Richtung Umsetzung gemacht werden.