Freude und Macht des Lernens

Sabine Weißler

Sehr geehrte Damen und Herren,

Visionen werden oft belächelt, manchmal auch verspottet. „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, empfahl einst Bundeskanzler Helmut Schmidt mit Blick auf den Wahlkampf seines Amtsvorgängers Willy Brandt.

Brauchen wir für die Politik, für die Gesellschaft, für unser Leben oder die Arbeit einer Volkshochschule Visionen im Sinne „innerer Bilder von einer besseren Zukunft“?

Ich würde die Frage dann mit ja beantworten, wenn mit Visionen Vorstellungen gemeint sind, wie wir mit den Herausforderungen der Zukunft umgehen wollen.

Der Europäische Verband für Erwachsenenbildung nennt sieben aktuelle Herausforderungen, auf die Volkshochschulen Antworten für die Zukunft bereithalten müssen:

• Aktive Bürgerschaft, Demokratie und Teilhabe
• Lebenskompetenzen einzelner Bürger
• Sozialer Zusammenhalt, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung
• Beschäftigung und Digitalisierung
• Migration und demographischer Wandel
• Nachhaltigkeit
• Europäische Politik

Und exakt auf diesen Feldern ist unsere Volkshochschule tätig.

Die Teilnahme an Kursen der Volkshochschule – das wissen wir z.B. aus der Forschung – kann das soziale Miteinander, das allgemeine Wohlbefinden und die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben verbessern. Durch Volkshochschulkurse können sich neue Beschäftigungsgebiete eröffnen oder kulturelle und künstlerische Passionen entdeckt oder wiederentdeckt werden oder der Weg zu gesünderen Verhaltensweisen gefunden werden.
Und weil die Volkshochschule vor 100 Jahren aus einer emanzipatorischen Bewegung heraus gegründet wurde, sind sozialer Zusammenhalt, Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Teilhabe Bestandteile ihres Selbstverständnisses.

Im „Europäischen Manifest für Erwachsenenbildung im 21. Jahrhundert“ mit dem Titel „Freude und Macht des Lernens“ heißt es: Erwachsenenbildung ist ein Menschenrecht und Erwachsenenbildung kann das Leben des Einzelnen und den Zustand einer ganzen Gesellschaft verbessern.

Wegen einer solchen Vision muss niemand zum Arzt gehen.
Aber vielleicht zur Volkshochschule.

Viel Freude beim Lernen wünscht Ihnen

Sabine Weißler

Porträtfoto Michael Weiß

Sehr geehrte Damen und Herren,

warum sind die 730 Lehrkräfte an der Volkshochschule Berlin Mitte eigentlich freiberuflich beschäftigt und nicht festangestellt?

Das mag zum einen daran liegen, dass seit jeher in die Erwachsenenbildung sehr viel weniger investiert wird als in andere Bildungsbereiche. Der Hauptgrund liegt aber sicher darin, dass die große Programmvielfalt einer Volkshochschule nur durch eine Vielzahl frei- und nebenberuflicher Dozent*innen erreichbar ist. Diese Vielfalt gibt einer Volkshochschule ihr Profil und verankert sie in der Mitte der Gesellschaft, weil die frei- und nebenberuflichen Lehrkräfte die Erfahrungen und Kompetenzen aus ihrem Hauptberuf in die Volkshochschule hineintragen. Nur so bleibt eine Volkshochschule immer aktuell.

Gleichwohl wäre es sicher durchaus vorstellbar, dass in einigen Teilen des Programms auch festangestellte Lehrkräfte an einer Volkshochschule unterrichteten, zumal viele der Freiberuflichen mit einem großen Stundenumfang für die Volkshochschule und damit dem Status nach als sog. Arbeitnehmerähnliche arbeiten. Sie erhalten – ähnlich den Arbeitnehmer*innen – Zuschüsse zu ihrer Kranken- und Rentenversicherung, Urlaubsentgelt und ein Ausfallhonorar im Krankheitsfall. Auch das Honorar wurde inzwischen sehr deutlich vom Land Berlin angehoben. Das Land Berlin nimmt damit eine Vorreiterrolle im Vergleich zu allen anderen Bundesländern ein.

Bei allen materiellen Verbesserungen wünschen sich die Lehrkräfte an der Volkshochschule jedoch mehr Arbeitsplatzsicherheit. Deshalb antworteten 39% der befragten Lehrkräfte in einer aktuellen Umfrage an unserer Volkshochschule, dass sie am liebsten als Festangestellte beschäftigt sein würden.

Umso mehr gilt es, das Miteinander zwischen der Institution Volkshochschule und den freiberuflichen Lehrkräften gut und fair zu moderieren. Die Mehrheit der Dozent*innen – so die oben zitierte Umfrage – empfindet das Klima für Freiberufler*innen als gut und unseren Umgang mit Konflikten ebenfalls. Nur 20% sehen das nicht so, sind weniger zufrieden und finden, dass wir es noch besser machen sollten.

Das sehen wir als Auftrag. Denn gute Arbeit und gute Arbeitsbedingungen gehören zusammen.

Herzlich willkommen in der Volkshochschule

Ihr
Michael Weiß

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