Drucksache - DS/0045/V  

 
 
Betreff: Verhindert das Zweckentfremdungsverbotsgesetz die Unterbringung von Geflüchteten?
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:FDPFDP
Verfasser:Heihsel, MarleneHeihsel, Marlene
Drucksache-Art:Mündliche AnfrageMündliche Anfrage
Beratungsfolge:
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Vorberatung
11.01.2017 
Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg (BVV) beantwortet   

Beschlussvorschlag

Das Zweckentfremdungsverbotsgesetz (ZwVbG) reguliert u.a. das zeitweise Vermieten von Wohnraum.

Wir fragen das Bezirksamt:

  1. Ist es nach dem ZwVbG zulässig, eine Wohnung an Asylbewerber für einen befristeten Zeitraum (bspw. für 18 Monate) zu vermieten?
  2. Welche Konsequenz ergibt sich für Geflüchtete durch die ersatzlose Streichung des §3 Abs. 3 ZwVbG („Eine im öffentlichen Interesse liegende Zwischennutzung liegt auch zum Zwecke der vorübergehenden Unterbringung von Aussiedlerinnen und Aussiedlern, Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und Personengruppen mit vergleichbarem Unterbringungsbedarf - auch bei Vermietung von Wohnraum an soziale Träger - vor.“) vom 20.03.2016?
  3. Welche Konsequenz hat der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin VG 1 L 12.16 vom 16. März 2016 („Die Unterbringung von Flüchtlingen von zeitlich befristeten Kostenübernahmebescheinigungen ist ihrem Sinn und Zweck nach eine vorübergehende ‚Not’-Unterbringung und mithin nicht als dauerhafte Wohnungsüberlassung anzusehen“) für die Unterbringung von Geflüchteten und deren Definition als Zweckentfremdung?

 

 

Beantwortung: BzStR Herr Mildner-Spindler

 

zu Frage 1: Grundsätzlich ist jede Vermietung, ob befristet oder unbefristet, keine Zweckentfremdung, wenn der Mieter in der Wohnung seinen Lebensmittelpunkt begründen kann. Die Unterbringung von Asylbewerbern nach Tagessätzen durch Kostenübernahmebescheinigungen ist hiermit nicht gemeint. Diese Art der Notunterbringung ist zweckentfremdungsrechtlich im weitesten Sinne Fremdenbeherbergung bzw. gewerbliche Zimmervermietung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes (ZwVbG) und bedarf nach § 1 Abs. 1 ZwVbG einer Genehmigung. Die Gesamtdauer der tageweisen Unterbringung nach Tagessätzen ändert nichts an dem Tatbestand der Zweckentfremdung.

 

zu Frage 2: Die Streichung des ehemaligen § 3 Abs. 3 ZwVbG hat keine Konsequenzen für Geflüchtete. Auch als es den § 3 Abs. 3 ZwVbG noch gab, musste ein Antrag für die Zweckentfremdung „Notunterbringung von Flüchtlingen zu Tagessätzen“ gestellt werden. Diese Anträge wurden im pflichtgemäßen Ermessen geprüft und in der Regel mit folgender Begründung abgelehnt: „Auch wenn ein öffentliches Interesse im Sinne dieser Vorschrift an der Unterbringung von Asylbewerbern in Privatunterkünften besteht, vermag es das vom Gesetz als vorrangig angesehene öffentliche Interesse an der Erhaltung der Wohnnutzung, der Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen nicht zu überwiegen.“

Die so untergebrachten Personen, Tagessätze in Notunterkünften oder als Notunterkünfte genutzter Wohnraum, treten, weil keine längerfristigen Mietverhältnisse Schaffung eines Lebensmittelpunktes eingegangen werden, letztlich sogar zusätzlich zu den übrigen Wohnungssuchenden, Konkurrierenden, Nachfragenden.

 

zu Frage 3: Der Beschluss des Verwaltungsgerichts stellt lediglich klar, dass es sich bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu Tagessätzen um keine dauerhafte Wohnnutzung handelt. Ich zitiere: „Die Bewohner haben nur für die Dauer der Kostenübernahmebescheinigung die Gewissheit, in der Wohnung wohnen zu dürfen. Die Nutzung der Wohnung dient nicht einem wohnungseigenen Zweck der unabhängigen Gestaltung des eigenen häuslichen Wirkungskreises.“

Im Beschluss wurde klargestellt, dass es egal ist, wie lange die Behörde in bestimmten Situationen die Kostenübernahme zusichert, entscheidend ist die Bezahlung nach Tagessätzen. Dauerhafte Wohnverhältnisse können so nicht entstehen.

Und ich möchte mal noch darauf hinweisen: Auf diese Art und Weise haben sich Leute eine goldene Nase verdient, wo es einfach Gesetzestreue und Anstand verlangen, das zu unterbinden. Wir sind im Moment noch dabei, Wohnungen zu schließen, die überbelegt sind, wo Zwei-Zimmer-Wohnungen mit 10 Leuten zu Tagessätzen AV Wohnen Obergrenze 400,00 EUR im Monat belegt sind für eine Matratze in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Da wird für eine Wohnung, die vielleicht 500,00 EUR kostet 4.000,00 EUR im Monat kassiert. Das muss man unterbinden.

 

Frau Heihsel: Sie haben es ja jetzt schon ausgeführt, ich würde trotzdem gerne noch mal nachfragen, dass ich eine ganz konkrete Antwort habe: Wenn es nicht um eine Unterbringung nach Tagessätzen geht, sondern um einen ganz normalen Mietvertrag in einem normalen Mietrahmen und die Mietzahlungen werden auch offiziell vom LAGeSo oder vom Jobcenter übernommen, ist es dann keine Zweckentfremdung?

 

zu Nachfrage 1: Im Herbst/Winter 2015 zu 2016, als absehbar war, dass im Frühjahr 2016 der Bestandsschutz nach bestandswahrender Eigenanzeige „Zweckentfremdungsverbot“ erlöschen wird, haben wir alle uns gemeldeten Ferienwohnungen, Ferienwohnungsbetreiber angeschrieben und haben sie darauf hingewiesen, dass sie das werden ab Frühjahr 2016 nicht mehr tun können. Wenn sie einen Nutzer für ihre Wohnung suchen, dann können wir ihnen behilflich sein, eine Wohnung an geflüchtete Menschen zu vermieten.

Grundlage oder Basis für all das ist, dass ein ordentlicher Mietvertrag abgeschlossen wird. Tagessätze, und wenn auch in Zeiten von Not LAGeSo, EJF und andere ungeprüft Kostenübernahmen ausgestellt haben für eine Matratze in einer Wohnung für 400,00 EUR im Monat, das bedeutet nicht das Zustandekommen eines ordentlichen Mietverhältnisses.

Wenn jemand seine Wohnung an geflüchtete Menschen vermieten will und sei es, er will die Wohnung auch erst mal befristet vermieten, er begründet ein Mietverhältnis, so ist das möglich. Tagessatzvermietung nicht.

 

Frau Heihsel: Ich habe noch eine Nachfrage, und zwar die Frage: Ist die Person des Mieters, also entweder der Geflüchtete selbst, das LAGeSo oder das Jobcenter relevant für die Beurteilung, ob Zweckentfremdung vorliegt? Ich kann es auch noch mal erklären …

 

zu Nachfrage 2: Die Person ist nicht ausschlaggebend oder auch die Situation der Person. Der Status der Person ist nicht ausschlaggebend dafür, zu bewerten, ob ein Mietverhältnis zustande kommt oder ob die gewerbliche Überlassung eines Schlafplatzes passiert.

Wenn ein geflüchteter Mensch einen Vermieter findet, der ihm einen Mietvertrag ausstellt, das kann auch ein befristeter Mietvertrag sein, dann kann der zu dem Kostenträger gehen, LAGeSo oder bei Statuswechsel dann Jobcenter, dort den Mietvertrag vorlegen, dann werden die Kosten der Unterkunft für einen Mietvertrag übernommen und organisiert.

 

 

 
 

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