Weltmusiktag – Das „Zelle 12“-Projekt der Musikschule Friedrichshain-Kreuzberg

Ina Finger im Konzertsaal der Musikschule in der Zellestraße.

Ina Finger im Konzertsaal der Musikschule in der Zellestraße.

Am 1. Oktober ist Weltmusiktag – ein Tag, der international der Musik gewidmet ist. Alljährlich zelebriert dieser Aktionstag die musikalische Vielfalt auf der ganzen Welt, motiviert Menschen zum gemeinsamen Musizieren und fördert den internationalen Erfahrungsaustausch im Bereich Musik.

Auch das in Friedrichshain-Kreuzberg angesiedelte Projekt „Zelle 12“ steht ganz im Zeichen des internationalen musikalischen Austausches. Junge Musiker*innen zwischen 14 und 20 Jahren aus Friedrichshain-Kreuzberg und den Partnerstädten bzw. -bezirken Ingelheim am Rhein, Szczecin (Stettin), Istanbul-Kadıköy und Kyiv-Darnyzja kommen im Oktober für eine Woche in Berlin zusammen, um gemeinsam zu musizieren. Organisiert wird das Projekt von der Musikschule Friedrichshain-Kreuzberg unter der Leitung von Ina Finger gemeinsam mit den Musikschulen der Partnerstädte.

Die Ursprünge des Projekts

Angefangen hat alles im Jahr 2006, als die Ingelheimer Musikschule eine Einladung an die Musikschule in Friedrichshain-Kreuzberg aussprach, erinnert sich Ina Finger. Alle zwei Jahre durften die Berliner Streicher*innen in den folgenden Jahren in die Partnerstadt in Rheinland-Pfalz fahren. „Zelle 12“ entstand aus dem Wunsch, sich für diese Gastfreundlichkeit zu revanchieren und den Austausch weiter zu fördern. „Partnerschaft lebt schließlich vom gegenseitigen Kennenlernen“, betont die Leiterin der Musikschule. „Bis dahin haben wir immer nur Ingelheim kennengelernt, aber die Ingelheimer haben nie gesehen, wie wir hier arbeiten.“

Ina Finger hatte eine Vision für das Projekt, sie wollte den Streicherbereich und den Bereich der Popularmusik zusammenbringen. „Ich möchte den Friedrichstadtpalast in klein, aber ohne Tanz“ – mit dieser Idee ist das Team der Musikschule gestartet und hat gemeinsam das Konzept für „Zelle 12“ entwickelt: Lieder aus der Popmusik werden von einem Chor, einer Popband und einem Streichorchester gemeinsam vertont.

Der Titel des Projekts ist mehrdeutig: Einerseits bezieht er sich auf den Ort, die Musikschule in der Zellestraße 12. Andererseits auf die ‚Übezellen‘, also die besonderen schallisolierten Übungsräume in Musikschulen. „Außerdem beschreibt der Begriff beginnendes Leben – eine Zelle, aus der etwas wächst und die sich dann zusammenschließt mit anderen“, erläutert Ina Finger. 2011 fand „Zelle 12“ das erste Mal statt und ist seitdem sukzessive gewachsen; nach Ingelheim kamen Istanbul-Kadıköy und Szczecin (Stettin) als Partnerinstitutionen dazu, dieses Jahr ist erstmals auch Kyiv (Kiew) dabei.

Intensive Projektwoche für die jungen Musiker*innen

Während Corona und in den Jahren danach konnte das Projekt wie so viele internationale Austauschprojekte erst einmal nicht stattfinden. Dieses Jahr läuft das Projekt erstmals seit 2019 wieder an. „Da liegen jetzt sechs Jahre dazwischen, man merkt, dass das Konsequenzen für das Projekt hat“, erzählt Ina Finger. „Viele alte Verbindungen sind weggebrochen. Wir sind immer noch dabei, in kleinen Schritten neue Kontakte aufzubauen.“

Aber die Leiterin der Musikschule ist zuversichtlich. Sie freut sich, dass das Projekt wieder anläuft und so viele Musiker*innen aus den Partnerstädten nach Friedrichshain-Kreuzberg kommen. Die Schüler*innen werden in Berlin bei Gasteltern untergebracht. Viele von ihnen sind das erste Mal länger alleine von zu Hause weg. Durch die Unterbringung bei Gastfamilien und die intensive Zeit in der Projektwoche entstehen oft jahrelange Freundschaften, weiß Ina Finger aus den vergangenen Jahren zu berichten, – ganz im Sinne des städtepartnerschaftlichen Austauschs.

Die Projektwoche ist sehr intensiv für die jungen Musiker*innen. Jeden Tag wird sieben bis acht Stunden lang geprobt. Am Freitagabend findet das Abschlusskonzert in Berlin statt, am Samstagvormittag geht es direkt weiter nach Szczecin (Stettin), für das dortige Abschlusskonzert. Auch der organisatorische Aufwand für die Musikschulen ist groß. „Es ist eine Teamleistung, alle packen mit an. Anders würde das gar nicht gehen“, betont die Leiterin der Musikschule.

„P.R.I.D.E“ als diesjähriges Motto

Das Projekt steht jedes Jahr unter einem Motto, das gemeinsam mit dem künstlerischen Leiter Robert Matt ausgewählt wird. 2019 war das Thema „Women in Song“. Im Fokus standen weibliche Songwriterinnen, die oft unter männlichem Pseudonym schreiben müssen, damit sie überhaupt am Markt einen Raum finden können. Im Jahr davor war das Thema „World Talk“. „Wir wollten die Bedeutung von Sprache in der Musik hervorheben. Was passiert eigentlich, wenn ein Song, den man sonst immer auf Englisch hört, plötzlich auf Türkisch oder Japanisch oder Isländisch gesungen wird? In Szczecin wurde der auf Polnisch gesungene Song zu einem besonderen Highlight. Da tobte der Saal vor Begeisterung“, erinnert sich Ina Finger. „Wir wollen immer, dass alle Beteiligten sich in dem Projekt zuhause fühlen.“

Dieses Jahr ist das Motto „P.R.I.D.E“. Wie der Projekttitel ist auch dieser Begriff ganz bewusst doppeldeutig gewählt. Zwar steht das Akronym im „Zelle 12“-Projekt vor allem für „Pop, Rock, Indie, Dance, Elektro“ und soll die Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Facetten von Popularmusik lenken, eine Verbindung zur Bedeutung der LGBTQI+ Bewegung für die Popularmusik ist aber ebenfalls denkbar. „Gleichzeitig geht es auch um das Thema ‚Stolz‘, das momentan gesellschaftspolitisch viel thematisiert wird“, erläutert die Leiterin der Musikschule. „Der Begriff ist oft negativ besetzt oder hat einen bestimmten Beigeschmack. Aber ich finde, zumindest musikalisch, können wir wirklich stolz sein auf das, was wir hier machen.“

Das Abschlusskonzert sowie eine öffentliche Generalprobe werden Ende Oktober in der Musikschule Friedrichshain-Kreuzberg in der Zellestraße stattfinden. Mehr Informationen zum „Zelle 12“-Projekt gibt es hier, ein Porträt über Ina Finger und die Musikschule hier.