Projekttag „Schule ohne Rassismus“ am Heinrich-Hertz-Gymnasium

SoR-Projektteam Heinrich-Hertz-Gymnasium

Das Projektteam mit Lehrerin Carla Kiwit

Jährlich wird am Friedrichshainer Heinrich-Hertz-Gymnasium ein „Schule ohne Rassismus“ (SoR)-Projekttag organisiert – in diesem Jahr fand er zum 13. Mal statt. Das Organisationsteam findet sich jedes Schuljahr rund um Lehrerin Carla Kiwit zusammen. Sie hat die Projektleitung vor drei Jahren von einer Kollegin übernommen, die den Projekttag zehn Jahre lang betreute. „Meine Kollegin hat das seit der Auszeichnung als Schule ohne Rassismus mit Herzblut gemacht, wollte aber dann an jemand Jüngeres übergeben“. So übernahm die Politik- und Französischlehrerin die Projektbetreuung. Im Vorjahr drehte sich alles um LGBTQIA+. Thema des SoR-Projekttages in diesem Jahr lautet: „Wie wollen wir leben?“

Rund um diese zentrale Fragestellung organisiert das Projektteam 26 Workshops und weitere Angebote für Schüler*innen ab der achten Klasse. Die unteren Jahrgänge nutzen den Tag für Exkursionen rund um das Thema im eigenen Klassenverband. 15 Schüler*innen sind in diesem Jahr Teil des Projektteams. Einige von ihnen waren schon im Vorjahr dabei. Zehn der Workshops wurden von Schüler*innen selbst durchgeführt, fünf weitere von Lehrkräften der Schule. Die restlichen Angebote wurden von externen Vereinen und Initiativen übernommen. Die Schüler*innen können drei Workshops angeben, für die sie sich interessieren. Die Aufteilung übernimmt Lehrerin Carla Kiwit. „Diese Aufteilung ist eine echte Kunst. Bei allen wurde einer der drei Wünsche berücksichtigt. Das ist schon eine Leistung.“ Neben dem Berücksichtigen der Wünsche ist es wichtig, dass die Gruppen ungefähr gleich groß sind und die unterschiedlichen Jahrgänge und Klassen sich gut durchmischen.

Aufgrund des BVG-Streiks und einer Grippewelle ist der Projekttag nicht ganz so gut besucht wie in den Vorjahren. Drei Angebote müssen daher kurzfristig abgesagt werden, beispielsweise ein Workshop mit den „Omas gegen rechts“

Tafel mit Workshops

Schulische Beteiligung, Fake News, Podcast

Ein Einblick in die Seminare: In Raum 2.04 schaut sich der Verein „mehr als lernen“ mit einem guten Dutzend Schüler*innen die Möglichkeiten an, wie sich die Schüler*innen innerhalb der Schulorganisation beteiligen können. Sie erörtern Wege durch den Gremiendschungel und besprechen in Kleingruppen, auf welchem Ebenen sich die Schüler*innen einbringen können.

Einen Raum weiter bietet das Recherchenetzwerk Correctiv ein Seminar zum Thema „Was ist Journalismus?“ an. Das Klassenzimmer ist gut gefüllt mit Schüler*innen, die mit der Dozentin besprechen, wie sie sich im Alltag zu aktuellen Geschehnissen informieren. Die Umfrage im Raum zeigt, dass die sozialen Netzwerke Instagram, YouTube, TikTok auf Platz 1 liegen. „Wem folgt ihr da? Was macht euch misstrauisch? Wie könnt ihr Fake News erkennen?“, fragt die Dozentin. Auf Platz 2 liegen Apps und Webseiten klassischer Medien. Viele der Jugendlichen im Raum schauen auch noch mit ihren Eltern lineares Fernsehen, etwa die Tagesschau beim gemeinsamen Abendbrot. Außerdem sprächen sie mit Familie und Freund*innen im Alltag über Politik.

Im Flur vor den Klassenzimmern gibt derweil Schülerin Livia dem Team vom Schulpodcast ein Interview zu ihrem Projekt. Livias Workshop hat als Kern des Projekts eine Diskussionsrunde. Es geht um direktdemokratische Elemente in Deutschland. Eine Herausforderung sind hier die unterschiedlichen Lern- und Wissensstände der verschiedenen Jahrgänge zum Thema. Die Aufgabe der Elftklässlerin ist es, hier alle abzuholen. Danach werden Expertengruppen gebildet und gemeinsam diskutiert. Die Podcast-AG produziert eine Folge von „HertzInFakt“, die sich dem Projekttag widmet und führt den Tag über viele Gespräche.

Demokratischer Sport

In der Turnhalle ist das Angebot „Ultimate Frisbee“ des Mathe- und Physiklehrers gut besucht. Demokratisch sei der Sport deshalb, weil es keine feste Regelkunde und keine*n Schiedsrichter*in gibt. Die Regeln werden in der Gruppe besprochen und ausgehandelt. Das funktioniere in der Projekttagsgruppe sehr gut, berichtet der der Lehrer, der als Student selbst viel Ultimate Frisbee gespielt hat.

Im Kunstraum über der Sporthalle wird ganz konzentriert gefaltet und dabei Serie geschaut. Die Schüler*innen üben sich im Origami und fertigen einen Papier-Kranich nach dem anderen. Die fertigen Origami-Kunstwerke werden mit einem Wunsch versehen. „Gleichberechtigung“ steht dort beispielsweise und „Weltfrieden“, „repräsentative Demokratie“, aber auch „Tierschutz“. Nach und nach werden die Kraniche und Wünsche an der Deckenbeleuchtung befestigt. Da alle Klassen und Kurse für den Kunstunterricht den selben Raum nutzen, wird dieses am Projekttag gemeinsam gestaltete Werk für die gesamte Schulgemeinschaft sichtbar bleiben.

SoR-Teammitglied Sofiia ist den Vormittag über mit ihrer Kamera im gesamten Schulgebäude unterwegs. Sie läuft von Klassenzimmer zu Klassenzimmer, um den Projekttag zu dokumentieren.

Schüler*innen als Dozent*innen

Die Schüler*innen aus dem Projektteam haben sich die Themen ihrer Workshops selbst überlegt, mit Carla Kiwit abgesprochen und anschließend ihren vierstündigen Workshop geplant und angeleitet. Die anwesenden Lehrkräfte sind nur als Aufsichtspersonen mit in den Klassenzimmern. Vorerfahrungen haben viele aus dem Organisationsteam in der Gesamtschülervertretung gesammelt. Einige haben auch Jugendleiterkarten, mit denen sie ehrenamtlich in der Jugendarbeit aktiv sein können. Generell lege ihre Schule viel Wert darauf, den Schüler*innen Kompetenzen wie Moderation und Präsentation zu vermitteln, sodass sie gut vorbereitet seien. „Gerade bei Gruppenarbeiten zeigen uns die Lehrer viel zu diesen Themen“, erklärt Achtklässlerin Sofiia. In den Wahlpflichtkursen Geografie und Geschichte können die Schüler*innen zum Beispiel als Ersatzleistung selbst eine Unterrichtsstunde leiten und werden hierfür benotet. Neuntklässlerin Josephine berichtet: „Wir haben eine ganz engagierte Lehrerin, die man um Tipps bitten kann, wenn es um die Gestaltung von Workshops geht.“ Elftklässlerin Carlotta ergänzt: „Unsere Schule fördert die Eigeninitiative sehr. Veranstaltungen, wie die Projektwoche am Ende des Schuljahres, bereiten uns sehr gut auf Projekte wie am SoR-Tag vor.“

Die Motivation der Projektmitglieder, mitzumachen, ist vielfältig. Elftklässler Felix wurde von seinem Politiklehrer angeworben. Josephine kam über die Queer-AG der Schule zum Projekt. Livia mag es generell, jahrgangsübergreifend zusammenzuarbeiten. Schulsprecherin Carlotta findet das Projekt inhaltlich spannend, weiß aber auch, dass sie von den Erfahrungen hier für ihre fünfte Prüfungskomponente profitieren kann. „Das ist schon ein bisschen Eigennutz. Leitung und Führung sind ja Kompetenzen, die man im Leben immer wieder braucht – im Studium und später im Job. Da ist der SoR-Tag eine gute Gelegenheit, zu üben.“ Für Finn ist der Projekttag ein guter Anlass, größer zu denken und gemeinsam mit Mitschüler*innen Visionen zu entwickeln. Sofiia und Tamina lieben das Debattieren, was aus ihrer Sicht im Schultag zu kurz kommt. „Debattieren macht solchen Spaß! Ich möchte anderen das beibringen – auch damit sie sich künftig gegen Scheinargumente wehren können.“

Carlotta und Felix führen gemeinsam mit weiteren Schüler*innen einen Workshop zu Fake News durch. Zusammen mit den Teilnehmer*innen erörtern sie, was Fake News sind, wie man diese erkennt und wie man sich vor Manipulation schützt.

Außenansicht Heinrich-Hertz-Gymnasium Nordseite

Gemeinsames Diskutieren

Schulsprecher Finn hat in seinem Workshop zum Thema „Schule von morgen“ selbst Input gegeben und seine Mitschüler*innen anschließend in der Gruppe arbeiten lassen. Vorab hat er Materialien und Plakate zum Thema gesucht. Zum Abschluss des Workshops gibt es eine Feedbackrunde. Wichtig ist aus Sicht des Zehntklässlers eine gute Mischung aus Input und Interaktion.

Sofiia und ihre Freundin Tamina haben gemeinsam den Workshop „Besser debattieren als ein Politiker“ erarbeitet und umgesetzt. Darin vermitteln die beiden ihren Mitschüler*innen die Grundlagen und verschiedene Arten des Debattierens. Geübt wird anhand der Themen Gesundheitschips und Abschaffung der mündlichen Noten. Am Ende sagen die beiden: „Am liebsten hätten wir selbst mitdiskutiert.“

Mitschüler*innen, die wenig Interesse am SoR-Tag haben und in den Workshops entsprechend stören, gibt es in der Erfahrung des Projektteams nur sehr wenige. „Ich möchte die anderen begeistern mitzumachen“, erklärt Livia. Das klappe im Allgemeinen sehr gut. Tamina ergänzt: „Wenn man selbst motiviert ins Projekt reingeht, kann man die Leute besser mitreißen. Das hilft, denn dann haben auch die anderen mehr Spaß.“ Finn findet, dass es für die Motivation hilfreich sei, dass Schüler*innen selbst durch Workshops führen. „Wenn man etwas von Gleichaltrigen lernt, hat das schon einen Einfluss darauf, wie interessiert man ist, mitzumachen.“ Alle im Projektteam haben am Ende den Eindruck, dass die Motivation der Schulgemeinschaft besser war als im Vorjahr. Damals gab es einige Probleme. Sogar die Ankündigungsposter für den Projekttag wurden teilweise heruntergerissen. Das habe vermutlich am Thema gelegen, das mehr polarisiert habe.

Aktuell brainstormt die Projektgruppe das Thema des SoR-Tages für das nächste Schuljahr. Die Ideen sind bislang Europa, Diskriminierung, politische Bewegungen und Medien & Meinungsbildung. Auch Vorschläge aus der Schulgemeinschaft werden gesammelt und am Ende abgestimmt.

———————————————————————————————————————————————-
Auch am Andreas-Gymnasium setzen sich Schüler*innen für eine Schule ohne Rassismus ein. Die Courage-AG stellen wir im Bezirksticker vor.