60 Jahre Mittelpunktbibliothek Wilhelm Liebknecht | Namik Kemal - Ein besonderer Ort für Anwohnende und Besucher*innen

Ranija Hemieda, Bibliothekarin und Hausleiterin der Mittelpunktbibliothek Wilhelm Liebknecht | Namik Kemal

Ranija Hemieda, Bibliothekarin und Hausleiterin der Mittelpunktbibliothek Wilhelm Liebknecht | Namik Kemal

Das Kottbusser Tor in Kreuzberg ist Party-Hotspot, aber auch Wohngebiet. Rund um den Gebäudekomplex des Zentrums tobt das Leben in all seinen guten aber auch bitteren Facetten. Doch mittendrin funkelt seit mehr als 60 Jahren die Mittelpunktbibliothek Wilhelm Liebknecht / Namik Kemal, die auf drei Ebenen mit über 800 Quadratmeter 40.000 unterschiedliche ausleihbare Medien bereitstellt. Doch weit über dieses Medienangebot hinaus ist sie ein ganz besonderer Ort für Anwohnende und Besucher*innen.

15 Mitarbeiter*innen, davon etwa die Hälfte als Bibliothekar*in und die andere Hälfte als Fachangestellte*r für Medien und Informationsdienste (FAMI) und drei Auszubildende arbeiten gemeinsam mit Hausleiterin und Bibliothekarin Ranija Hemieda daran, dass sich das Haus täglich mit Leben füllt.

Ranija Hemieda, die seit 2017 hier arbeitet: „Wir sind ganz großartig aufeinander eingestellt und haben die gleiche Vision. Das ist wichtig, denn hier treffen Fachwissen Dienstleistungsbereitschaft und ein großes soziales Herz auf die Anforderungen, die unsere Besucher*innen mit sich bringen.“ Und hier geht es nicht immer in erster Linie um Bücher.

Neugestalteter Jugendbereich der Bibliothek

Neugestalteter Jugendbereich der Bibliothek

Der Renner der "Bibliothek der Dinge" ist eine Nähmaschine

Das zeigt sich im Foyer an der großen vollautomatischen Kaffeemaschine, die täglich wechselnd jeweils mit Hafer-,Soja- oder tierischer Milch bestückt wird. Den 1A-Kaffee gibt es in großen Tassen gegen Spende. „Das läuft auf Vertrauensbasis und tatsächlich klappt es ganz gut.
Die Kreuzbergerin, die jedem Morgen mit dem Fahrrad zur Arbeit ans Kottbusser Tor radelt beschreibt es so: „Wir sind hier der perfekte dritte Ort – der Ort zwischen Arbeit und Zuhause, so kommen zum Beispiel viele Schüler*innen gleichnach der Schule zu uns, um die Hausaufgaben zu erledigen, aber auch einfach, um sich ohne Konsumzwang zu treffen. “

Rund 95.000 Besucher*innen verzeichnet die verkehrsgünstig gelegene Bibliothek in der Adalbertstraße pro Jahr. Tendenz steigend. Gleich im Eingangsbereich werden diese mit den Spiegel-Bestsellern begrüßt. Begehrte Titel, daher mit einer begrenzten Ausleihfrist, damit möglichst viele die Neuausgaben leihen und lesen können. Dazu gesellen sich aktuelle Zeitschriften und Zeitungen, DVDs, Musik-CDs, Hörbücher und Brettspiele.

Und: „Die Bibliothek der Dinge natürlich, die alle glücklich macht. Denn hier verleihen wir zum Beispiel Boule-Kugeln, unterschiedliche technische Geräte und Slacklines für Parknachmittage. Unser Verleih-Renner ist die Nähmaschine. Die ist immer verliehen, es gibt sogar Vorbestellungen. Auch ein Akten-Schredderer ist sehr gefragt.“ Alles Dinge, die Nutzer*innen nicht täglich benötigen, und die geteilt werden können. Gleichzeitig sind es Objekte, die nicht unbedingt in einer Bibliothek vermutet werden.

Der geräumige Kinder- und Kleinkindbereich bietet viel Platz für Kita-Gruppen zum Spielen und Vorlesen

Der geräumige Kinder- und Kleinkindbereich bietet viel Platz für Kita-Gruppen zum Spielen und Vorlesen

Kita-Gruppen und Schulklassen sind herzlich willkommen

Spiel und Spaß sind wichtig, doch essentiell sei die intensive Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit. „Hier bieten wir Sprach- und Leseförderung an, dazu kommen täglich Kitagruppen und Schulklassen zu uns und nachmittags bieten wir den Schüler*innen eine professionelle Hausaufgabenhilfe. Dafür stehen täglich zwei Honorarkräfte zur Verfügung, die die Schüler*innen beim Lernen unterstützen.“ Zum gemeinsamen Arbeiten und Lernen in der Gruppe steht im Erdgeschoss ein Gruppenarbeitsraum zur Verfügung.

„Wir wollen noch viel mehr Menschen in unser Haus ziehen. Derzeit befragen wir unsere Gäste, was sie sich von uns und unserer Bibliothek wünschen und wie wir unsere Räumlichkeiten optimal gestalten können. Jede Woche stellen wir eine neue Frage, und die Ergebnisse lassen wir in unsere geplante Neugestaltung einfließen.“ In der ersten Etage, der Kinder- und Jugend-Bibliothek wurde bereits umgebaut. Hier ist alles neu gemacht, es gibt eine gemütliche Gaming-Zone mit Playstation zum Zeitverbringen und die Möbel sind auf Rollen gesetzt, so dass der Raum innerhalb von fünf Minuten zu einem Veranstaltungsraum umgebaut werden kann. Denn in der Bibliothek gibt es auch ein buntes, kostenfreies Veranstaltungsprogramm mit Lesungen und Workshops für alle Altersklassen.

Das "House of Books" wurde aus abgelegten Regalteilen recycelt

Das "House of Books" wurde aus abgelegten Regalteilen recycelt

Beste Aussicht am Kotti

„Wir planen auch, die Erwachsenen-Bibliothek in der zweiten Etage nach den Bedürfnissen der Nutzer*innen neu zu gestalten”. Aber zuerst ist das Erdgeschoss dran, der Eingangsbereich wird im kommenden Jahr modernisiert. „Wir haben viel zu viel Tresenfläche, Die brauchen wir gar nicht so. Der riesige Tresen nimmt gerade im Raum an der großen Fensterfront zu viel Platz weg. Hier planen wir eine ansprechende, gemütliche Café-Atmosphäre. Denn es gibt kaum einen Ort hier am Kotti, der einen besseren Ausblick nach draußen bietet.“ Geplant ist auch die Begrünung der seitlichen Außenfassade.

„Ein weiteres Projekt auf das wir uns sehr freuen ist die Einführung eines*r Digital-Lotsen*in. Diese Stelle wird ab 2025 besetzt sein. Die Lots*in soll den Menschen den Einstieg in das digitale Leben und digitale Dienstleistungen ermöglichen. Und das wird auch älteren Menschen zugutekommen.“ bietet eine Honorarkraft an zwei Tagen in der Woche, jeweils für vier Stunden eine digitale Sprechstunde an. „Jede Person, die sich für die Sprechstunde anmeldet, hat den Mitarbeiter für eine volle Stunde ganz allein für sich. Da können dann die Fragen und Probleme mit viel Geduld und Empathie geklärt werden. “

Es gebe großes Interesse an den Sprechstunden, denn: „Viele Menschen sind vom digitalen Leben abgehängt, weil ihnen entweder die Fähigkeiten oder die technische Infrastruktur fehlen. Hier sehen wir unseren Auftrag, durch unser Team die digitale Teilhabe und Inklusion zu fördern.

Denn Ranija Hemieda und ihr großartiges Team wünschen sich Chancengerechtigkeit und Teilhabe für ihre Besucher*innen, in der Realität wie auch digital. „Es kann nicht sein, dass jemand der gerade wegen Eigenbedarf aus der Wohnung fliegt, sich nicht auf eine neue bewerben kann, weil keine Mail-Adresse vorhanden ist.“

Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg, auf den sich das engagierte Team gemacht hat. Ranija Hemieda ist sehr zufrieden: „Wir sind als Team, so wie wir sind, genauso wie unser Bezirk es ist. Bunt und divers.“