96 weiße Riesenpakete für die Helmuth-James-von-Moltke-Grundschule

Produktionshalle für den Holzmodulbau Grünau

Redaktionsbesuch in der Werkhalle

Ein Werkhallenbericht über nachhaltiges, modulares Bauen in der Praxis

„Werden für unsere neue Schule extra Bäume gefällt?“, fragte im Mai 2024 eine Schülerin der Moltke-Grundschule im Rahmen einer Werkstattwoche. Die Kinder sollten damals Modelle für ihren künftigen Schulhof basteln, der ab diesem Jahr in einen klima-angepassten Erholungs-, Bewegungs- und Lernort umgestaltet wird, finanziert über das Programm Nachhaltige Erneuerung.
Doch bevor eine Landschaftsbaufirma den finalen Entwurf in die Tat umsetzen kann, müssen die aktuellen Hochbaumaßnahmen auf dem Schulgelände beendet sein. Mit Mitteln des Bezirks wurde die Hausmeisterwohnung abgerissen und ein Holz-Mehrzweckgebäude errichtet. Auf dem südlichen Schulhof wird im März/April ein modularer Schulergänzungsbau in Holzbauweise (HOMEB) mit 16 neuen Unterrichtsräumen und einer Mensa errichtet.

Bevor dieser im Herbst bezogen wird, soll die Frage der Schülerin nach dem Woher dieser Holzmodule nicht unbeantwortet bleiben. Deshalb besuchten am 18. Februar Renate Bartsch (Stadtplanung Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf), Nadine Fehlert und Muriel Sejnenski (Gebietsbetreuung JMP) sowie die CHARLIE-Redaktion die Grünauer Montagehalle der Firma Kaufmann Bausysteme. Die hatte 2020 von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung den Großauftrag als Generalunternehmer für die schlüsselfertige Übergabe von 32 HOMEBs erhalten. Außerdem erhielt die Firma 2023 den Zuschlag für bis zu 10 Holz-Compartmentschulen (HOCOMP), die als Grund- oder Integrierte Sekundarschule, jeweils mit einer Dreifeld-Sporthalle, realisiert werden.

Taktstrasse mit den gestapelten Modulen vor dem Abtransport

Blick in die Taktstraße mit den bereits eingeschweißten, transportbereiten Holzmodulen

„21 HOMEBs stehen schon und zwei produzieren wir derzeit. Seit gestern montieren wir genau Ihre Raummodule für die Helmuth-James-von-Moltke-Grundschule“, begrüßt Sebastian Möbius die Gruppe am Werkstor. In der Halle – in der früher Betonfertigteile für den seriellen Plattenbau in Hellersdorf und Hohenschönhausen gegossen wurden – arbeiten die 35 Kollegen jedoch nicht nur für die Berliner Schulbauoffensive. So wurden die Module für die zusätzlichen Abgeordnetenbüros des Bundestags („Luisenblock West“) hier gefertigt und auch der Bundespräsident wird während der bevorstehenden Generalsanierung seines Dienstsitzes in einem Holzmodulgebäude aus Grünau arbeiten. Das Berliner Werk ist der zweite Produktionsstandort des österreichischen Familienbetriebes, der ganz auf den Holzmodulbau gesetzt hat und damit sehr erfolgreich ist. „Die Fichten, die wir für die Produktion verwenden sind alle PEFC zertifiziert und somit aus aktiver, sorgfältiger, nachhaltiger und klimafitter Waldbewirtschaftung und Holzverarbeitung“, erklärt Geschäftsführer Christian Kaufmann.

Birds-Eye-Tablet mit dem Digitalen Zwilling

Sebastian Möbius kann auf seinem Produktions-Tablet jeden Montage-Schritt und die Herkunft aller Lieferteile nachvollziehen. Jedes Modul hat einen digitalen Zwilling.

Bevor der Rundgang durch die Taktstraßen beginnt, zeigt Sebastian Möbius sein Lieblingswerkzeug: das Produktions-Tablet. „Hier sehen Sie ein Raummodul in 3D. Ich kann es drehen, herauszoomen und erhalte auf Klick alle Daten zu den verwendeten Bauteilen. 70 Prozent aller Teile bestehen aus Holz, der Rest aus Metallen und Glas. Für das nächste Modul sind alle Arbeitsschritte noch rot unterlegt, stehen also auf der To-Do-Liste. In einer Stunde, wenn das Modul B4.0 eingepackt ist, müssen alle Schritte grün markiert sein“, erklärt der Polier die von seiner Firma mit entwickelte Software. „Jeder Mitarbeiter hat ein solches Tablet, scannt die QR-Codes der von ihm verbauten Teile ein und klickt am Schluss seinen Arbeitsschritt als erledigt an.“ Diese selbsterklärende App ist auch ein Grund dafür, warum hier Menschen aus halb Europa, darunter aus der Ukraine, gemeinsam einfach arbeiten können. Ohne diese serielle und konsequent digitalisierte Bauweise wäre die Produktion von acht Modulen pro Tag und eine angestrebte Gesamtbauzeit von vier Monaten undenkbar.

Die querverleimten massiven Fichtenholzplatten mit dem Öko-Siegel PEFC 1 werden bereits in Österreich computergesteuert zugeschnitten und ausgefräst. Unmöglich, dass ein Teil nicht zum anderen passt, denn die heutigen Zuschnitte haben eine Toleranz von unter einem Millimeter. In der ersten Taktstraße bauen die Monteure die bodentiefen Holz-Alu-Fenster samt Kasten fürs Rollo und der elektronischen Steuerung zum automatischen Öffnen ein.

Taktstraße mit Schienensystem

Ein Schienensystem am Boden erleichtert den Transport der Holzelemente zu den einzelnen Arbeitsstationen.

In der gegenüberliegenden Taktstraße verankert ein anderes Team die Wände auf den jeweiligen Holzboden der Teilmodule. Drei Teilmodule bilden üblicherweise ein Klassenzimmer, einzelne können auch als Vorbereitungs- oder Teilungsraum dienen. In Rekordzeit schraubt ein Mitarbeiter die Steckdosen ein, ein anderer befestigt die Blindrohre für die künftigen Kabelverbindungen, ein dritter montiert bereits die Deckenheizkörper. Deckenheizkörper? „Ja, wir lassen die Luft zirkulieren und gewinnen durch das innovative Heizungs- und Lüftungssystem zusätzlichen Raum. Überhaupt haben unsere Architekten um jeden Zentimeter gefeilscht. So brauchen wir für den Transport der fertigen Module kaum Sonderfahrzeuge, für die ganze Straßen gesperrt werden müssen“, betont Sebastian Möbius.
Während sich die Zahl der erledigten Arbeitsschritte auf seinem Tablet im Minuten-Takt erhöht, ist Gelegenheit, Fragen nach dem Schallschutz, der Lebensdauer und dem Pflegeaufwand zu stellen. „Der Schallschutz wird großzügig mitgedacht und gerade befestigen die beiden Kollegen schallabsorbierende Elemente an der Decke. Zwischen die später aufeinander gestapelten Etagen kommt zusätzliches Füllmaterial, das die Übertragung von Schwingungen deutlich reduziert“, erklärt Sebastian Möbius. „Wie wirkungsvoll diese Art von Dämmung ist, bestätigen uns die Lehrerinnen und Lehrer in den schon fertig gestellten Schulen.“ Für die Wartung hat jedes Modul von außen einen Revisionszugang, sodass Reparaturen ohne großen Aufwand möglich sind. Natürlich lassen sich alle Module wieder in ihre Bestandteile zerlegen, wenn diese nicht mehr benötigt werden.

Deckenaufbau mit schallabsorbierenden Elementen

Der Einbau der schallabsorbierenden Elemente, Leuchten und Rauchmelder. Im nächsten Schritt werden die Deckenheizkörper eingehängt.

Im vorletzten Arbeitsgang legen zwei Kollegen schon die Kabelrollen (Internet, Strom) für die jeweilige Etage in das nun zu 90 Prozent vorgefertigte Modul, sodass später auf der Baustelle bereits alles griffbereit ist. Am Schluss wird es in weiße Folie eingeschweißt und zu den bereits transportfertigen Modulen gerollt.

96 weiße Riesenpakete gehen demnächst auf die Fahrt nach Charlottenburg-Nord, wo sie innerhalb von 10 Tagen zu einer modernen Schule mit einer Alufassade zusammengeschraubt werden. In dieser Zeit verlegen die Handwerker noch die Fußböden, lasieren die Innenwände, richten die Klassenzimmer mit Möbeln und die Küche in der Mensa ein. Am Schluss überreicht die Firma zusammen mit dem Schlüssel fürs fertige Schulhaus auch einen USB-Stick, auf dem die Lieferketten und die digitale Dokumentation der Herstellung für alle Module abgespeichert sind.

Übrigens: Die weiße Verpackungsfolie lässt die Firma recyceln, neu produzieren und als große Rolle wieder nach Grünau liefern, denn dort warten ja schon die nächsten Holzmodule auf ihre endgültige Bestimmung.

1 PEFC-Zertifizierung für nachhaltige Waldbewirtschaftung: Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes”