Hejdå!

Garderobe

Ein letztes Mal der Präsentation einer Kollegin lauschen, eine letzte gemeinsame Fika, die Kontakte werden ausgetauscht und nun ist mein Aufenthalt in der Stockholmer Arbeitsmarktverwaltung vorbei. Ein aufregend Zeit und ich bin meinen beiden Stockholmer Koordinatorinnen unglaublich dankbar für den Aufwand und die Zeit die sie in meine Hospitation gesteckt haben.

In meiner letzten Woche habe ich einen Tag ein Vorbereitungsprogramm besucht, dass eine Kombination zwischen Sprachunterricht (in bestimmten Berufsfeldern), Bewerbungstraining und Praktikum ist. Das Praktikum umfasst eine sechs-wöchige Probephase mit der Möglichkeit anschließend einen 6 bis 12-monatigen Vertrag für ein Praktikum abzuschließen. Der neue Ansatz ist, dass die Teilnehmenden eine Betreuung durch schwedische und herkunftssprachliche Mentor*innen bekommen. Diese sind sowohl Ansprechpartner*innen für die Teilnehmenden, als auch für die Firmen, die die Praktika anbieten. Aufgabe der Mentor*innen ist durch wöchentliche Follow-Up E-Mails und monatliche Besuche den Fortschritt der Teilnehmenden zu dokumentieren und gleichzeitig bei Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Beteiligten zu vermitteln. Die Praktika werden ausschließlich in stadteigenen Firmen absolviert, da die Teilnehmenden ein Gehalt erhalten. Die Ideen dahinter ist es Zugewanderten eine erste Erfahrung auf dem schwedischen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, Netzwerke zu knüpfen und gleichzeitig die Arbeitgeber*innen auf potenzielle Arbeitnehmer*innen aufmerksam zu machen.

Ein interessantes Konzept, mit dieser und vielen anderen Ideen, ist es Zeit Abschied zu nehmen. Langsam setzt sich ein differenziertes Bild der schwedischen Gesellschaft und deren Umgang mit dem Thema Migration zusammen. Ich bin überrascht wie oft hier ein durchweg positives Bild von Deutschland mit der Zuwanderung seit 2015 gezeichnet wird. Anders als in Deutschland, wo die Diskussion beim Thema Migration hochemotional geführt wird und sich die Meinungen offenkundig stark unterscheiden, sind die Töne in Schweden leiser und erst nach vielen Gesprächen erschließen sich mir die Nuancen. Das hat zum einen mit der unterschiedlichen Kultur in Bezug auf das Üben von Kritik sowie mit dem Selbstverständnis vieler Schwed*innen, das stark von liberalen und humanitären Auffassungen von Asyl und Migration geprägt ist, zu tun.

Auch hier gilt vielen das Jahr 2015 als eine Zäsur. So sind auch in Schweden kritische Stimmen zu vernehmen, zum einem dass der Asylprozess zu lange dauert (nicht selten 2-3 Jahre) und über die separate Unterbringung von Asylbewerber*innen z.B. in Nordschweden. Als problematisch wird wahrgenommen, dass Asylbewerber*innen kein Recht haben einen SFI-Kurs zu besuchen oder ihren Integrationsprozess zu beginnen. Ebenso verschaffen sich Stimmen Gehör, dass Schweden sich an Deutschland orientieren sollte, indem es mehr von Zugewanderten verlangen und die Pflichten und Anstrengungen für jedes einzelne Individuum deutlich strikter werden sollen.
Das Feld der starken Segregation in einigen Bezirken und der damit einhergehende strukturellen Diskriminierungen sind aus Berliner Perspektive äußerst problematisch. Daten bestätigen, dass die Segregation eher zunimmt und mir scheint, dass weder die Verwaltung noch die Politik in Stockholm Konzepte haben, um diesen Zustand grundlegend zu ändern.

Viele Aspekte der Verwaltung in Bezug auf Integration wie der Empfang in den Unterkünften, sowie der sehr gut organisierte Ablauf der Unterbringung durch die Kommune sind inspirierend. Auch die Kollaboration zwischen der nationalen Behörde und der Arbeitsmarktverwaltung sowie zwischen NGO’s und Verwaltung bei verschiedenen Projekten (z.B. Svenska med Baby) sind ein Ansporn für Berlin. Außergewöhnlich ist, dass jeder Person mit einer Aufenthaltserlaubnis in Schweden das komplette System der Erwachsenenbildung kostenlos zur Verfügung steht. Dies wird ganz im Sinne eines lebenslangen Lernens auch von einer Mehrheit in Anspruch genommen. Aus meiner Zeit in Stockholm nehme ich einen prall gefüllten Ideenstapel und Adressbuch mit zurück, digital versteht sich.

Neben der täglich stattfindenden Fika, dem sozialen Zusammentreffen bei Café und Kuchen, wird mir vor allem in Erinnerung bleiben, dass es in jedem Büro eine Garderobe gibt, wo jeder Mitarbeitende nicht nur seine Jacke ablegen kann, sondern ebenfalls die Schuhe, um dann in die Büroschlappen zu steigen. Probier’s mal Gemütlichkeit!

Friederike Krentz