Ehrenamtlich im Einsatz für den Gratulationsdienst

Roland Tischer

Roland Tischer ist in seinem Wohnkiez gut vernetzt. Das merkt man sofort. Während er am Gartentor in der Nähe der Landsberger Allee steht und die Besucherin zum Fahrradständer führt, kommt eine Nachbarin vorbei. Die beiden unterhalten sich kurz. Am Vortag waren die beiden gemeinsam bei der Getränkeversorgung des Marathons aktiv – es ist nur eine der ehrenamtlichen Tätigkeiten des Friedrichshainers. Für den ehrenamtlichen Dienst des Sozialamtes leitet er die Gratulationsgruppe Soko F2. Das Team des ehrenamtlichen Dienstes gratuliert allen Bürger*innen über 80 zu runden und halbrunden Geburtstagen. Seit neun Jahren engagiert sich der 70-Jährige im Gratulationsdienst. Zu dieser Aufgabe kam er über Verwandte seiner Frau, die bereits in dieser Tätigkeit aktiv waren. Als er 2016 in den Ruhestand ging, suchte er nach Möglichkeiten, sich zu engagieren. Gleich mehrere Aufgaben fielen ihm dabei in den Schoß.

Geboren wurde er in der brandenburgischen Lausitz. Kontakt in seinen Heimartort, der 30 Kilometer von Dresden entfernt ist, hat Roland Tischer bis heute. Nach der Schule absolvierte er eine Ausbildung als Instandhaltungsmechaniker im Braunkohlentagebau und machte parallel das Abitur. Zum Studium der Volkswirtschaftslehre kam er in den 1970ern nach Berlin. Dort lernte er in der Seminargruppe seine Frau kennen. Seit 46 Jahren sind die beiden verheiratet. Nach dem Studium zog das Paar nach Friedrichshain und wohnte hier in verschiedenen Wohnungen. Der Rentner hat zwei Kinder und zwei Enkelkinder, die alle in Weißensee leben.

Auch seine Ehefrau engagiert sich ehrenamtlich. Sie ist in der VVN/BdA aktiv und engagiert sich in der Erinnerungsarbeit. Aktuell ist sie auf einer Bildungsreise in Polen, wo Angehörige in einem Vernichtungslager der Nazis ermordet wurden.

Gärten der Welt

Gärten der Welt

Vielfältiges Engagement

Vor seiner Rente war Roland Tischer im Schulbuchverlag Cornelsen im kaufmännischen Bereich tätig. Mit dem Beginn des Ruhestands suchte er nach ehrenamtlichen Aufgaben. Über die 2017 in Berlin stattfindende Internationale Gartenbauausstellung (IGA) kam der Friedrichshainer an sein Ehrenamt in den Gärten der Welt. Die Freiwilligenagentur Marzahn suchte damals Helfer*innen für die IGA. Auch nach Ablauf des IGA-Jahres blieb Roland Tischer den Gärten der Welt als Parkguide treu. Jeden Monat übernimmt er ein bis zwei Halbtagesdienste am Wochenende, um dort Besucher*innen bei der Orientierung in der Parkanlage zu unterstützen. Sein drittes Ehrenamt ist die Öffentlichkeitsarbeit bei pro seniores e.V. Der Verein zur Förderung der Seniorenuniversität Berlin veranstaltet Kurse, Seminare und Vorlesungen zu unterschiedlichen Themen für ältere Menschen. Sporadisch unterstützt er zudem noch Sportevents wie den Marathon als Volunteer.

„All meine ehrenamtlichen Tätigkeiten haben sich eher zufällig ergeben. Für keine dieser Aufgaben habe ich extra geforscht. Aber das sind meine Ämter. Die mag ich so.“ Mehr solle es jedoch nicht werden. Die drei Aufgabenfelder reichten für ihn völlig aus. „Man braucht ja auch noch ein bisschen Zeit für sich, die Familie und die Hobbys.“ Seine Enkelkinder sind regelmäßig zu Besuch. Auch in den Ferien übernehmen Roland Tischer und seine Frau häufig die Betreuung. Mit seinem Enkelsohn geht er gern zu Sportveranstaltungen. Die Enkeltochter besucht eine Schule in der Nähe und kommt auch schnell mal vorbei, wenn Unterricht ausfällt.

Konzerthaus Berlin Außenansicht

Kultur und Fahrradtouren in der Freizeit

Wenn Roland Tischer nicht gerade ehrenamtlich engagiert ist oder als Großvater im Einsatz, geht er gern mit seiner Frau ins Kino, Theater oder auf Konzerte, beispielsweise im Konzerthaus, wo seine Tochter arbeitet. Auch Fahrradtouren und Kiezspaziergänge macht der Friedrichshainer in seiner Freizeit gern. „Es gibt in Berlin auch nach mehreren Jahrzehnten hier immer noch so viel zu entdecken.“

Seine Ehrenämter brächten ihn mit sehr unterschiedlichen Menschen und Milieus zusammen – von Jung bis Alt sei alles dabei. Dadurch habe er ein großes Netzwerk und treffe öfter Bekannte. „Meine Tochter sagt immer zu mir: Du kennst überall Leute.“

Für den Gratulationsdienst erhält Roland Tischer vom Sozialamt die Informationen zu den Jubilar*innen sowie eine Summe Geld, um kleine Geschenke oder einen Blumenstrauß zu kaufen. Auf Basis der Informationen, die er vom Bezirksamt erhält, erstellt Roland Tischer eine Liste. Gemeinsam mit seinen drei ehrenamtlichen Teammitgliedern setzt er sich monatlich zusammen, um die rund 15 bis 20 Geburtstage für den nächsten Monat aufzuteilen und den Vormonat abzurechnen. Die Region, die Roland Tischer und seine Ehrenamtskolleg*innen im nordwestlichen Friedrichshain betreuen, reicht vom Platz der Vereinten Nationen bis zur Richard-Sorge-Straße. Mit ihrer Teamgröße seien sie gut aufgestellt. In anderen Regionen des Bezirks sehe das weniger gut aus. Die Gratulationen bereitet das Team vor, wird jemand nicht angetroffen, bekommt er*sie eine Notiz mit der Bitte um Rückmeldung. Nicht alle melden sich zurück.

Strausberger Platz

Unterstützung für ältere Nachbar*innen

Wenn Roland Tischer oder andere Ehrenamtliche vor Ort in den Wohnungen sind, schauen sie auch, ob die besuchten Personen einsam oder mittellos sind oder andere Hilfe benötigen. „Wenn wir feststellen, dass rechtliche oder soziale Unterstützung gebraucht wird, vermitteln wir an entsprechende Angebote.“ Auch Informationen zu Seniorenfreizeitstätten, Nachbarschaftszentren und anderen kommunalen Angeboten werden verteilt. Nur sehr selten stießen sie in ihrem Kiez auf Problemfälle. „Aber man muss dazu sagen, dass sich ja nicht alle bei uns zurückmelden und wir auch nicht alle zu Hause antreffen.“ Die Besuche seien immer eine Art Wundertüte. „Ich weiß vorher meist nicht, ob mir jemand aufmacht, ob ich hereingebeten werde und was die Jubilare so zu erzählen haben.“ Überraschung, Freude und Dankbarkeit seien dabei angenehme Begleiterscheinungen.

Viele der älteren Bewohner*innen kamen als Erstbezug in die neuen Wohngebäude nördlich der Karl-Marx-Allee. Da sie inzwischen meist nur noch zu zweit oder allein in den damals als Familie bezogenen Wohnungen lebten, seien die Wohnungen inzwischen vielfach zu groß. Doch bezahlbare Alternativen seien nicht zu finden. Durch die Wohnungsbesuche bekämen die Ehrenamtlichen sehr private Eindrücke. Dabei treffe er viele sehr bewundernswerte Personen. Bei allen Gesprächen mit den alternden Geburtstagskindern komme man irgendwann auf das Thema zweiter Weltkrieg zu sprechen. Denn der habe die heute Hochaltrigen in ihrer Kindheit und Jugend nachhaltig geprägt.

Blumenstrauß

Viele wohnen seit Jahrzehnten in der gleichen Wohnung

Die Besuche verlaufen sehr unterschiedlich. „Mal sprechen wir mit dem Geburtstagskind nur ganz kurz im Flur, mal werden wir hereingebeten und es ergibt sich ein längeres Gespräch.“ Nur ein einziges Mal sei er an der Gegensprechanlage abgewiesen worden.

Bei den Besuchen erfahre man viel über die Geschichte Berlins und des Bezirks. Die meisten der Senior*innen, denen er zum Geburtstag gratuliert, seien in den 1960er und 1970er Jahren aus anderen Regionen der DDR nach Friedrichshain gekommen. „Viele waren in leitender oder spezialisierter Funktion berufstätig.“ Auch die DDR-Promidichte sei in diesem Teil Friedrichshains durch die Nähe zum Alexanderplatz recht hoch. Zu den berühmten Persönlichkeiten in diesen Kiezen gehörten Politiker, Wissenschaftler und Künstlerinnen, ein Skisprungweltmeister und eine Fernsehansagerin.

Durch seine Tätigkeit kenne er sich im Kiez inzwischen bestens aus. „Ich kenne hier jetzt wirklich jede Straße, jeden Hauseingang und weiß, wo die Klingeln und die Briefkästen sind.“

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EaD Friedrichshain-Kreuzberg
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