„Kreuzberg: Der erste Ort, an dem ich ohne Angst mein Haar offen tragen konnte.“

Simone Dede Ayivi, die Kreuzberger Theatermacherin ist Preisträgerin des 10. Silvio-Meier-Preises

Simone Dede Ayivi, die Kreuzberger Theatermacherin ist Preisträgerin des 10. Silvio-Meier-Preises

„Es sind gute Zeiten für Menschen mit Galgenhumor“, sagt Simone Dede Ayivi, die Preisträgerin des 10. Silvio-Meier-Preises. Als Kreuzberger Theatermacherin widmet sie sich in ihren Produktionen zahlreichen antirassistischen, postkolonialen und feministischen Themen. Freund*innen des bitteren Humors hören besonders aufmerksam zu, wenn ihre klare Stimme ertönt. Sie schätzen nicht nur ihre pointierte Sprache, sondern auch ihre Fähigkeit, in ihrer taz-Kolumne „Diskurspogo“ die Perspektiven ihrer Leser*innen auf ernste Themen auf erfrischende Weise zu erweitern.

Als Silvio Meier 1992 im Alter von 27 Jahren von Neonazis ermordet wurde, war Simone Dede Ayivi zehn Jahre alt. Sie wuchs in Hanau in einer Familie auf, in der es selbstverständlich war, die Stimme zu erheben, wenn Unrecht geschah. „Es gab keinen bestimmten Moment in meinem Leben, an dem ich politisch wurde. Ich war es einfach, und ich bin es bis heute“, erzählt sie. Sie berichtet von der antifaschistischen Tradition ihrer Familie. Dass ihr Urgroßvater als Sozialdemokrat mehrere Monate in Gestapo-Haft saß, hat die Familie über Generationen geprägt.

"Es ist selbstverständlich, zu demonstrieren und sich zu engagieren!"

„In meiner Familie war politisches Engagement in Vereinen und Parteien immer selbstverständlich. Besonders auf kommunaler Ebene. Wenn ich die Schule geschwänzt habe, um auf eine Demo zu gehen, war das nie ein Problem.“ Für Simone war es daher ganz selbstverständlich, zu demonstrieren und sich zu engagieren, wann immer es nötig war. Ebenso folgte sie ihrem Weg – über das Studium der Kulturwissenschaften und ästhetischen Praxis an der Universität Hildesheim – zur Regisseurin, ein Weg, der sich für sie ganz natürlich und richtig anfühlte.

„Ich bin eine Schwarze Frau, aus dieser Perspektive produziere ich Texte und mache Theater. Das ist meine Leidenschaft: Aktivistisch und künstlerisch setze ich mich mit Diskriminierung und Rassismus auseinander.“ Aus diesem Selbstverständnis heraus entspringt auch ihr Engagement für die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V., für Initiativen im Rahmen von „Black Lives Matter“ sowie für Projekte zur Dekolonisierung des öffentlichen Raums.

Lebensmittelpunkt und Zentrum ihres Wirkens ist seit 2009 Kreuzberg: „Kreuzberg ist mein Zuhause und der Ort an dem ich am längsten aktiv war. Ich bin dem Bezirk auch emotional sehr verbunden und freue mich deshalb besonders über die Auszeichnung!“

Der Silvio-Meier-Preis ist eine tolle Anerkennung für mein Wirken

Bisher ging sie davon aus, dass vieles von ihrem Schaffen ungesehen bleibt. Denn: „Die Leute, die organisieren, Räume vorbereiten, nötige Strukturen schaffen, Projekte antreiben und somit Ideen voranbringen und am Leben erhalten, werden oft nicht gesehen. Umso mehr freue ich mich über diesen Preis, der eine tolle Anerkennung für mein Wirken ist.“

Kreuzberg sei auch der erste Ort gewesen, an dem sie ohne Angst ihr Haar offen getragen habe: „Dieser Bezirk gibt mir so vieles, hier passen die Menschen aufeinander auf. Ich habe viele Situationen erlebt, die sicher anders ausgegangen wären, gäbe es nicht die beherzten Kreuzberger*innen. Wir haben hier starke Nachbarschaften, wohlwollende Hausgemeinschaften, die nicht zulassen, dass anderen vor ihren Augen etwas Schlechtes widerfährt. Darauf verlasse ich mich. Deshalb bin ich hier. Und dafür bedanke ich mich.“

"Erstaunlich, was Menschen schaffen können, wenn sie zusammenhalten!"

In den letzten Jahren engagierte sich die gebürtige Hessin für die Lause , ein Gewerbe- und Wohnausprojekt in der Lausitzer Straße 10 und 11. „Wir haben als Mieter*innen gemeinsam und solidarisch die Häuser dem Markt entziehen können. Das war nicht leicht. Es ist erstaunlich was Menschen schaffen können, wenn sie trotz aller Unterschiedlichkeit zusammenhalten.“ Wir haben Räume für Handwerk, politische Initiativen, Kunst und Kleingewerbe erhalten und neue geschaffen.

Langweilig werde ihr nie – „Oder besser: Mir wird schnell langweilig, dann kommen mir die besten Ideen. Und damit starten dann meistens neue Projekte.“ Zum Beispiel ihre neue Performance, deren Premiere in den Berliner Sophiensælen stattfand. Gemeinsam mit ihren Kompliz*innen, „einem Netzwerk aus netten Leuten mit außerordentlichen Kompetenzen“, entstehen Arbeiten wie ihr aktuelles Stück „Hä?!“ über das Verstehen und Missverstehen in der Migrationsgesellschaft.