Welttag des Baumes

Anja Henke

Anlässlich des heutigen Welttages des Baumes haben wir mit der Leiterin des Baummanagements im Bezirksamt über den Zustand der Stadtbäume in Friedrichshain-Kreuzberg gesprochen. Anja Henke hat in Göttingen und Berlin Arboristik und Urbanes Pflanzen- und Freiraum-Management studiert. Anschließend arbeitete sie in den Bereichen Bauleitung, Baumkontrolle,
Systemadministration Baumkataster und Projektmanagement. Seit 2018 ist sie Gruppenleiterin des Baummanagements im Straßen- und Grünflächenamt.

Wie geht es den Bäumen in Friedrichshain-Kreuzberg?

Ich würde Ihnen gerne zum Tag des Baumes etwas Anderes sagen, aber unseren Bäumen im Bezirk geht es leider nicht sehr gut. Sie leiden sehr unter den klimatischen Veränderungen und der extremen Dürre der letzten Jahre. Zusätzlich sind wir der am dichtesten besiedelte Bezirk Berlins mit 7,2 Einwohnern pro öffentlichen Baum mit insgesamt knapp 40.432 Bäumen in meiner Verantwortung (Stand 04.01.2022) und der Raum für die Bäume ist sehr begrenzt.

Warum ist die Situation so dramatisch?

Die Situation ist so dramatisch, weil Bäume Langzeitstrategen sind und sich nicht schnell auf sich ändernde Bedingungen einstellen können, sowie auch wir als Verwaltung nicht Personal und Geld herbeizaubern können. Berlin hat mit Abstand die meisten Hitzetage über 30 Grad Celsius. Es mangelt zur richtigen Zeit überall an Wasser und es fehlen größere Ansätze für innerstädtische Umbauten, die es ermöglichen, das Regenwasser gezielt zu halten und zur Verfügung zu stellen.

Es wird immer wieder gefordert, klimaresiliente Bäume zu pflanzen. Dabei wird der Begriff häufig falsch verwendet, weil Klimaresilienz die Widerstandsfähigkeit sozial-ökologischer Systeme gegenüber Folgen des Klimawandels beschreibt. Was wir benötigen, ist eine größere und langfristigere Sichtweise auf die aktuellen Probleme unserer Bäume UND ihrer Standorte, insbesondere ihrer Wurzeln, vor allem die Verfügbarkeit von durchwurzelbarem Raum, Wasser und Nährstoffen.

Dementsprechend gehören der Baum und sein nachhaltig gesicherter Standort, der es dem Baum überhaupt erst ermöglicht an dem Standort dauerhaft zu überleben und zu gedeihen, untrennbar zusammen. Solange der Standort und die Baugrube vom Baum entkoppelt betrachtet werden, sowie wir die Bäume einzeln betrachten und nicht ganze Quartiere zusammen, bekommen wir in Berlin das Problem nicht in den Griff.

Leider bieten viele der Standorte diese Bedingungen nicht und müssen aufwendig und kostenintensiv hergestellt werden, falls es überhaupt möglich ist, da häufig aufgrund der Leitungen und der aktuellen gesetzlichen Regelungen keine neuen Bäume gepflanzt werden dürfen. Nur die aktuellen Bäume haben Bestandsschutz. Die Böden sind über und über mit Leitungen und Bauwerken (Strom, Gas, Telefon, Wasser, Abwasser, Fernwärme, U-Bahntunneln, Tiefgaragen, Entwässerungssystemen etc.) belegt.
Die Bäume stehen mehr oder weniger in viel zu kleinen „Blumentöpfen“ und werden im ständigen Wechsel aufgegraben und eingeengt.

Dass das „alte“ Prinzip nicht mehr greift wird spätestens dann klar, wenn man sich das durchschnittliche Alter der Bäume ansieht und mit dem Alter der Bäume vergleicht, die abgestorben sind.

Es handelt sich bei unseren bezirklichen Bäumen um sehr junge Bäume, die aktuell durchschnittlich ihr biologisches „Altbaumalter“ nicht erreichen. Zudem wurden bereits ein Viertel der Bäume, die zwischen 2001 und 2021 gepflanzt wurden, bereits wieder gefällt und nur ein Drittel der Jungbäume wird als „gesund“ eingestuft. Wir verlieren somit nicht nur unsere schönsten und ältesten Bäume, sondern, wenn auch optisch nicht so ersichtlich, die Zukunft unseres Baumbestandes – und das trotz Pflege und Wässerung.

Wie geht das Baummanagement mit dieser Situation um?

Mein Team besteht aktuell insgesamt aus sechs Baumkontrolleurinnen und -kontrolleuren, vier Ingenieurinnen und Ingenieuren und mir. Wir bekommen jedoch regelmäßig Unterstützung der Kolleg*innen des Fachbereichs Straßen sowie der Grünflächenunterhaltung und Planung des Fachbereichs Grünflächen. Aktuell stellt sich die Situation so dar, dass sämtliche zur Verfügung stehenden Mittel für die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit verausgabt werden, sodass wenig Spielraum für Zukunftspläne existiert – leider. Baumpflanzungen sind kaum möglich, die Gelder reichen einfach nicht aus. Zudem sind die zur Verfügung gestellten Mittel seitens der Senatsverwaltung für Straßenbäume zuletzt deutlich angehoben worden, die der Grünanlagenbäume und Bäume auf sonstigen Flächen, wie beispielsweise die der Schulen, aber nicht. Bei 16.500 Straßenbäumen und rund 18.400 Grünanlagenbäumen sowie etwa 5.600 Bäumen auf Flächen anderer Träger spitzt das die Krise daher weiter zu.

Welttag des Baumes

Was bräuchten Sie, um die Bäume besser zu schützen?

Im Zuge der generellen Entwicklung der Infrastruktur bedarf es dringend einer größeren „grünen Lobby“ und Berücksichtigung der Belange der Bäume in den entsprechenden Gremien, Gesetzen, Verordnungen, DIN-Normen und Richtlinien.

Für den Querschnitt einer Straße gibt es „Mindestabstände“- für Autos, Fußverehr, Radverkehr, Leitungen zu Bäumen und so weiter. Die Bäume benötigen aber auch einen „Mindestabstand“ und Mindestraum, um überlebensfähig zu sein.

Auch das Verhalten von uns allen entscheidet wesentlich über den Gesundheitszustand unserer Bäume. Durch Hundeurin, Tausalze, Vandalismus und ständiges Überlaufen des Wurzelbereichs und die dadurch verursachte Verdichtung wird der Baum geschwächt.

Was können die Bürger*innen für die Bäume tun?

Wir benötigen aktuell dringend Hilfe bei der Wässerung unserer Bäume. Nach dem Motto „jeder Tropfen zählt“ sind wir für jede Hilfe dankbar. Helfen Sie uns, Baumfrevler zu identifizieren und zu stoppen. Machen Sie Beweisfotos und melden uns Baustellen, bei denen der Baumschutz auf Baustellen nicht berücksichtigt wird (siehe auch Berliner BaumSchVO).

Für mich persönlich: Haben Sie Verständnis für uns, denn es ist unser wichtigstes Anliegen, den Baumbestand langfristig zu erhalten und zu entwickeln sowie Ihre und unsere Sicherheit zu gewährleisten. Dafür ist es aber leider auch notwendig, Bäume zu beschneiden, einzukürzen oder zu fällen. Es wird grundsätzlich sehr sorgfältig geprüft und abgewogen, ob eine Entnahme des Baumes notwendig ist. Wir fällen nicht gerne, sondern haben uns für unseren Beruf entschieden, um genau das Gegenteil zu erreichen. Haben Sie Verständnis dafür, wenn wir Bäume aus Verkehrssicherungsgründen fällen, denn Vitalität und Verkehrssicherheit eines Baumes hängen nicht immer unbedingt zusammen. Ein Baum kann komplett hohl sein und trotzdem grün, da sich die Wasser- und Assimilate (Produkte der Photosynthese) leitende Bahnen im äußeren Bereich eines Stammes befinden.