Digitaler Bürgermeister-Fachaustausch Berlin – Istanbul am 23. Juni 2021

Fachaustausch Berlin - Istanbul

So lang wie die Geschichte der Städtepartnerschaften in Deutschland ist, so kurz ist die Geschichte der digitalen Partnerschaftsarbeit. Partnerschaften haben Menschen zu Freunden über Grenzen hinweg zusammenwachsen lassen und in Zeiten der Pandemie können digitale Formate die Partnerschaften lebendig halten und zu innovativen Entwicklungen beitragen.

Der Bezirksbürgermeister von Mitte, Herr Stephan von Dassel, der stellv. Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Herr Knut Mildner-Spindler, der Bürgermeister von Istanbul-Beyoğlu, Herr Haydar Ali Yıldız und der Bürgermeister von Istanbul-Kadıköy, Herr Şerdil Dara Odabaşi trafen sich am 23. Juni 2021 zu einer zweistündigen Videokonferenz, um voneinander zu lernen und um ähnliche Herausforderungen und Lösungsansätze zu besprechen. Im Mittelpunkt des Austauschs stand das Gemeinwohl in den Partnerbezirken. Angesprochen wurden die Auswirkungen der Klimakrise, die der Pandemie, Nachhaltigkeit und vieles mehr, eingebettet in das Thema Nutzung des öffentlichen Raums in Großstädten: Herausforderungen und Strategien im Umgang mit ihnen.

Alle Teilnehmenden begrüßten die Möglichkeit, sich nach langen Monaten der pandemiebedingten Einschränkungen durch das digitale Format in einen thematischen Austausch mit ihren Partnern zu begeben und diesen Kreis durch die Einbeziehung anderer Großstadtbezirke zu erweitern. Eine im technischen wie auch im zwischenmenschlichen Sinne digitale Vernetzung der Verantwortlichen und der beteiligten Fachleute. Die übergeordnete Fragestellung des FachAustauschs sollte lauten: Wie gestalten wir unsere Bezirke? Was können wir von den Erfahrungen der jeweiligen Seite lernen und für unseren Bezirk mitnehmen? Welche neuen Herausforderungen gab es pandemiebedingt und wie wurden sie angegangen?

Der Mangel an Grünflächen in den Großstadtbezirken kristallisierte sich sehr schnell als eine Gemeinsamkeit heraus. Es den Menschen dennoch zu ermöglichen, solche Flächen zu nutzen, z.B. durch die Gewinnung neuer Flächen, die Erweiterung von bestehenden Flächen und zum Beispiel die Einrichtung von Gärten auf nicht genutzten Flächen, konnte ebenfalls als gemeinsames Ziel festgehalten werden.

Der Bezirk Mitte hat verglichen mit seinem Nachbarbezirk Friedrichshain-Kreuzberg und den Istanbuler Bezirken zwar mit dem Großen Tiergarten (angelegt bereits 1527) eine große zusammenhängende Parkanlage, aber auch hier muss sich der Bezirk und der Fachbereich Grünflächen immer wieder aufs Neue der Herausforderung stellen, die Wechselwirkung von Pflege und Nutzung in der heutigen Stadtgesellschaft ausgleichend zu berücksichtigen. Im zweiten Weltkrieg wurde der Tiergarten stark beschädigt, in der Nachkriegszeit die noch verbliebenen Bäume von der Bevölkerung gefällt, da es damals an Brennholz im Winter mangelte. Auf den freien Flächen wurden Kartoffeln und Gemüse angebaut. 1949 begann die Wiederaufforstung des Tiergartens und viele Städte spendeten Bäume, ohne die das Projekt nicht möglich gewesen wäre. Heute wird anhand des Parkpflegewerks – damit sind restaurative Maßnahmen und Konzeptionen für eine langfristig vorausschauende Pflegeplanung gemeint – und durch das Instrument der Gartendenkmalpflege die nachhaltige Sicherung des Gartendenkmals Großer Tiergarten betrieben.

Aus Istanbul-Kadıköy wurde die Idee der Umwidmung ungenutzter, brachliegender Flächen vorgestellt. Alle übrigen freien Flächen sind bereits bebaut. Während unter der Woche die Einwohner*innenzahl bei ca. 500.000 liegt, steigt sie am Wochenende auf etwa 2 Millionen Menschen an, so dass sich ein dringender Handlungsbedarf ergab. Die nächsten Ziele richten sich vor allem auf die Schaffung grüner Korridore innerhalb des Bezirks. Dazu muss die Infrastruktur angepasst und die Wege der Infrastruktur durch direkte Verbindungen verbessert werden. Qualität und Quantität der Gebiete mit Grünflächen werden ganzheitlich betrachtet. Brachliegende Flächen können dadurch für die Bürgerinnen und Bürger erschlossen werden und z.B. in neue Versammlungsstellen, Spielplätze, kleine Parks o.ä. umgewandelt werden; so können Erholungsflächen in Kombination mit Dienstleistungsangeboten für die gesamte Bevölkerung ermöglicht werden. Bürgermeister Odabaşi ist außerdem dem Konvent der Bürgermeister für Klima und Energie (Covenant of Mayors) beigetreten. Die beteiligten Städte verpflichten sich freiwillig zur Steigerung der Energieeffizienz, Co²-Reduktion und Nutzung nachhaltiger Energiequellen.

Aus dem Bezirk Istanbul-Beyoğlu wurde ebenfalls von der starken Nutzung der Grünflächen und des öffentlichen Raums durch die Bevölkerung berichtet. Während unter der Woche die Einwohner*innenzahl bei ca. 2 Millionen Menschen liegt, erreicht sie am Wochenende bis zu 3,5 Millionen Menschen. Wie Kadıköy ist auch Beyoğlu als Kulturbezirk bekannt. Die Vision von Bürgermeister Yıldız ist die Erhöhung der Anzahl von Parks und deren Gestaltung. In den letzten zwei Jahren wurden bereits 18 neue Gärten geschaffen; bis zu 70 sollen es bis 2023 werden. Außerdem hat der Bezirk ein Projekt zur Erhaltung alter Olivenbäume gestartet. Für jedes neugeborene Kind wird ein Olivenbaum gepflanzt. 1370 davon gibt es bereits, bis zum Ende der Amtszeit von Bürgermeister Yıldız sollen es 8000 sein. Und am Goldenen Horn, dem ca. 7 km langen Meeresarm am Bosporus, wird außerdem ein 350 m² großes Regenerationsgebiet entlang des Ufers geschaffen, dass mit einer Promenade und verschiedenen Aktivitäten eine Verbindung zwischen Grünflächen und Meer und den Menschen schaffen soll.

Auch in Friedrichshain-Kreuzberg herrscht wie in den beteiligten Partnerbezirken Flächenknappheit. Daraus entstand ein Handlungsdruck, die vorhandenen Flächen im Öffentlichen Raum z.B. beim Thema Sicherheit für Radfahrende zu überdenken. 2020 wurden kurzfristig Pop-Up-Radwege in Friedrichshain-Kreuzberg eingerichtet. Diese sollen Radfahrerende vor dem Autoverkehr schützen. Erreicht wurde dies in der Regel durch Umwidmung des rechten Fahrstreifens oder eines vormaligen Parkstreifens. Eine Auswertung des Nutzungsverhalten der neuen Fahrradwege ergab bereits eine Zunahme des Radverkehrs um mehr als 25%. Die Nutzung des Öffentlichen Raumes während der Pandemie war außerdem Thema bei den im Anschluss vorgestellten Beispielen. Um die Abstands- und Hygienevorschriften einhalten zu können, wurde im Bereich der Außengastronomie die Genehmigung der Nutzung von Parkflächen als zusätzlicher Aufenthaltsraum generiert. So sind bisher 150 Schankgärten im Straßenland entstanden. Auch bei den Wochenmärkten wurde die Nutzung auf die angrenzenden Straßen ausgeweitet, diese für den KFZ-Verkehr gesperrt und somit mehr Platz für die Bürgerinnen und Bürger geschaffen. Als Beispiel für die klimagerechte Straßengestaltung wurde die temporäre Klimastraße in der Danneckerstraße in Friedrichshain als eine von vier Fuß- bzw. Klimastraßen des Bezirks vorgestellt.

Fazit des Austauschs: Wie die Bezirke die Stadt und den öffentlichen Raum gestalten ist ein gemeinsames großes Thema. Umwelt- und Umweltschutz, städtischer Verkehr und Infrastruktur sind dabei wichtige Handlungsfelder, die alle Partnerbezirke und deren Bürgerinnen und Bürger betreffen und die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen und deren Verwaltungen aufgrund des begrenzten Raumes vor Herausforderungen stellen. Je nach den vorhandenen Bedingungen werden diese Herausforderungen durch innovative Projekte angegangen, um für die Mitmenschen ein bestmögliches und nachhaltiges Angebot zu schaffen.

Ansprechpartnerinnen
Heike Fischer
Beauftragte für Städtepartnerschaften Berlin Friedrichshain-Kreuzberg
Telefon: (030) 90298-2039
E-Mail: heike.fischer@ba-fk.berlin.de

Marina Mantay
Europabeauftragte Berlin Mitte
Telefon: (030) 9018 32749
E-Mail: Marina.Mantay@ba-mitte.berlin.de