Hartnäckige Falschmeldungen zu unseren Einstellungsvoraussetzungen und der Situation an der Polizeiakademie

Übergabe der Einstellungsurkunde

Die Audio-Nachricht eines Sanitäters, in der dieser mangelnde Disziplin und fehlenden Respekt in der Klasse, insbesondere durch Auszubildende mit Migrationshintergrund, beklagt, führte erneut zu einer Debatte über die Qualität unseres Nachwuchses. Der Verfasser der Nachricht hat seine individuelle Wahrnehmung durch seinen kurzen Einblick im Rahmen eines Erste-Hilfe-Seminares in der Klasse formuliert.

An diese Audio-Nachricht anknüpfend werden Behauptungen aufgestellt, die bei genauerer Betrachtung einem Faktencheck nicht Stand halten.

Behauptung Nr. 1: Die Anforderungen im Auswahlverfahren werden immer weiter heruntergeschraubt.

Stimmt nicht!

Das Auswahlverfahren wird seit Sommer 2010 (für den Einstellungstermin im Frühjahr 2011) in seiner derzeitigen Form durchgeführt und wurde zwischenzeitlich nicht verändert. Die elementaren Verfahrensschritte sind hier auf unseren Seiten für alle Interessierten ersichtlich.

Seit Einführung des Verfahrens wurden keine Veränderungen der erforderlichen Grenzwerte vorgenommen, die im Laufe des Testverfahrens bei den unterschiedlichen Stationen mindestens erreicht werden müssen.

Steigende Einstellungszahlen führen jedoch dazu, dass auch diejenigen Bewerberinnen und Bewerber auf den hinteren Rangplätzen eingestellt werden, die bei geringeren Einstellungszahlen nicht eingestellt worden wären und deren Leistungsniveau nicht ganz an das der weiter vorne Platzierten heranreicht. Dennoch haben alle diese Bewerberinnen und Bewerber alle Testteile bestanden. Um es zu verdeutlichen: Auch in allen vorhergehenden Auswahlrunden seit 2011 wären diese Bewerberinnen und Bewerber angenommen worden, wenn mehr Stellen vorhanden gewesen wären!

Behauptung Nr. 2: Personen mit Migrationshintergrund werden bevorzugt behandelt.

Stimmt nicht!

Das Auswahlverfahren ist, ebenso wie alle zu erreichenden Grenzwerte, für alle Bewerberinnen und Bewerber gleich!

Das Beherrschen einer Fremdsprache, egal ob Englisch oder eine andere Sprache, bringt zwar zusätzliche Punkte, gleicht ein unzureichendes Ergebnis bei den unterschiedlichen Stationen allerdings nicht aus.

Behauptung Nr. 3: Deutschkenntnisse sind nicht mehr erforderlich.

Stimmt nicht!

Das Vorhandensein der verlangten Deutschkenntnisse wird im Rahmen des Einstellungstests durch einen Deutschtest (Rechtschreibung, Grammatik, Interpunktion, Fremdwörter) geprüft. Diese hat absolute k.o.-Wirkung für den Gesamttest. Der Einstellungstest kann also nicht bestanden werden, wenn die Mindestanforderungen des Deutschtests nicht erreicht werden.

Es wurde festgelegt, dass für eine Einstellung in die Ausbildung Deutschkenntnisse erforderlich sind, die die „Ausbildungsfähigkeit“ bzw. „Studierfähigkeit“ sicherstellen. Über diese als Mindestanforderungen definierten Deutschkenntnisse hinausgehende Kenntnisse und Fähigkeiten sind im Rahmen der Ausbildung zu vermitteln.

Während der Ausbildung werden die Deutschkenntnisse erneut geprüft. Wenn die Deutschnote trotz des angebotenen Förderunterrichts nicht ausreichend ist, folgt die Entlassung aus dem Ausbildungsverhältnis.

Behauptung Nr. 4: Die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses ist nicht mehr erforderlich.

Stimmt, denn wir haben bessere Instrumente!

Die Prüfung der persönlichen Eignung (Leumundsprüfung) erfolgt auf der Grundlage von Anfragen beim Landeskriminalamt Berlin und dem Landeskriminalamt des aktuellen Wohnortes, sofern dies nicht Berlin ist. Darüber hinaus wird über die Senatsverwaltung für Inneres und Sport eine „unbeschränkte Auskunft“ aus dem Bundeszentralregister angefordert, die deutlich umfangreicher ist als das Führungszeugnis.

Zu allen bekannt werdenden Ermittlungsvorgängen werden die Ermittlungsakten angefordert und ausgewertet. Insgesamt ist die „Leumundsprüfung“ also deutlich umfassender, als es die bloße Vorlage eines Führungszeugnisses wäre.
Für diese Anfragen erteilen die Bewerberinnen und Bewerber bereits bei der Bewerbung ihr Einverständnis.

Behauptung Nr. 5: Wir stellen vorbestrafte Personen ein.

Stimmt grundsätzlich nicht! In berechtigten Fällen machen wir allerdings eine Ausnahme.

Grundsätzlich geht das Rechtssystem von der Möglichkeit der Besserung und positiven Persönlichkeitsveränderung aus, sodass allein das Begehen einer Straftat nicht automatisch in eine lebenslange Nichteignung für den Polizeiberuf mündet. Derart generalisierende Regelungen werden von den Verwaltungsgerichten regelmäßig als unzulässig bezeichnet. Gefordert sind Entscheidungen unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten des Einzelfalles.

Die persönliche (charakterliche) Eignung der Bewerberinnen und Bewerber wird auf Grundlage der so vorliegenden Erkenntnisse nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Beachtung rechtstaatlicher Grundsätze und der von der Verwaltungsgerichtsbarkeit gezogenen Grenzen der Ermessensausübung beurteilt. Beim Entscheidungsprozess werden eine Vielzahl von Variablen berücksichtigt, wie u. a. die Deliktsart, die Tathandlung, Vorbereitung und Planung, kriminelle Energie, Mittäterinnen und Mittäter, das Alter zum Tatzeitpunkt, inzwischen verstrichene Zeit, Gesamtzahl der Taten, Nachtatverhalten, Verhalten im Ermittlungsverfahren und Persönlichkeitsentwicklung seit der Tat. Die getroffene Entscheidung führt zur Ablehnung oder Weiterbearbeitung der Bewerbung.

Für die Beurteilung der persönlichen Eignung ist es weitgehend unerheblich, ob ein Gericht es für erforderlich gehalten hat, eine Verurteilung auszusprechen. Die weit überwiegende Zahl der Ablehnungen wegen charakterlicher Nichteignung erfolgt auf Grundlage von Ermittlungsverfahren, die nicht zu einer Verurteilung geführt haben.

Es ist folglich auch nicht auszuschließen, dass Personen in den Polizeidienst eingestellt worden sind, die wegen einer Straftat verurteilt worden sind, wenn

  • diese Tat nach Berücksichtigung der oben genannten Umstände
    - insbesondere weil sie möglicherweise 15 oder 20 Jahre zurück liegt – keinen sinnvollen Rückschluss auf die heutige persönliche Eignung zulässt, die allein an dieser Stelle zu prüfen ist oder

die entsprechenden Einträge im Bundeszentralregister und den polizeilichen Datensammlungen aufgrund bestehender Löschfristen gelöscht sind und die Taten daher hier gar nicht bekannt geworden sind. Wer allerdings in der Ausbildungszeit eine Straftat begeht, bekommt die Kündigung von der Polizei.

Behauptung Nr. 6: Unsere Auszubildenden sind disziplinlos, frech und dumm.

Stimmt nicht.

Unsere Polizeischülerinnen und -schüler sind zum größten Teil ohne Fehl und Tadel. Das muss an dieser Stelle auch mal deutlich gesagt werden. Alle haben die Einstellungsvoraussetzungen erfüllt und können daher nicht „dumm“ sein. All diejenigen, die ihre Ausbildung mit voller Motivation absolvieren, mögen sich die derzeitige Berichterstattung bitte nicht zu Herzen nehmen.

Und doch gibt es auch Disziplinlosigkeiten. Die Auszubildenden der Polizei Berlin erscheinen mit einer Vorprägung, einer Vorsozialisation, die nicht immer abgeschlossen ist und einer Abrundung oder gar einiger „Orientierungsleitplanken“ bedarf. Hier setzt die Polizei Berlin als Ausbildungsbehörde an.

Die verschiedenen kulturellen Hintergründe unseres Nachwuchses bergen mitunter ebenfalls Herausforderungen. Der Blick aus der Polizei heraus zeigt, dass der Umgang mit Vielfalt kein Phänomen der Polizei allein ist. Dies bestätigt auch die aktuelle Studie „Vielfalt im Klassenzimmer. Wie Lehrkräfte gute Leistung fördern können“ des Berliner Instituts für empirische Integration und Migration von BIM und SVR-Forschungsbereich deutlich (https://www.stiftung-mercator.de/de/publikation/vielfalt-im-klassenzimmer/). Dort wird aufgezeigt, dass es notwendig ist, Lehrkräfte in der Aus- und Weiterbildung für Vielfalt zu sensibilisieren und entsprechende Kompetenzen zu vermitteln bzw. zu vertiefen. Denn nur auf diesem Weg lassen sich negative Erwartungseffekte und die negativen Folgen einer gefühlten Verunsicherung durch Stereotype vermeiden.

Wenn darüber hinaus das eigene Handeln und Verhalten im alltäglichen Umgang miteinander durch Kolleginnen und Kollegen konsequent gespiegelt und durch die Vorgesetzten darauf bezogen entsprechende Grenzen aufgezeigt werden, die nicht überschritten werden dürfen, sind erste Schritte hin zu einem guten, respektvollen innerbehördlichen Umgang auch mit kultureller Vielfalt getan.

Seit Sommer 2017 werden Überlegungen zum innerbehördlichen Umgang mit kultureller Vielfalt im Diversity-Management verstärkt und fließen zum derzeitigen Zeitpunkt in ein Maßnahmenpaket ein. Das Maßnahmenpaket „Innerbehördlicher Umgang mit kultureller Vielfalt“ beinhaltet u. a. die Fortbildung von Führungskräften, Fachlehrern, Fachausbildern zur Stärkung des Führungshandelns und zur Herstellung von Anwendungs- und Handlungssicherheit im Umgang mit Vielfalt.

Im Jahre 2017 wurden zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizeiakademie (PA) durch das Sozialpädagogische Institut Walter May zu Diversity-Trainerinnen und -Trainern ausgebildet. Das Diversity-Büro steht auch weiterhin im engen fachlichen Austausch mit den ausgebildeten Diversity-Trainerinnen und -Trainern. In der theoretischen Ausbildung des mittleren Dienstes finden die Diversity-Tage zu Beginn und zum Ende der Ausbildung statt. Darüber hinaus werden zum Thema Opferschutz weitere Kontingente im Lehrplan vorgesehen werden. Beide Lehrveranstaltungen dienen in erster Linie dazu, die Verschiedenheit der Menschen zu berücksichtigen sowie das Einfühlungsvermögen zu fördern.

Behauptung Nr. 7: Die Einführung des Klassenlehrersystems führt zu einer fehlenden Sozialisation im Polizeiberuf.

Stimmt nicht!

In den letzten Jahren hat sich die Ausbildung an der Polizeiakademie weiterentwickelt. Sie ist zeitgemäßer geworden und eher an einem Klassen- als an einem Hundertschaftsverband orientiert. Damit einher geht auch eine veränderte Aufgabenwahrnehmung durch die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer. Sie sind jetzt stärker gefordert, Einfluss auf das soziale Miteinander zu nehmen, aber auch die Disziplin im Unterricht durchzusetzen. Dass es bei Klassen mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch mal zu flegelhaftem oder respektlosem Verhalten kommen kann, sollte nicht wirklich verwundern. Entscheidend ist doch vielmehr, dass den Lehrenden das notwendige pädagogische Rüstzeug mitgegeben wird.
Noch werden die Lehrkräfte durch einen dreiwöchigen Kompaktlehrgang mit zusätzlichen E-Learning-Komponenten auf ihre Lehrtätigkeit vorbereitet. Zukünftig fußt die pädagogisch-didaktische Ausbildung auf einem mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie gemeinsam für die Polizeiakademie entwickelten ca. sechsmonatigen berufsbegleitenden Programm. Als ein Baustein wird hier das Thema „Unterrichtsstörungen“ explizit bearbeitet.
Die immer wieder behauptete Handlungsunfähigkeit bei vermeintlichem oder tatsächlichem Fehlverhalten von Polizeischülern und eine damit einhergehende Untätigkeit können nicht bestätigt werden. So hält sich wacker das Gerücht, dass männliche muslimische Auszubildende sich weigern, im Schwimmunterricht im gleichen Schwimmbecken wie ihre Mitschülerinnen zu schwimmen und deshalb gesonderte Schwimmzeiten bekommen. Dieses Gerücht konnte auch auf Befragen aller Sportlehrerinnen und Sportlehrer nicht bestätigt werden!