eXplorarium

Miriam Asmus (links) und Karin Ernst vom Verein LIFE e.V. koordinieren gemeinsam mit Schulleiter Carsten Paeprer die Lernwerkstatt eXplorarium in der Hans-Fallada-Schule.

„Frau Asmus will immer, dass wir selber denken!“
Eine Lernwerkstatt fordert Schulkinder zum entdeckenden Lernen auf.

Herauszufinden, ob die Sonne auch Weißbrot toasten kann, wieso Brücken so unglaublich stabil sind oder worauf man beim Bau von Kugelbahnen so alles achten muss – auf all das versuchen die Schulkinder in der Lernwerkstatt eXplorarium der Hans-Fallada-Schule in Berlin-Neukölln eine Antwort zu finden. Der Schulleiter Carsten Paeprer und die Bildungsorganisation LIFE e. V. nutzen für die dafür notwendige Erweiterung der Schule Mittel aus dem Bezirkshaushalt und aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. EFRE wirkt:

Es ist Freitagnachmittag, 14 Uhr. Draußen toben die Schulkinder der Hans-Fallada-Schule in Berlin-Neukölln dem Wochenende entgegen. In der schuleigenen Lernwerkstatt sitzen noch drei Erwachsene zusammen. Sie erzählen von der eXplorarium-Lernwerkstatt, diesem Ort, an dem Schülerinnen und Schüler selbständig der Wissenschaft auf die Spur kommen. Und Karin Ernst, Miriam Asmus und Carsten Paeprer sind mit der Entwicklung sehr zufrieden: 2010 konnten sie dieser Idee einen räumlichen Rahmen geben. „Im Anschluss an ein vorangegangenes Projekt“, beschreibt Karin Ernst, zuständige Projektleiterin des Vereins LIFE e.V., „wurde eine Lernwerkstatt aufgebaut, die innovative Lernformen, genannt ‚Entdeckendes Lernen‘, mit neuen Medien vereint.“

Gemeinsam mit Haushaltsmitteln des Bezirks schafft der EFRE eine innovative Lernwerkstatt

Das Programm „Bildung im Quartier“ (BiQ) der Berliner Zukunftsinitiative Stadtteil (ZIS) machte es mit Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, kurz EFRE, möglich, eine im Rahmen der Erweiterung zur Ganztagsschule fällige Baumaßnahme mit dem Projekt der „Lernwerkstatt eXplorarium“ zu verknüpfen. Über den gesamten Förderzeitraum von 2009 bis 2013 wurden so insgesamt über 2,5 Millionen Euro, davon knapp über 1 Million EUR aus EFRE-Mittel, in den 200-Quadratmeter-Anbau der Hans-Fallada-Schule, in die Raumausstattung und in Personalmittel investiert.

Heute ist das eXplorarium eine offene Lernwerkstatt mit hellen, flachen Regalen, die bestens ausgestattet sind mit Mikroskopen, Waagen, Globen und Karten, Spiegeln, naturkundlichen Materialien und vielem mehr, was Lust darauf macht, die Welt zu entdecken. „Wir würden gerne dahin kommen, dass alle Kinder in der Lage sind, sich eigene Fragen zu stellen und ihnen dann selbständig auf den Grund zu gehen. Doch soweit sind viele noch nicht“, gibt Miriam Asmus von LIFE e. V. zu bedenken. Sie ist die Expertin vor Ort und für die Angebote in der Werkstatt zuständig. „Viele Kinder kommen mit wenig Alltagserfahrung in die Schule. Sie haben noch nie mit einem Messer geschnitten oder Mehl für einen Kuchen abgewogen, weil ihnen zu Hause möglichst alles abgenommen wird. Für diese Kinder ist die Arbeit in der Lernwerkstatt ein großer Erfahrungsschatz“, weiß Asmus.

Im eXplorarium erhöhen Schulkinder ihre sozialen, technischen und sprachlichen Kompetenzen

Und diese Erfahrung zeigt sich nicht nur im neu erworbenen Fachwissen. Die Schulkinder gewinnen durch Erfolge und erlaubte Misserfolge auch an Selbstbewusstsein und durch die Teamarbeit an sozialer Kompetenz. Und darüber hinaus entwickeln sie sich auch sprachlich: „Wir haben dem vorher keinen großen Stellenwert beigemessen. Aber was wir hier erleben, ist Sprachförderung“, stellt Carsten Paeprer, Schulleiter der Hans-Fallada-Schule, fest und hat dafür auch eine Erklärung parat: „In diesem Stadtteil haben viele Schülerinnen und Schüler zumindest reduziertes deutsches Sprachwissen. In der Lernwerkstatt kommen sie aber permanent in die Situation, ihr Handeln sprachlich zu begleiten. Da müssen sie schauen, wie sie das beschreiben können, damit andere es verstehen. Das ist eine ungeheure Kompetenz und an einem solchen Standort natürlich sehr hilfreich.“ Und noch eine Kompetenz wird im eXplorarium bewusst geschult, ist sogar Teil des pädagogischen Ansatzes: „Von Anfang an dokumentieren die Kinder ihre Erkenntnisse und Fragen online auf der Lernplattform“, betont Asmus den Nutzen digitaler Medien als sinnvolles Arbeitsmedium und damit den Zugewinn an Medienkompetenz.

Gemeinsam mit den Lehrkräften entscheiden Asmus und Paeprer, welche Klasse wann in die Lernwerkstatt kommt. Jede Klasse ist dann eine Woche vor Ort, je nach Alter bis zu sechs Schulstunden am Tag. „Teamarbeit ist wichtig“, beschreibt die LIFE-Expertin die Aufteilung innerhalb der Werkstatt. „Das hängt aber immer von der Frage und der jeweiligen Arbeit ab. Auch Einzel- oder Zweierarbeit ist die Regel.“

Begleitend stellen Asmus sowie die Lehrkräfte und Erzieherinnen immer wieder herausfordernde Fragen, überlegen sollen die Kinder selbst. „Sie arbeiten eigenständig. Wir sagen nicht ‚Komm ich mach das schnell‘. Die Kinder machen das selber und haben so auch ihre eigenen Erfahrungen.“ Am Ende werden die Ergebnisse präsentiert. „Die Schulleitung wird auf jeden Fall eingeladen“, sagt Asmus, „manchmal entscheiden die Kinder auch, dass die Eltern dabei sind.“ Und auch sie können vor Beginn der eXplorarium-Woche erfahren, was ihre Kinder in der Lernwerkstatt erwartet. Für zwei Stunden nachmittags sind die Eltern vorab eingeladen, auszuprobieren, was in der Woche Thema sein wird. „Die Eltern beschäftigen sich mit den gleichen Aufgaben. Dadurch wissen die Eltern auf einmal, was in der Schule gemacht wird. Das schafft Gesprächsanlässe und ermöglicht Eltern einen anderen Blick auf die Arbeit ihrer Kinder“, erläutert Asmus.

Auch die Lehrkräfte müssen sich an das neue Unterrichtsformat anpassen

Die Arbeit in der Lernwerkstatt erfordert auch von den Lehrkräften neue Kompetenzen. LIFE schult das Lehrer- und Erzieherkollegium daher in fünftägigen Fortbildungen. Eine Bedingung, um später im eXplorarium mit den Kindern zu arbeiten. „Die Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher sollen sich in die Situation begeben, wie entdeckendes Lernen eigentlich funktioniert. Dieser Ansatz soll übertragen werden können auf den eigenen Unterricht“, erklärt Asmus. Und weil die Lernwerkstatt eben kein konventioneller Frontalunterricht ist, bietet sie auch mal die Möglichkeit zu neuen Perspektiven: „Die Pädagoginnen und Pädagogen haben hier einen anderen Blickwinkel auf die Schulkinder, kommen mehr in die beobachtende Rolle“, stellt Paeprer fest.

Mittlerweile sind fünf weitere Schulen in Wedding, Neukölln und Kreuzberg dem Beispiel der Hans-Fallada-Schule gefolgt und haben gemeinsam mit dem Verein Lernwerkstätten eingerichtet. „Wir bilden inzwischen ein gemeinsames Netzwerk“, skizziert Paeprer, „das über LIFE zusammengehalten wird und das uns alle weiterbringt.“

So ist es am Ende verständlich, dass sich die Kinder in dieser Lernumgebung wohlfühlen. Miriam Asmus zitiert da gerne einen Spruch, den sie von den Kindern schon oft gehört hat: „Ich finde es toll in der Lernwerkstatt. Es ist zwar total anstrengend, aber es macht Spaß und Frau Asmus will immer, dass wir selber denken!“

Kontakt

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Fax: +49 30 – 308 798-25

eichelkraut@life-online.de

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Hintergrund

„Bildung im Quartier“, seit 2007 ein Programm der Berliner „Zukunftsinitiative Stadtteil“, wird in der Strukturfondsförderperiode 2014–2020 im Rahmen der „Zukunftsinitiative Stadtteil II“ (ZIS II) von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt fortgeführt. Seit 2007 werden bereits quartiersbezogene Bildungsangebote und Projekte im Stadtgebiet aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.
BiQ möchte mit Hilfe zusätzlicher bildungsnaher Angebote Stadtteile nachhaltig stabilisieren. Gefördert werden Projekte in Quartieren, in denen die Überlagerung ökonomischer, sozialer, städtebaulicher und infrastruktureller Defizite die Lebens- und Arbeitsbedingungen der dort lebenden Menschen, ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihre Chancen zur Teilhabe am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Leben stark beeinträchtigen. Mehr Informationen unter www.berlin.de/efre und www.stadtentwicklung.berlin.de/staedtebau/foerderprogramme/biq.