Drucksache - 0838/V  

 
 
Betreff: Gedenkstele für Clara Immerwahr errichten
Status:öffentlichAktenzeichen:524/V
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD-FraktionSPD-, CDU-, GRÜNE-, Links- und FDP-Fraktion
Verfasser:1. Semler
2. Kromm
3. Macmillan, Hippe, Steinhoff/Wojahn, Bader, Ehrhardt
 
Drucksache-Art:AntragBeschluss
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf von Berlin Vorberatung
16.05.2018 
20. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz­Zehlendorf überwiesen   
Ausschuss für Schule, Bildung und Kultur Empfehlung
05.06.2018 
14. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Schule, Bildung und Kultur ohne Änderungen im Ausschuss beschlossen   
Ausschuss für Haushalt, Personal und Verwaltungsmodernisierung Empfehlung
06.09.2018 
23. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Haushalt, Personal und Verwaltungsmodernisierung ohne Änderungen im Ausschuss beschlossen   
Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf von Berlin Entscheidung
19.09.2018 
22. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf ohne Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag vom 08.05.2018
BE SchuBiKu vom 05.06.2018
BE HHPV vom 06.09.2018
Beitritt Linksfraktion vom 18.09.2018
Beschluss vom 19.09.2018
Vorlage zur Kenntnisnahme vom 28.09.2021

Die BVV möge beschließen:

 

Das Bezirksamt wird ersucht, eine Stele für Clara Immerwahr am Eingang zum Garten der Direktorenvilla des Fritz Haber Instituts der FU Berlin in der Hittorfstraße, Berlin Dahlem, oder einem anderen geeigneten Ort im Bezirk zu errichten.

 

Begründung:

 

Die Menschenrechtlerin, Frauenrechtlerin, Friedensaktivistin und Chemikerin, Clara Immerwahr wurde am 21.06.1870 in Polkendorf geboren und starb am 02.05.1915 in Berlin.

1)   In diesem Jahr begehen wir den 100. Jahrestag des Endes des 1. Weltkrieges, einem Krieg, in dem sowohl Fritz Haber, der Direktor des damaligen Kaiser Wilhelm Instituts, das zur Kaiser Wilhelm Gesellschaft (KWG), dem Vorgänger des heutigen Max Planck Instituts gehörte, wie auch seine Ehefrau Clara Immerwahr in sehr unterschiedlicher Weise aktiv waren. Fritz Haber entwickelte Düngemittel und Kampfstoffe für Munition, und mit seiner Forschung wurde der Giftgaskrieg mit Sarin in Flandern und Galizien möglich. Clara Immerwahr war eine entschiedene Gegnerin dieser Forschung, die sie öffentlich als Perversität der Wissenschaft bezeichnete.

2)   Fritz Haber, der im Bereich der Physikalischen Chemie auf unterschiedlichen Feldern ein hochangesehener Wissenschaftler war, der für die Synthese aus Amoniakelementen 1918 den Nobelpreis für Chemie erhielt, meldete sich 1914 freiwillig zum Militärdienst, um seine Giftgasforschung für den Einsatz im Krieg fortsetzen zu können. Im April 1915 wurde Sarin (Senfgas) das erste Mal „erfolgreich“ in Flandern eingesetzt; bei dem ersten Einsatz starben sofort 1500 britische Soldaten.

3)   Clara Immerwahr, die eine der ersten deutschen Frauen war, die nach langem erbitterten Ringen am 22.12.1900 den Doktorgrad in Chemie mit Magna Cum Laude erhielt, war eine ebenso angesehene Wissenschaftlerin wie ihr Ehemann. Gesellschaftliche Konventionen machten aber nach Heirat und Geburt des Sohnes Hermann eine wissenschaftliche Arbeit an Universitäten unmöglich.

4)   Wegen ihrer eigenen Erfahrung kämpfte Clara Immerwahr für die Rechte der Frauen. Sie war darüber hinaus eine unermüdliche Friedensaktivistin, die sich vor dem 1. Weltkrieg und während des 1. Weltkrieges öffentlich für Gewaltlosigkeit und Frieden einsetzte. Die Tätigkeit ihres Mannes an der Entwicklung von Kampfgas für den Kriegseinsatz bezeichnete sie mehrfach in der Öffentlichkeit als „Perversion der Wissenschaft“.

5)   Unmittelbar nach dem „erfolgreichen“ Einsatz von Giftgas im 1. Weltkrieg in Flandern gab es einen Festempfang in der Dienstvilla des Direktors des KWI für Chemie der KWG, der nach diesem Einsatz zum Hauptmann befördert wurde. Clara Immerwahr sah sich in einer Zwangslage, in der sie sich noch während der Feier mit der Dienstpistole ihres Ehemannes im Garten der Dienstvilla am 02.05.1915 erschoss. Völlig unbeeindruckt von dieser Tat reiste Fritz Haber drei Tage später in das Kriegsgebiet in Galizien an der Ostfront, um dort den Einsatz von Giftgas zu überwachen.

6)   An dem Ort des Selbstmordes steht im Garten der bis heute erhaltenen Dienstvilla, die zum Fritz Haber Institut der FU Berlin gehört, ein kleiner 60 cm hoher Gedenkstein, dessen wenige Schriftzüge kaum lesbar sind. Das Grundstück ist für Privatpersonen gesperrt.

7)   Von außen weist nichts darauf hin, dass sich in der Villa ein Drama der Wissenschaftsgeschichte, der Kriegsgeschichte, der Geschichte um Frauenemanzipation und der Friedensgeschichte abgespielt hat. Hier kamen mehrere Entwicklungen der unterschiedlichen Geschichtsfelder zu einem tragischen Höhepunkt.

8)   Mit dieser Maßnahme wird eine Friedensaktivistin, Menschenrechtlerin, Frauenrechtlerin und Pionierin der Wissenschaft, nicht nur in der Chemie, Clara Immerwahr, geehrt. Es wäre eine angemessene Ehrung zum Zeitpunkt der 100. Wiederkehr des Endes eines Krieges, dessen Grausamkeit auch durch eine entfesselte und ethische Normen missachtende Wissenschaft möglich wurde.

 

 

Der Antrag wurde am 05.06.2018 in der 14. Sitzung des Ausschusses für Schule, Bildung und Kultur beraten und bei einer Abstimmung einstimmig beschlossen.

 

Die CDU- und Grüne-Fraktion sind dem Antrag beigetreten.

 

Dem federführenden Ausschuss wird die Annahme des Antrages empfohlen.

 

 

Rolle, Oliver

Stellv. Ausschussvorsitzender

 

 

Der Antrag wurde am 06.09.2018 in der 23. Sitzung des Ausschusses für Haushalt, Personal und Verwaltungsmodernisierung beraten und bei einer Abstimmung mit 13 Ja-Stimmen und 0 Nein-Stimmen bei 0 Enthaltungen angenommen.

 

Der Bezirksverordnetenversammlung wird die Annahme des Antrages empfohlen.

 

 

Buchta

Ausschussvorsitzender

 

 

In der 45. Sitzung des Ältestenrats am 18.09.2018 ist die Linksfraktion dem Antrag beigetreten.

 

 

gner-Francke

Bezirksverordnetenvorsteher

 

 

In der 22. Sitzung der BVV am 19.09.2018 ist die FPD-Fraktion dem Antrag beigetreten.

 

 

gner-Francke

Bezirksverordnetenvorsteher

 

 

Die BVV hat in ihrer 22. Sitzung am 19.09.2018 beschlossen:      

 

Das Bezirksamt wird ersucht, eine Stele für Clara Immerwahr am Eingang zum Garten der Direktorenvilla des Fritz Haber Instituts der FU Berlin in der Hittorfstraße, Berlin Dahlem, oder einem anderen geeigneten Ort im Bezirk zu errichten.

 

 

gner-Francke

Bezirksverordnetenvorsteher

 
 

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