Drucksache - 0413/III  

 
 
Betreff: Gedenktafeln in der Treitschkestraße
Status:öffentlichAktenzeichen:369
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD-FraktionBezirksamt
Verfasser:Karnetzki 
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf von Berlin Vorberatung
19.09.2007 
11. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Stadtplanung und Naturschutz Empfehlung
09.10.2007 
11. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung und Naturschutz vertagt     
13.11.2007 
12. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung und Naturschutz vertagt   
15.01.2008 
14. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung und Naturschutz mit Änderungen im Ausschuss beschlossen     
Ausschuss für Bildung, Kultur und Bürgerdienste Empfehlung
22.11.2007 
9. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bildung, Kultur und Bürgerdienste      
24.01.2008 
10. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bildung, Kultur und Bürgerdienste mit Änderungen im Ausschuss beschlossen     
Haushaltsausschuss Empfehlung
31.01.2008 
19. öffentliche Sitzung des Haushaltsausschusses ohne Änderungen im Ausschuss beschlossen   
Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf von Berlin Entscheidung
20.02.2008 
16. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   
Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf von Berlin Vorberatung
19.11.2008 
23. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf von Berlin mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Sachverhalt
Anlagen:
Ursprungsantrag vom 11.09.2007
BE Stapl vom 15.01.2008
BE BiKu vom 24.01.2008
BE Haushalt vom 31.01.2008
Beschluss vom 20.02.2008
dazu gehörige BA-Vorlage zur Kenntnisnahme vom 21.10.2008
Vorlage zur Kenntnisnahme für die BVV am 19.11.2008
Links

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

 

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Das Bezirksamt wird ersucht, der BVV bis zum 30. November 2007 einen Textvorschlag für die beschlossenen "Gedenktafeln in der Treitschkestraße" zur Diskussion im zuständigen Ausschuss und in der Öffentlichkeit sowie einen Kostenplan für die Errichtung der Tafeln vorzulegen.

 

Begründung:

 

In ihrer Sitzung am 20.6.2007 hat die BVV mehrheitlich beschlossen, dass das Bezirksamt ein Konzept für die Anbringung von Gedenktafeln in der Treitschkestraße vorlegen soll, die eine Auseinandersetzung der Bevölkerung mit dem "Berliner Antisemitismusstreit" ermöglicht. Auf diesen Tafeln soll die Problematik aus der heutigen Sicht dargestellt und in den historischen Kontext eingeordnet werden.

 

 

Berlin Steglitz-Zehlendorf, den 11. September 2007

 

 

Für die Fraktion der SPD

 

 

Karnetzki

 

 

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Der Antrag wurde am 15.01.2008 in der 14. Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung und Naturschutz beraten und wie folgt geändert:

 

„Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Das Bezirksamt wird ersucht, der BVV spätestens bis zum 30.04.2008 einen Textvorschlag für die beschlossenen "Gedenktafeln in der Treitschkestraße" zur Diskussion im zuständigen Ausschuss und in der Öffentlichkeit sowie einen Kostenplan für die Errichtung der Tafeln vorzulegen.“

 

Begründung:

Unverändert.

 

Bei einer Abstimmung wurde der Antrag in der geänderten Fassung mit 12 Ja-Stimmen und keiner Nein-Stimme bei keiner Enthaltung angenommen, wobei 1 Ausschussmitglied nicht mit abgestimmt hat.

 

Dem federführenden Ausschuss wird die Annahme des Antrags in der geänderten Fassung empfohlen.

 

 

Hampel

Ausschussvorsitzender

 

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Der Antrag in der geänderten Fassung des Ausschusses für Stadtplanung und Naturschutz wurde am 24.01.2008 in der 10. Sitzung des Ausschusses für Bildung, Kultur und Bürgerdienste beraten und wiederum wie folgt geändert:

 

„Die BVV möge beschließen:

 

Das Bezirksamt wird ersucht, der BVV bis zum 30. April 2008 einen Textvorschlag für die beschlossenen "Gedenktafeln in der Treitschkestraße" zur Diskussion im zuständigen Ausschuss und in der Öffentlichkeit sowie bis zum 31. Mai 2008 einen Kostenplan für die Errichtung der Tafeln vorzulegen.“

 

Begründung:

Unverändert.

 

Bei einer Abstimmung wurde der Antrag in der geänderten Fassung mit 12 Ja-Stimmen und keiner Nein-Stimme bei 1 Enthaltung angenommen.

 

Dem federführenden Ausschuss wird die Annahme des Antrags in der geänderten Fassung empfohlen.

 

 

Ehrhardt

Ausschussvorsitzender

 

 

Der Antrag wurde am 31.01.2008 in der 19. Sitzung des Haushaltsausschusses beraten und bei einer Abstimmung mit 12 Ja-Stimmen und keiner Nein-Stimme bei 1 Enthaltung angenommen.

 

Der Bezirksverordnetenversammlung wird die Annahme des Antrags in der geänderten Fassung des Ausschuss für Bildung, Kultur und Bürgerdienste empfohlen.

 

 

Müller

Ausschussvorsitzender

 

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Die BVV hat in ihrer 16. Sitzung am 20.02.2008 beschlossen:

 

Das Bezirksamt wird ersucht, der BVV bis zum 30. April 2008 einen Textvorschlag für die beschlossenen "Gedenktafeln in der Treitschkestraße" zur Diskussion im zuständigen Ausschuss und in der Öffentlichkeit sowie bis zum 31. Mai 2008 einen Kostenplan für die Errichtung der Tafeln vorzulegen.

 

 

Rögner-Francke

BVVorsteher

 

 

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Vorlage

zur Kenntnisnahme

für die Bezirksverordnetenversammlung

 

 

1. Gegenstand der Vorlage vom 21.10.2008:

BVV-Beschluss Nr. 369 vom 20.2.2008

 

Gedenktafeln in der Treitschkestraße

 

Drs.-Nr. 0413/III

 

 

2. Berichterstatter:

Bezirksstadträtin  Richter-Kotowski

 

 

3. Die Bezirksverordnetenversammlung wird gebeten, von Nachstehendem Kenntnis

    zu nehmen:

 

 

Die BVV hat beschlossen:

 

„Das Bezirksamt wird ersucht, der BVV bis zum 30. April 2008 einen Textvorschlag für die beschlossenen "Gedenktafeln in der Treitschkestraße" zur Diskussion im zuständigen Ausschuss und in der Öffentlichkeit sowie bis zum 31. Mai 2008 einen Kostenplan für die Errichtung der Tafeln vorzulegen.“

 

In der öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Bildung, Kultur und Bürgerdienste am 18. September 2008 wurde der Text für die Gedenkstele zu Treitschke und dem Antisemitismusstreit vorgelegt und zur Kenntnis genommen. Die Kosten für die Herstellung der Stele wurden mit 3.500 € beziffert.

 

 

Wir bitten, den Beschluss damit als erledigt zu betrachten.

 

 

 

 

 

Kopp                                                                                                  Richter-Kotowski

Bezirksbürgermeister                                                                      Bezirksstadträtin

 

 


Der „Berliner Antisemitismusstreit“ 1879 – 1881

 

 

Der Historiker Heinrich von Treitschke gab die „Preußischen Jahrbücher, Berliner Monatsschrift für Politik, Geschichte und Literatur“, heraus. Im November 1879 erschien dort Treitschkes Artikel „Unsere Aussichten“, in dem er eine „innere Reichsgründung“ forderte mit entschiedenem Kampf gegen angebliche „innere Reichsfeinde“. Seine umfassende Abrechnung galt dem politischen und weltanschaulichen Liberalismus, dem er selbst und die Mehrheit des deutschen Bürgertums bisher anhingen. So agitierte er gegen eine breite Volksbildung, die nur der „Verwilderung der Massen Vorschub geleistet“ habe und gegen eine „weichliche Philanthropie“ als falsches Zeichen der Zeit. Schließlich folgte der pauschale Angriff auf „die Juden“:

 

Die Juden hätten sich für die Emanzipation (rechtliche Gleichstellung ab 1869) nicht dankbar gezeigt. In der antijüdischen Agitation sei zwar viel Rohheit und Schmutz, dennoch handele es sich um „eine natürliche Reaktion des germanischen Volksgefühls gegen ein fremdes Element.“ Die Juden hätten am Gründerschwindel einen großen Anteil, beherrschten die Börse und die liberale Presse. Deshalb wolle er mit dem Tabu des Beschweigens jüdischer Fehler brechen. Er forderte die „israelitischen Mitbürger“ auf, Deutsche zu werden. Es gelte zu verhindern, „dass auf die Jahrtausende germanischer Gesittung ein Zeitalter deutsch-jüdischer Mischkultur folgt.“ Eine Rücknahme der Emanzipation lehnte er zwar ab, jedoch infolge seiner überzogenen Formulierungen wurde Treitschke seitdem als Antisemit betrachtet:

„Bis in die Kreise der höchsten Bildung hinauf, unter Männern, die jeden Gedanken kirchlicher Unduldsamkeit oder nationalen Hochmuts mit Abscheu von sich weisen würden, ertönt es heute wie aus einem Munde: die Juden sind unser Unglück!“

 

Die ersten Reaktionen kamen von antisemitischen Agitatoren (begeistert) und von jüdischen Akademikern (entsetzt). Treitschke als bekannter Professor hatte dem Antisemitismus eine scheinbare Berechtigung verschafft. Jüdische Autoren widerlegten die Argumente Treitschkes und wiesen auf den demagogischen Charakter des Textes hin. Prof. Harry Bresslau ordnete in seiner Entgegnung Treitschkes Angriff in den politischen Zusammenhang ein: bereits seit 1875 werde der Liberalismus auch mit antijüdischen Argumenten bekämpft, um reaktionäre und schutzzöllnerische Mehrheiten im Parlament zu erreichen.

 

Das öffentliche Interesse an der Debatte wuchs erheblich, als ab März 1880 mit dem Althistoriker Prof. Theodor Mommsen eine Treitschke gleichrangige Persönlichkeit Partei ergriff. Mommsen warf seinem Fakultätskollegen vor, ein schweres Unrecht an den Juden zu begehen und deren erfolgreiche Integration in die deutsche Gesellschaft zu beschädigen. Mommsen war auch unter den 75 Berliner Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die im November 1880 in einer Presseerklärung Treitschke widersprachen. Die wiederholt nachgedruckten Texte zum „Treitschkestreit“ erreichten eine große Verbreitung.

 

 

Norbert Kampe


Heinrich von Treitschke

(geb. 15. September 1834 in Dresden; gest. 28. April 1896 in Berlin)

Historiker, politischer Publizist, Abgeordneter im Reichstag

 

Treitschke entstammte einer sächsischen protestantischen Offiziersfamilie. Er studierte Geschichte und Nationalökonomie und wurde 1863 in Freiburg zum außerordentlichen Professor ernannt. Ab1874 hatte er eine ordentliche Professur in Berlin.

 

In seinen Vorlesungen und Veröffentlichungen ergriff Treitschke immer Partei und beurteilte historische Personen und Politiker seiner Zeit grundsätzlich danach, wie sich diese zu Preußens „historischer Mission“ verhielten, einen starken deutschen Nationalstaat zu verwirklichen. Seine „Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert“ hatte großen Einfluss auf das Bürgertum.

 

Treitschke teilte ursprünglich liberale Überzeugungen, zu denen auch die Forderung nach Gleichstellung der Juden gehörte. Treitschke äußerte allerdings antijüdische Vorurteile, wenn auch vorerst nur privat. Im Konflikt um die preußische Heeresreform ab 1859 kritisierte er die Missachtung des Parlaments durch Bismarck. Nach Errichtung des Kaiserreichs wurde er jedoch zum bedingungslosen Anhänger des Reichskanzlers, den er als Abgeordneter im Reichstag von 1871 bis 1884 unterstützte. Als Bismarck 1879 eine antiliberale Mehrheit im Reichstag zustande brachte, verließ Treitschke die Nationalliberale Partei. Mit seinen folgenden publizistischen Angriffen auf die Juden brach Treitschke endgültig mit seiner eigenen liberalen Vergangenheit.

 

 

 

Harry Bresslau

(geb. 22. März 1848 in Dannenberg (Elbe); gest. 27. Oktober 1926 in Heidelberg)

Historiker, Oberlehrer

 

Bresslau musste als Sohn einer verarmten jüdischen Bankiersfamilie das Studium der Geschichte und klassischen Philologie selbst finanzieren. Ungeachtet bester Zeugnisse bezweifelte er, als Jude eine Professur zu erhalten. Bresslau arbeitete deshalb nach seinem Oberlehrerexamen immer wieder zeitweise an jüdischen Schulen in Frankfurt und Berlin. 1872 habilitierte er an der Berliner Universität, wurde 1877 außerordentlicher Professor und übernahm die Lehraufgaben des vakanten Lehrstuhls für mittelalterliche Geschichte. Gleichzeitig wurde er ein herausragender Mitarbeiter, später langjähriger Mitdirektor der bedeutendsten wissenschaftlichen Edition mittelalterlicher Quellen (der Monumenta Germaniae Historica).

 

Bresslau war nicht bereit, um seiner akademischen Karriere willen zum Christentum überzutreten. Als ihn der Fachbereich 1881 mehrheitlich dem Ministerium für eine ordentliche Professur vorschlug, gab Prof. Treitschke ein abweichendes Votum ab: Es sei falsch, „den einzigen ordentlichen Lehrstuhl für mittelalterliche Geschichte, die mit der Geschichte der christlichen Kirche unzertrennlich zusammenhängt, einem Nicht-Christen anzuvertrauen.“ 1886 scheiterte ein weiterer Versuch, Bresslau als Ordinarius der Berliner Universität zu erhalten. 1891 vermittelten ihm Beamte des preußischen Kultusministeriums eine ordentliche Professur in Straßburg. 1918 wurde Bresslau als angeblich militanter deutscher Nationalist aus dem nun wieder französischen Elsass ausgewiesen.

 

 
 

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