Auszug - Jugendmigrationsdienst Vorstellung der Anbieter aus umliegenden Bezirken: - Frau Rockhoff / Jugendmigrationsdienste DWBO (Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schles.-Oberlausitz) - Herr Chourabi / Jugendmigrationsdienst AWO, Tempelhof-Schöneberg  

 
 
14. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Gleichstellung und Integration
TOP: Ö 4
Gremium: Ausschuss für Gleichstellung und Integration Beschlussart: erledigt
Datum: Mi, 28.05.2008 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 18:50 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Rathaus Zehlendorf
 
Wortprotokoll

Die Ausschussvorsitzende begrüßt Frau Wiebke Rockhoff von der Koordinationsstelle Jugendmigrationsdienste im Diakonischen Werk

Die Ausschussvorsitzende begrüßt Frau Wiebke Rockhoff von der Koordinationsstelle Jugendmigrationsdienste im Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg - schlesische Oberlausitz eV. und Herrn Hamza Chourabi vom Jugendmigrationsdienst der AWO im Bezirk Tempelhof-Schöneberg.

Frau Rockhoff berichtet, die Jugendmigrationsdienste seien ein Angebot der Jugendsozialarbeit, d.h. ein Teil der Jugendhilfe, die sich mit der beruflichen Integration junger Menschen mit Benachteiligungen befasst. Zuwendungsgeber seien jedoch nicht die Kommunen, sondern das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Dementsprechend seien sie auch nicht Teil der kommunalen Jugendhilfe. Diese Bundesförderung erklärt sich daraus, dass die Jugendmigrationsdienste Nachfolger der Jugendgemeinschaftswerke sind, die jugendliche Aus- und Übersiedler berieten und die in der Zuständigkeit des Bundes waren. 2004 wurden dann alle Jugendlichen mit Migrationshintergrund in die Zielgruppe aufgenommen. Im Zusammenhang mit dem neuen Zuwanderungsgesetz gab es 2005 die Zusage des Bundes, auch Integrationsleistungen zu erbringen. Im Erwachsenenbereich waren dies die Immigrationserstberatung und im Jugendbereich die Jugendmigrationsdienste mit dem Schwerpunkt auf neu zugewanderte Jugendliche, während die Beratung länger ansässiger Migranten in die Zuständigkeit der Länder fiel.

In Berlin gibt es nicht in allen Bezirken einen Jugendmigrationsdienst – so hat z.B. der Bezirk Steglitz-Zehlendorf keinen -, während in anderen Bezirken aufgrund des höheren Bedarfs mehrere Träger aktiv sind. Zu diesen Trägern in Berlin gehören u.a. die Arbeiterwohlfahrt, der Internationale Bund, die Caritas bzw. die In Via e.V., die regionalen Diakonischen Werke bzw. das Christliche Jugenddorfwerk. Des Weiteren berichtet Frau Rockdorf, dass diese Träger stark vernetzt zusammenarbeiten und hierbei u.a. von ihr koordiniert werden.

In einer Netzwerk- und Sozialraumarbeit wird geprüft, welche Träger welche Schwerpunkte abdecken können, um so Doppelangebote zu verhindern. Zugleich werden andere Dienste und Einrichtungen, deren Angebote sich nicht vorwiegend an jugendliche Zuwanderer richten, für eine interkulturelle Öffnung sensibilisiert. Weiterhin soll den Jugendlichen bereits in der Phase des Sprachlernens ein sozialpädagogisches Angebot gemacht werden, das die anderen Bedarfe in den Blick nimmt.

Falls - z.B. in einem Berliner Bezirk - ein neuer Jugendmigrationsdienst eingerichtet werden soll, muss ein entsprechender Bedarf beim Mittelgeber, dem Bundesfamilienministerium, angemeldet werden. Allerdings kann nur dann ein neuer JMD eingerichtet werden, wenn an anderer Stelle im Bundesgebiet eine entsprechende Stelle frei wird. Die Neueinrichtung zusätzlicher JMDs ist seit einiger Zeit nicht mehr möglich.

Das wichtigste Ziel der Jugendmigrationsdienste ist die sprachliche, berufliche, soziale und schulische Integration junger Zuwanderer. Über allem steht die Förderung der Chancengleichheit sowie die Förderung der Partizipation im sozialen, kulturellen und politischen Leben. Hierzu gehört nicht nur die individuelle Begleitung, sondern auch die Sensibilisierung des Umfeldes der Jugendlichen.

Die Zielgruppen sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im sog. „KJHG-Alter“ von zwölf bis 27 Jahren mit Migrationshintergrund und hier mit einem besonderen Fokus auf neu zugewanderte Jugendliche. Nach dem Willen des Zuwendungsgebers sollen möglichst alle Jugendlichen, die der Zielgruppe angehören, das Angebot erhalten, aber auch das Umfeld soll mit in den Blick genommen werden, z.B. Institutionen und Initiativen in den sozialen Netzwerken, im Gemeinwesen sowie die Menschen im sozialen Umfeld der Jugendlichen.

Zu den Aufgaben der Jugendmigrationsdienste gehört die individuelle Integrationsförderung, d.h. die Begleitung neu zugewanderter Jugendlicher in die richtige Schulform und bei der Ausbildungsplatzsuche sowie weitere Orientierungshilfen. Bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen soll diese Förderung im Wege des Case Managements erfolgen, d.h. in einer gemeinsamen Förderplanung mit dem einzelnen Jugendlichen, bei der Ziele festgelegt werden und der Weg dorthin dokumentiert wird. Dieses Angebot besteht nicht nur für neu zugewanderte, sondern auch für bereits länger ansässige Jugendliche.

Herr Chourabi schildert ausführlich die konkrete Arbeit der Jugendmigrationsdienste von der Erstberatung über die Zusammenarbeit mit Sprachkursträgern bis zur abschließenden Beratung zur beruflichen Förderung und Integration, die in Zusammenarbeit mit den Job Centern und Arbeitsagenturen stattfindet. Sehr wichtig seien hier vor allem auch die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und die im Bezirk Tempelhof-Schöneberg gegebene Mitgliedschaft im Jugendhilfeausschuss. In diesem Bezirk existiere auch ein sehr gutes Netzwerk, dessen Akteure gut und effektiv zusammenarbeiten und sich regelmäßig alle drei Monate zu Gesprächen treffen.

 

Nach dieser Vorstellung ihrer Einrichtungen und ihrer Arbeit beantworten Frau Rockhoff und Herr Chourabi Fragen von Mitgliedern des Ausschusses. Die Antworten werden hier in allgemeiner Form dargestellt:

Der von Frau Rockhoff verteilten Broschüre „Lassen Sie sich beraten! Beratungsangebote für Neuzuwanderinnen und Zuwanderer“ sind die Berliner Bezirke und die dort tätigen Jugendmigrationsdienste sowie deren Angebote zu entnehmen. Die Ausschussvorsitzende verteilt in diesem Zusammenhang den aus dem Internet gezogenen Wikipedia-Artikel zum Jugendmigrationsdienst an die Ausschussmitglieder.

Ein Erstkontakt zu den neu zugewanderten Jugendlichen ergibt sich meist über die Ausländerbehörde, wo sie eine Berechtigung für einen Sprachkurs erhalten. Dieser sei verpflichtend. Spätestens hier werde die Zielgruppe erreicht. Außerdem würde auf Aushängen und Info-Zetteln sowie von Verwandten und Freunden auf die Existenz und die Angebote der Jugendmigrationsdienste hingewiesen.

Heiratsmigranten, z.B. junge nachgezogene Ehefrauen, könnten und würden durchaus das Angebot von Sprachkursen wahrnehmen. Zum einen sei die Beendigung eines Integrationskurses eine Voraussetzung für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, zum anderen gebe es auch kleinere Träger, die Sprachkurse für ganz spezielle Gruppen, z.B. türkische Frauen, anbieten. Ein Fall, dass ein Ehemann seiner Frau den Besuch eines Kurses untersagt habe, sei nicht bekannt.

Die Betreuung illegaler Immigranten sei vom Zuwendungsgeber nicht vorgesehen. Zuwanderer, die eine Duldung bekommen, hätten jedoch die Perspektive eines Bleiberechts und würden daher ebenfalls beraten.

Zwar sei es grundsätzlich möglich, auch Jugendliche aus anderen Bezirken zu beraten; es werde jedoch versucht, diese an einen Jugendmigrationsdienst in ihrem eigenen Bezirk zu vermitteln, da dieser ihnen auch in weiteren Angelegenheiten helfen könne.

Die Sprachförderung sei zwar vor allem für über 16-jährige gedacht, da jüngere Kinder noch der Schulpflicht unterliegen: In manchen Fällen, wo z.B. 14-jährige Kinder nach Berlin nachziehen und mangels Sprachkenntnissen den Hauptschulabschluss nicht schaffen würden, müsste diese Förderung auch schon früher beginnen. So hätten z.B. Jugendliche aus Steglitz-Zehlendorf entsprechende Kurse in Tempelhof-Schöneberg besucht. Unter den Kindern, die nach Berlin kommen, seien auch Waisen als Teil der Gruppe der sog. minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge.

Die Ausschussvorsitzende verweist auf eine ihr vorliegende Statistik, der zu entnehmen ist, dass 31,5 Prozent der Bewohner des Bezirks Steglitz-Zehlendorf im Alter von 18 bis 35 Jahren, d.h. 9.500 Menschen, einen Migrationshintergrund haben; im Alter von zwölf bis 18 Jahren sind es 1.300 Menschen. Allerdings sage die Statistik nichts darüber aus, ob es sich dabei um Neuzuwanderer handelt, die eine Erstberatung benötigen.

Die FDP-Fraktion regt an, einen Bedarf beim Bundesfamilienministerium anzumelden. Frau Rockhoff nennt ein solches Vorgehen sinnvoll und erklärt, der Bund sehe Berlin als Ganzes stark förderungswürdig an, so dass durchaus gewisse Chancen bestünden, dass im Bezirk ein JMD eingerichtet wird.

Auf Nachfrage der CDU-Fraktion erläutert Frau Rockhoff ausführlich die Aufteilung der Finanzierung der JMDs zwischen Bund und Trägern. Insgesamt sei die Finanzierung durch den Bund relativ gut, so dass die Träger nur eine geringe Kofinanzierung zu leisten hätten.

Die SPD-Fraktion sieht ebenfalls einen Bedarf für einen Jugendmigrationsdienst im Bezirk und legt den Entwurf für einen entsprechenden Ausschussantrag vor. Nach einer ausführlichen Erörterung, ob man sich darauf verlassen könne, dass eine solche Einrichtung aus Drittmitteln finanziert wird oder ob der Antrag eine Einschränkung erhalten soll, falls seine Umsetzung doch haushaltsrechtliche Auswirkungen haben sollte, wird über den Antrag in der folgenden Fassung abgestimmt:

„Die BVV möge beschließen:

Das Bezirksamt wird ersucht, sich bei den zuständigen Stellen dafür einzusetzen, dass für Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund im Alter von 12 bis 27 Jahren auch in Steglitz-Zehlendorf ein Jugendmigrationsdienst eingerichtet wird.

Begründung:

Für diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird der Integrationsprozess durch den Jugendmigrationsdienst mit individuellen Angeboten auf allen erforderlichen Stationen professionell begleitet (z.B.: Integrationskurse, Alltagsorientierung, Schulprobleme, Berufsausbildung, Praktika, Freizeit, Jugendhilfe). Diese Altersgruppe hat in Steglitz-Zehlendorf den höchsten Anteil bei den Menschen mit Migrationshintergrund.
Gefördert / finanziert wird dieser Dienst vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).“

Bei einer Abstimmung wird der Antrag mit 13 Ja-Stimmen und keiner Nein-Stimme bei keiner Enthaltung angenommen.

 
 

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