Auszug - Vorstellung der Arbeit einer Integrations-/Migrationsbeauftragten Referentin: Frau Doris Nahawandi, Beauftragte für Integration u. Migration in Friedrichshain-Kreuzberg, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der Migrationsbeauftragten der BerlinerBezirke  

 
 
5. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Gleichstellung und Integration
TOP: Ö 4
Gremium: Ausschuss für Gleichstellung und Integration Beschlussart: erledigt
Datum: Mi, 25.04.2007 Status: öffentlich
Zeit: 17:15 - 18:45 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Rathaus Zehlendorf
 
Wortprotokoll

Die Ausschussvorsitzende stellt die Beauftragte für Integration und Migration im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und Sprecheri

Die Ausschussvorsitzende stellt die Beauftragte für Integration und Migration im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der Migrationsbeauftragten der Berliner Bezirke, Frau Doris Nahawandi, vor und bittet sie, von ihrer Arbeit zu berichten.

Frau Nahawandi erklärt, das Thema Integration gewinne zunehmend an gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. So habe die Bundesbeauftragte für Migration und Integration, Frau Böhmer, den Rang einer Staatsministerin im Kanzleramt. Der Anteil von Bürgern mit Migrationshintergrund nehme zu; im Bezirk Steglitz-Zehlendorf betrage er beispielsweise 12 Prozent. Der tatsächliche Anteil dürfte jedoch höher sein, da viele Menschen aus dieser Gruppe bereits eingebürgert seien und daher statistisch nicht mehr erfasst würden. Dennoch würden Menschen mit Migrationshintergrund wegen ihrer Herkunft oder Hautfarbe Diskriminierung erfahren. Da die Berliner Verwaltung per Geschäftsordnung interkulturell geöffnet ist, seien in den meisten Bezirken Stellen für Beauftragte für Integration bzw. Migration geschaffen worden.

Im Bezirk Friedrichhain-Kreuzberg hätten das Bezirksamt und die BVV beschlossen, dass die interkulturelle Öffnung vorangetrieben werden soll. Daraufhin sei eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die diesen Prozess u.a. durch die Erarbeitung von Standards und Schulungen vorantreibt. Dennoch sei der Prozess auch in Friedrichshain-Kreuzberg noch nicht abgeschlossen. Weitere Schwerpunkte ihrer Arbeit seien die Beratung von Bezirksamt und BVV. Innerhalb des Bezirksamts habe ihr Aufgabenbereich eine Querschnittsfunktion, da sie in viele andere Bereiche hineinreicht (z.B. Gesundheitsdienst, interkulturelle Altenhilfe, Beratung von Familien nicht deutscher Herkunft im Jugendamt etc.) Innerhalb des Bezirksamts befasse sie sich auch mit der Frage, in wie weit die Leistungen des Amtes den speziellen Bedürfnissen von Migranten gerecht werden. In ihrem Zuständigkeitsbereich vertrete sie zudem den Bezirk nach außen.

Weiterhin sei sie „zuständig für den ganzen Bereich der Demokratieförderung im Bezirk“. So bearbeite und thematisiere sie die Problembereiche Rechtsextremismus, Rassismus, Islamismus, Islamophobie, Antisemitismus usw. Hierbei habe sie z.B. bei der Senatsverwaltung einen Antrag für einen lokalen Aktionsplan „Toleranz und Demokratie“ (innerhalb des Bundesprogramms „Jugend für Vielfalt und Demokratie“) gestellt, dessen Umsetzung von ihr ebenfalls koordiniert würde.

Frau Nahawandi erwähnt in diesem Zusammenhang, dass das Jugendamt des Bezirks Steglitz-Zehlendorf ebenfalls einen Antrag gestellt habe. Allerdings sei der Antwort der Bundesregierung vom 24.04.2007 auf eine Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke aus dem Deutschen Bundestag zum Thema „Stand der Umsetzung des Bundesprogramms ’Jugend für Vielfalt und Demokratie’“ zu entnehmen, dass Steglitz-Zehlendorf bisher keinen Zuschlag für dieses Programm erhalten habe.

Zu ihrem Aufgabenbereich falle auch der Bildungs- und Beschäftigungsbereich, da viele „Gastarbeiter“, die in Kreuzberg wohnen, arbeitslos sind. Weiterhin müsse sie sich mit dem Bereich Schule und Ausbildung befassen, da es sich herausgestellt habe, dass sich das Schulsystem noch nicht auf eine heterogene Schülerschaft eingestellt habe und somit Schüler, die nicht Deutsch als Muttersprache sprechen, nicht gleichberechtigt behandelt werden. Weiterhin sei sie für Bevölkerung, Politik und Projekte Ansprechpartnerin für alles, was mit dem Thema zu tun hat. Da sie jedoch nur eine Mitarbeiterin habe, sei die Arbeit kaum zu leisten, so dass ständig Prioritäten gesetzt werden müssen.

Auf die Nachfrage der FDP-Fraktion nach der anteiligen Aufteilung dieser Aufgabenfelder erklärt Frau Nahawandi, sie führe keine eigene Beratung durch, sondern nur wegweisende Beratung über ihre Mitarbeiterin. Im übrigen würde sie auf den Beraterpool des Senats verweisen. Dies liege daran, dass sich die politische Spitze in Friedrichshain-Kreuzberg darauf verständigt habe, dass vor allem die konzeptionellen Fragen bearbeitet werden sollen. Ihre eigene konkrete Arbeit hänge z.B. stark von den Anfragen oder Beschlüssen der BVV ab. So erarbeite sie derzeit ein Integrationskonzept. Zudem habe sie die Geschäftsführung des Migrationsbeirats inne, der das Bezirksamt in dieser Thematik berät. Weiterhin werde sie bei Fragen des Quartiersmanagement hinzugezogen.

Die CDU-Fraktion bittet Frau Nahawandi, den Unterschied zwischen einem Migrationsbeauftragten und einem Integrationsbeauftragten zu erläutern. Sie verweist auf einen Wandel des Begriffs. Aus dem früheren Ausländerbeauftragten sei zunächst ein Migrationsbeauftragter geworden; dann habe der Senat beschlossen, dieses Amt umzuwandeln in den Beauftragten für Integration und Migration. Dieser Bezeichnung habe sich der Bezirk Friedrichhain-Kreuzberg per BVV-Beschluss angeschlossen.

In der sich anschließenden Diskussion erklärt die CDU-Fraktion, dass die Integrationspolitik in Neukölln und Kreuzberg gescheitert sei und dass sich die Aussagen von Frau Nahawandi nicht mit den Ansichten von Frau Ates decken, deren Namen im Zusammenhang mit der möglichen Einrichtung eines/einer Integrationsbeauftragten in Steglitz-Zehlendorf genannt wird. Frau Nahawandi erklärt, im Gegensatz zu Neukölln sei in Friedrichshain-Kreuzberg die Integrationspolitik nicht gescheitert. Zudem habe jeder eine andere Vorstellung davon, was Integration bedeutet. Fakt sei jedoch, dass die weiße deutsche Mehrheitsgesellschaft die Definitionsmacht besitze. Das Grundgesetz gebe vor, dass jeder, der in Deutschland lebt, das Grundgesetz und die gesellschaftspolitischen Spielregeln zu beachten habe. Es gebe keinen Gegensatz zwischen ihr und Frau Ates, allenfalls unterschiedliche Positionen zur Stellung von Muslimen in der Gesellschaft. Häufig seien Angebote an Migrantenfamilien gescheitert, weil sie von Angehörigen der bürgerlichen Mittelschicht entwickelt und von der Arbeiterschicht nicht angenommen wurden. Ähnlich werde auch beim Schulsystem nur gesagt, eine Zielgruppe habe ein Angebot nicht angenommen, statt zu fragen, was hätte anders gemacht werden müsse, damit sie es annimmt.

Frau Nahawandi erklärt, dass in Friedrichshain-Kreuzberg Menschen aus 160 Ländern leben, so dass ein möglichst konfliktfreies Zusammenleben organisiert werden müsse. Speziell für die Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die hier schon in der dritten Generation leben und für die Kreuzberg und Deutschland die Heimat ist, sei es wichtig, dass man ihnen Signale gibt, dass man sie als gleichberechtigt betrachtet.

Die SPD-Fraktion erklärt, in der Integrationspolitik habe es einen Paradigmenwechsel gegeben. Lange Zeit seien die CDU und weite Teile der Bevölkerung der Auffassung gewesen, dass die „Gastarbeiter“ wieder in ihre Heimat zurückkehren würden, während die SPD glaubte, dass eine Integration schon irgendwie stattfinden werde. Durch zunehmende Probleme – z.B. mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund (Stichwort: Parallelgesellschaften) – habe die Integrationspolitik in letzter Zeit aber an Gewicht gewonnen. Letztere müsse sicherstellen, dass auch auf kommunaler Ebene Angebote und Anreize geschaffen werden, die ihnen über die Ausbildung einen sozialen Aufstieg ermöglichen, der wiederum ihre Integration befördern würde.

Die FDP-Fraktion fragt, welches die speziellen Tätigkeiten eines Integrationsbeauftragten sind, die nicht auch in einem Bezirk ohne einen solchen Beauftragten durch eine Schwerpunktsetzung der BVV oder der VHS geleistet werden könnten. Man müsse sich fragen, ob eine zusätzliche Verwaltungsstelle wirklich notwendig sei oder die bestehende Verwaltung nicht ausreiche. Frau Nahawandi erklärt, dies sei eine politische Entscheidung. Die CDU-Fraktion wirft die Frage auf, ob eine solche Stelle im Bezirk Steglitz-Zehlendorf überhaupt ausgefüllt werden könnte und bittet in diesem Zusammenhang, dem Protokoll eine statistische Übersicht über die Herkunft der Bürger des Bezirks beizufügen, die keinen deutschen Pass besitzen.

Die CDU-Fraktion weist weiter darauf hin, dass sich der Arbeitsbereich von Frau Nahawandi offenbar zu einem nicht geringen Teil auf häufig erwerbslose „Gastarbeiter“ beziehe und stellt die Frage, ob im Bezirk Steglitz-Zehlendorf angesichts einer andersartigen Zusammensetzung der Bevölkerung ein Integrationsbeauftragter überhaupt notwendig sei. Frau Nahawandi erklärt, man könne zum einen davon ausgehen, dass im Bezirk Steglitz-Zehlendorf mehr als nur die 12 % der Bevölkerung, die keinen deutschen Pass besitzen, einen Migrationshintergrund haben. Zum anderen befasse ein Migrationsbeauftragter sich nicht zuvörderst mit der Frage, ob Menschen integriert sind, sondern ob und wo es Barrieren oder Diskriminierungen gibt, die dazu führen, dass sie nicht die gleichen Chancen haben wie andere Bevölkerungsteile.

Die Fraktion GRÜNE nennt es problematisch, die Notwendigkeit eines Integrationsbeauftragten nur danach zu beurteilen, ob es in einem Bezirk soziale Randgruppen gibt und weist darauf hin, dass auch Akademiker mit Migrationshintergrund Schwierigkeiten haben können. Die Frage, die man sich stellen müsse, sei, was man für den Bezirk und seine Bürger für wichtig und wünschenswert hält.

Frau Nahawandi nennt als Beispiele für Probleme in einem bürgerlichen Bezirk, dass es auch dort Diskriminierung von Menschen mit anderer Hautfarbe durch Mitarbeiter des Bezirksamtes oder Probleme bei der schulischen Sexualerziehung von Kindern aus Migrantenfamilien geben kann. Solche Menschen bräuchten eine Anlaufstelle. Genauso gut könne man sich die Frage stellen, wozu ein Behindertenbeauftragter notwendig sei.

Die CDU-Fraktion wirft die Frage auf, was der Begriff Integration eigentlich beinhalte. Frau Nahawandi erklärt, es gebe keine endgültige Definition hierfür. Man könne sagen, dass jeder, der die Spielregeln eines Landes kenne und sich in der Gesellschaft dementsprechend bewege, integriert sei. Auf Nachfrage der CDU-Fraktion erklärt sie, die Kenntnis der Sprache sei zwar wichtig, aber nicht das entscheidende Kriterium. Zu wenig Deutschkenntnisse seien nicht gleichbedeutend mit nicht integriert.

Aufgrund eines weiteren Termins muss Frau Nahawandi die Sitzung verlassen.

Die Ausschussvorsitzende erklärt, dass sie die Absicht habe, zur nächsten Sitzung des Ausschusses Vertreter von Gruppen und Vereinen einzuladen, die einen praktischen Bezug zu dem Thema Integration haben und bittet die Fraktionen um Vorschläge. Dieses Vorhaben findet Zustimmung, mit dem Hinweis, das Thema auch losgelöst vorliegenden Antrag weiterzubehandeln.

Die SPD-Fraktion bittet, neben Vereinen z.B. auch Vertreter der Freien Universität einzuladen – z.B. deren Ausländerbeauftragten – da dort langjährige Erfahrungen mit der Integration von StudentInnen nicht deutscher Herkunft bestehen. Zudem solle der Ausschuss klären, womit er sich weiterhin schwerpunktmäßig befassen wolle. Die Ausschussvorsitzende bittet die Fraktionen, sich ins Benehmen zu setzen und ihr Themen mitzuteilen.

 
 

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