Auszug - Vorstellung der Arbeit einer Integrations-/Migrationsbeauftragten Referentin: Frau Doris Nahawandi, Beauftragte für Integration u. Migration in Friedrichshain-Kreuzberg, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der Migrationsbeauftragten der BerlinerBezirke
Die Ausschussvorsitzende stellt die Beauftragte für Integration und Migration im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der Migrationsbeauftragten der Berliner Bezirke, Frau Doris Nahawandi, vor und bittet sie, von ihrer Arbeit zu berichten. Frau
Nahawandi erklärt, das Thema Integration gewinne zunehmend an
gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. So habe die Bundesbeauftragte für Migration
und Integration, Frau Böhmer, den Rang einer Staatsministerin im Kanzleramt.
Der Anteil von Bürgern mit Migrationshintergrund nehme zu; im Bezirk
Steglitz-Zehlendorf betrage er beispielsweise 12 Prozent. Der tatsächliche
Anteil dürfte jedoch höher sein, da viele Menschen aus dieser Gruppe bereits
eingebürgert seien und daher statistisch nicht mehr erfasst würden. Dennoch
würden Menschen mit Migrationshintergrund wegen ihrer Herkunft oder Hautfarbe
Diskriminierung erfahren. Da die Berliner Verwaltung per Geschäftsordnung
interkulturell geöffnet ist, seien in den meisten Bezirken Stellen für
Beauftragte für Integration bzw. Migration geschaffen worden. Im
Bezirk Friedrichhain-Kreuzberg hätten das Bezirksamt und die BVV beschlossen,
dass die interkulturelle Öffnung vorangetrieben werden soll. Daraufhin sei eine
Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die diesen Prozess u.a. durch die Erarbeitung
von Standards und Schulungen vorantreibt. Dennoch sei der Prozess auch in
Friedrichshain-Kreuzberg noch nicht abgeschlossen. Weitere Schwerpunkte ihrer
Arbeit seien die Beratung von Bezirksamt und BVV. Innerhalb des Bezirksamts
habe ihr Aufgabenbereich eine Querschnittsfunktion, da sie in viele andere
Bereiche hineinreicht (z.B. Gesundheitsdienst, interkulturelle Altenhilfe,
Beratung von Familien nicht deutscher Herkunft im Jugendamt etc.) Innerhalb des
Bezirksamts befasse sie sich auch mit der Frage, in wie weit die Leistungen des
Amtes den speziellen Bedürfnissen von Migranten gerecht werden. In ihrem
Zuständigkeitsbereich vertrete sie zudem den Bezirk nach außen. Weiterhin
sei sie „zuständig für den ganzen Bereich der Demokratieförderung im Bezirk“.
So bearbeite und thematisiere sie die Problembereiche Rechtsextremismus,
Rassismus, Islamismus, Islamophobie, Antisemitismus usw. Hierbei habe sie z.B.
bei der Senatsverwaltung einen Antrag für einen lokalen Aktionsplan „Toleranz
und Demokratie“ (innerhalb des Bundesprogramms „Jugend für Vielfalt und
Demokratie“) gestellt, dessen Umsetzung von ihr ebenfalls koordiniert würde. Frau
Nahawandi erwähnt in diesem Zusammenhang, dass das Jugendamt des Bezirks
Steglitz-Zehlendorf ebenfalls einen Antrag gestellt habe. Allerdings sei der
Antwort der Bundesregierung vom 24.04.2007 auf eine Kleinen Anfrage der
Fraktion Die Linke aus dem Deutschen Bundestag zum Thema „Stand der Umsetzung
des Bundesprogramms ’Jugend für Vielfalt und Demokratie’“ zu entnehmen, dass
Steglitz-Zehlendorf bisher keinen Zuschlag für dieses Programm erhalten habe. Zu
ihrem Aufgabenbereich falle auch der Bildungs- und Beschäftigungsbereich, da
viele „Gastarbeiter“, die in Kreuzberg wohnen, arbeitslos sind. Weiterhin müsse
sie sich mit dem Bereich Schule und Ausbildung befassen, da es sich
herausgestellt habe, dass sich das Schulsystem noch nicht auf eine heterogene
Schülerschaft eingestellt habe und somit Schüler, die nicht Deutsch als
Muttersprache sprechen, nicht gleichberechtigt behandelt werden. Weiterhin sei
sie für Bevölkerung, Politik und Projekte Ansprechpartnerin für alles, was mit
dem Thema zu tun hat. Da sie jedoch nur eine Mitarbeiterin habe, sei die Arbeit
kaum zu leisten, so dass ständig Prioritäten gesetzt werden müssen. Auf
die Nachfrage der FDP-Fraktion nach der anteiligen Aufteilung dieser
Aufgabenfelder erklärt Frau Nahawandi, sie führe keine eigene Beratung durch,
sondern nur wegweisende Beratung über ihre Mitarbeiterin. Im übrigen würde sie
auf den Beraterpool des Senats verweisen. Dies liege daran, dass sich die
politische Spitze in Friedrichshain-Kreuzberg darauf verständigt habe, dass vor
allem die konzeptionellen Fragen bearbeitet werden sollen. Ihre eigene konkrete
Arbeit hänge z.B. stark von den Anfragen oder Beschlüssen der BVV ab. So
erarbeite sie derzeit ein Integrationskonzept. Zudem habe sie die
Geschäftsführung des Migrationsbeirats inne, der das Bezirksamt in dieser
Thematik berät. Weiterhin werde sie bei Fragen des Quartiersmanagement
hinzugezogen. Die
CDU-Fraktion bittet Frau Nahawandi, den Unterschied zwischen einem
Migrationsbeauftragten und einem Integrationsbeauftragten zu erläutern. Sie
verweist auf einen Wandel des Begriffs. Aus dem früheren Ausländerbeauftragten
sei zunächst ein Migrationsbeauftragter geworden; dann habe der Senat
beschlossen, dieses Amt umzuwandeln in den Beauftragten für Integration und
Migration. Dieser Bezeichnung habe sich der Bezirk Friedrichhain-Kreuzberg per
BVV-Beschluss angeschlossen. In
der sich anschließenden Diskussion erklärt die CDU-Fraktion, dass die
Integrationspolitik in Neukölln und Kreuzberg gescheitert sei und dass sich die
Aussagen von Frau Nahawandi nicht mit den Ansichten von Frau Ates decken, deren
Namen im Zusammenhang mit der möglichen Einrichtung eines/einer Integrationsbeauftragten
in Steglitz-Zehlendorf genannt wird. Frau Nahawandi erklärt, im Gegensatz zu
Neukölln sei in Friedrichshain-Kreuzberg die Integrationspolitik nicht
gescheitert. Zudem habe jeder eine andere Vorstellung davon, was Integration
bedeutet. Fakt sei jedoch, dass die weiße deutsche Mehrheitsgesellschaft die
Definitionsmacht besitze. Das Grundgesetz gebe vor, dass jeder, der in
Deutschland lebt, das Grundgesetz und die gesellschaftspolitischen Spielregeln
zu beachten habe. Es gebe keinen Gegensatz zwischen ihr und Frau Ates,
allenfalls unterschiedliche Positionen zur Stellung von Muslimen in der
Gesellschaft. Häufig seien Angebote an Migrantenfamilien gescheitert, weil sie
von Angehörigen der bürgerlichen Mittelschicht entwickelt und von der Arbeiterschicht
nicht angenommen wurden. Ähnlich werde auch beim Schulsystem nur gesagt, eine
Zielgruppe habe ein Angebot nicht angenommen, statt zu fragen, was hätte anders
gemacht werden müsse, damit sie es annimmt. Frau
Nahawandi erklärt, dass in Friedrichshain-Kreuzberg Menschen aus 160 Ländern
leben, so dass ein möglichst konfliktfreies Zusammenleben organisiert werden
müsse. Speziell für die Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die hier schon
in der dritten Generation leben und für die Kreuzberg und Deutschland die
Heimat ist, sei es wichtig, dass man ihnen Signale gibt, dass man sie als
gleichberechtigt betrachtet. Die
SPD-Fraktion erklärt, in der Integrationspolitik habe es einen
Paradigmenwechsel gegeben. Lange Zeit seien die CDU und weite Teile der Bevölkerung
der Auffassung gewesen, dass die „Gastarbeiter“ wieder in ihre Heimat
zurückkehren würden, während die SPD glaubte, dass eine Integration schon
irgendwie stattfinden werde. Durch zunehmende Probleme – z.B. mit Jugendlichen
mit Migrationshintergrund (Stichwort: Parallelgesellschaften) – habe die
Integrationspolitik in letzter Zeit aber an Gewicht gewonnen. Letztere müsse
sicherstellen, dass auch auf kommunaler Ebene Angebote und Anreize geschaffen
werden, die ihnen über die Ausbildung einen sozialen Aufstieg ermöglichen, der
wiederum ihre Integration befördern würde. Die
FDP-Fraktion fragt, welches die speziellen Tätigkeiten eines
Integrationsbeauftragten sind, die nicht auch in einem Bezirk ohne einen
solchen Beauftragten durch eine Schwerpunktsetzung der BVV oder der VHS
geleistet werden könnten. Man müsse sich fragen, ob eine zusätzliche
Verwaltungsstelle wirklich notwendig sei oder die bestehende Verwaltung nicht
ausreiche. Frau Nahawandi erklärt, dies sei eine politische Entscheidung. Die
CDU-Fraktion wirft die Frage auf, ob eine solche Stelle im Bezirk
Steglitz-Zehlendorf überhaupt ausgefüllt werden könnte und bittet in diesem
Zusammenhang, dem Protokoll eine statistische Übersicht über die Herkunft der
Bürger des Bezirks beizufügen, die keinen deutschen Pass besitzen. Die
CDU-Fraktion weist weiter darauf hin, dass sich der Arbeitsbereich von Frau
Nahawandi offenbar zu einem nicht geringen Teil auf häufig erwerbslose
„Gastarbeiter“ beziehe und stellt die Frage, ob im Bezirk Steglitz-Zehlendorf angesichts
einer andersartigen Zusammensetzung der Bevölkerung ein
Integrationsbeauftragter überhaupt notwendig sei. Frau Nahawandi erklärt, man
könne zum einen davon ausgehen, dass im Bezirk Steglitz-Zehlendorf mehr als nur
die 12 % der Bevölkerung, die keinen deutschen Pass besitzen, einen
Migrationshintergrund haben. Zum anderen befasse ein Migrationsbeauftragter
sich nicht zuvörderst mit der Frage, ob Menschen integriert sind, sondern ob
und wo es Barrieren oder Diskriminierungen gibt, die dazu führen, dass sie
nicht die gleichen Chancen haben wie andere Bevölkerungsteile. Die
Fraktion GRÜNE nennt es problematisch, die Notwendigkeit eines
Integrationsbeauftragten nur danach zu beurteilen, ob es in einem Bezirk
soziale Randgruppen gibt und weist darauf hin, dass auch Akademiker mit
Migrationshintergrund Schwierigkeiten haben können. Die Frage, die man sich
stellen müsse, sei, was man für den Bezirk und seine Bürger für wichtig und
wünschenswert hält. Frau
Nahawandi nennt als Beispiele für Probleme in einem bürgerlichen Bezirk, dass
es auch dort Diskriminierung von Menschen mit anderer Hautfarbe durch
Mitarbeiter des Bezirksamtes oder Probleme bei der schulischen Sexualerziehung
von Kindern aus Migrantenfamilien geben kann. Solche Menschen bräuchten eine Anlaufstelle.
Genauso gut könne man sich die Frage stellen, wozu ein Behindertenbeauftragter
notwendig sei. Die
CDU-Fraktion wirft die Frage auf, was der Begriff Integration eigentlich
beinhalte. Frau Nahawandi erklärt, es gebe keine endgültige Definition hierfür.
Man könne sagen, dass jeder, der die Spielregeln eines Landes kenne und sich in
der Gesellschaft dementsprechend bewege, integriert sei. Auf Nachfrage der
CDU-Fraktion erklärt sie, die Kenntnis der Sprache sei zwar wichtig, aber nicht
das entscheidende Kriterium. Zu wenig Deutschkenntnisse seien nicht
gleichbedeutend mit nicht integriert. Aufgrund
eines weiteren Termins muss Frau Nahawandi die Sitzung verlassen. Die
Ausschussvorsitzende erklärt, dass sie die Absicht habe, zur nächsten Sitzung
des Ausschusses Vertreter von Gruppen und Vereinen einzuladen, die einen
praktischen Bezug zu dem Thema Integration haben und bittet die Fraktionen um
Vorschläge. Dieses Vorhaben findet Zustimmung, mit dem Hinweis, das Thema auch
losgelöst vorliegenden Antrag weiterzubehandeln. Die
SPD-Fraktion bittet, neben Vereinen z.B. auch Vertreter der Freien Universität
einzuladen – z.B. deren Ausländerbeauftragten – da dort langjährige Erfahrungen
mit der Integration von StudentInnen nicht deutscher Herkunft bestehen. Zudem
solle der Ausschuss klären, womit er sich weiterhin schwerpunktmäßig befassen
wolle. Die Ausschussvorsitzende bittet die Fraktionen, sich ins Benehmen zu
setzen und ihr Themen mitzuteilen. |
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