Auszug - Informationen des BzBm  

 
 
40. (öffentliche) Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung
TOP: Ö 5
Gremium: BVV Treptow-Köpenick Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 24.09.2015 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 - 21:25 Anlass: ordentliche
Raum: Rathaus Treptow, BVV-Saal, Raum 218/217
Ort: Neue Krugallee 4, 12435 Berlin

Sehr geehrter Herr Vorsteher, meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich habe bereits des Öfteren an dieser Stelle über die Situation der Flüchtlinge, die Entwicklung der Flüchtlingszahlen im Bezirk berichtet. Ich habe dieses Thema wiederholt auch zum Schwerpunkt des Berichtes des Bezirksbürgermeisters gemacht. Ich werde aus gegebenem Anlass heute auch nur zu diesem Thema sprechen und keine weiteren Punkte ansprechen. Ich denke, was in den letzten Wochen bzw. seit Beginn der Sommerpause geschehen ist, macht es notwendig, Ausführungen zu diesem Thema ausführlicher zu gestalten und es auch zu einem Schwerpunkt zu machen.

Meine Damen und Herren, wir haben hier immer wieder darüber debattiert, was geschehen muss, um eben der Situation, wenn Flüchtlinge in die Stadt kommen, wenn sie eine Unterkunft suchen, was dann schnellstmöglich zu geschehen ist. Wir haben versucht, uns bestmöglich vorzubereiten, haben ein System entwickelt, wie wir die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen, mit Informationsveranstaltungen ihnen soviel wie möglich Informationen zu geben, um sich darauf vorzubereiten, um ihnen aber auch ein Podium zu geben, Fragen zu stellen, sich mit dem Thema zusammen mit dem Bezirksamt, den Trägern und mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales zu befassen und gemeinsam dann auch dieses Thema anzugehen.

Was allerdings in diesem Sommer als Herausforderung auf Deutschland, auf das Land Berlin hinzukam, damit hat nun wirklich niemand gerechnet. Innerhalb von 10 Tagen im Monat September sind 150.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen – innerhalb von 10 Tagen! Seit dem 5. September sind bis zum Anfang dieser Woche nach Berlin über 9.000 Flüchtlinge gekommen. Das sind so viele, wie in den Jahren 2012 und 2013 zusammen nach Berlin gekommen sind – innerhalb weniger Tage! Dieser Herausforderung hat sich das Land Berlin stellen müssen und bei all den Problemen, die damit einhergehen – ich glaube, ich muss nur die Situation rund um das Landesamt für Gesundheit und Soziales in der Turmstraße erwähnen – bei all den schwierigen Begleitumständen, diese Situation hat Berlin bewältigen können. In einem durchaus gewaltigen Kraftakt, denn es waren innerhalb kürzester Zeit mehrere Tausend Unterkunftsplätze für Menschen in Not zu schaffen gewesen, um ihnen wenigstens ein Dach über den Kopf zu geben. Und, ja, es sind dort sehr kurzfristig Entscheidungen getroffen worden für sehr große Standorte – die Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne, das ehemalige Telekom-Gelände in Karlshorst, wo über Tausend Menschen untergebracht wurden., ein weiterer Standort ist das Rathaus Wilmersdorf und es wird noch weiter geprüft werden, große Standorte in Berlin dafür herzurichten, um, jetzt insbesondere kurz vor der kalten Jahreszeit, den Menschen ein Dach über den Kopf zu geben. Das ICC ist im Gespräch, das Flughafengelände Tempelhof ist im Gespräch, beides große Objekte, wo eine 4-stellige Zahl an Menschen untergebracht werden kann und werden muss. Es sind in Pankow 2 große Turnhallen dafür genutzt worden, um dieser Situation eben Herr zu werden. Das alles, insbesondere die Situation um die Turnhallen ist natürlich nur als letzte Möglichkeit geprüft und genutzt worden, denn selbstverständlich wollen wir die Einschränkungen für die Bevölkerung in Berlin gering halten. Aber was soll getan werden, wenn, wie inzwischen Alltag ist, der Fernzug aus München in Schönefeld ankommt und die Menschen am frühen Morgen die Stadt Berlin erreichen und dann ab diesem Zeitpunkt auch eine Unterkunft benötigen. Das ist eine Herausforderung. Die hat nicht nur die Stadt Berlin zu bewältigen, die ist eben in ganz Deutschland zu bewältigen. Es ist kein alleiniges Berliner Problem. Es ist in den letzten Wochen viel geschehen, um die Abläufe innerhalb der Verwaltungen auf Bundesebene, auf Länderebene und auch auf Bezirksebene zu verbessern. Es gibt regelmäßige Besprechungen auf Bund-Länder-Ebene und es gibt auch den regelmäßigen Austausch auf Bezirksebene. Wir haben noch im August als Rat der Bürgermeister beschlossen, dass wir nunmehr zweimal im Monat tagen wollen, die 12 Bezirksbürgermeister zusammen mit dem Senat. In einer Sitzung wollen wir uns allein mit dem Thema Flüchtlingssituation beschäftigen. In der 2. Sitzung wird es auch ein ständiger Tagesordnungspunkt sein. Der Berliner Senat hat einen landesweiten Koordinierungsstab zum Flüchtlingsmanagement eingerichtet, der in einer großen Lagebesprechung jeden Mittwoch tagt und in einer kleinen Lagebesprechung täglich tagt. In der großen Lagebesprechung jeden Mittwoch sind auch zwei Bezirksbürgermeister vertreten. In den Sitzungen, an denen ich auch schon teilgenommen habe, geht es zwar vor allem darum, die Situation in der Turmstraße zu verbessern, aber es geht auch kurz-, mittel- und langfristig darum, Möglichkeiten zu finden, wie wir Flüchtlinge in dieser Stadt menschenwürdig unterbringen. Dafür sind noch eine ganze Menge Arbeiten zu erledigen.

Sie wissen, dass im Gespräch ist, Brachflächen für eine modulare Bebauung – das sind keine Container – herzurichten. Das soll auch an 60 Standorten in Berlin geschehen. Dafür sind die Prüfungen noch nicht abgeschlossen. Auch dies wird nur eine mittelfristige Lösung sein, denn bis diese Bauarbeiten nach Identifikation der Grundstücke fertig sind, wird es wahrscheinlich noch ein dreiviertel Jahr dauern. Wir brauchen aber jetzt die Lösung, denn die Menschen sind jetzt da. Deswegen wird es auch weiterhin kurzfristige Maßnahmen geben, die ergriffen werden müssen, um den Menschen ein Dach über den Kopf zu geben. Wir sind in unserem Bezirk, das muss man an der Stelle sagen, bisher davon nicht betroffen. Es ist bei uns bisher keine Turmhalle beschlagnahmt worden. Aber ich sage das an dieser Stelle, das kann sich stündlich ändern, denn wenn die Situation so ist, ist es ein Akt der Menschenwürde, die Menschen auch entsprechend unterzubringen. Und, meine Damen und Herren, es ist schon hart an der Grenze, wenn wir dafür zu Turnhallen greifen müssen. Aber man sagt ja in der Politik, es gibt da keine Alternativen. Natürlich gibt es an der Stelle auch Alternativen. Bloß, ob wir es zulassen wollen, dass Menschen dauerhaft in den Grünanlagen um die Turmstraße übernachten oder an anderen Orten dieser Stadt, die kein Dach haben, das wage ich zu bezweifeln. Ob es dafür auch die Akzeptanz in der Bevölkerung gibt, auch das wage ich zu bezweifeln.

Meine Damen und Herren, für die Verwaltung insgesamt in der Stadt war es eine gewaltige Herausforderung, diese, jetzt kurzfristig herzurichtenden großen Objekte zu finden, zu identifizieren und einzurichten. Und, ja, die Verwaltung ist insgesamt damit auch überfordert. Ohne das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern, das es in großer Zahl gibt, in und um Einrichtungen, und damit meine ich nicht nur die Turmstraße, sondern auch alle anderen Gemeinschafts- und Notunterkünfte, rettet derzeit die Stadt Berlin. Ohne diese ehrenamtliche Unterstützung hätte sich bereits eine humanitäre Katastrophe in dieser Stadt abgespielt. Das muss man an dieser Stelle so zugeben. Ich will das aber ausdrücklich mit einen Dank an alle diejenigen verbinden, die sich, ob nun in unserem Bezirk oder in anderen Bezirken, bereit erklärt haben, Urlaub, Semesterferien, Freizeit oder was auch immer zu opfern, um diesen Menschen zu helfen.

Die Bezirksverwaltung Treptow-Köpenick hat auch einen Beitrag geleistet. Wir sind gefragt worden, alle Berliner Verwaltungen sind gefragt worden, ob es eine Bereitschaft gibt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, freiwillig dem Landesamt für Gesundheit und Soziales unter die Arme zu greifen und dort den Stab der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erweitern. Der Senat hat beschlossen, dass das Landesamt für Gesundheit und Soziales insgesamt 180 zusätzliche Stellen bekommt. Sie wissen alle, wie lange Stellenbesetzungsverfahren in Berlin dauern, unter 6 Monaten ist da nichts zu machen. Deswegen gab es einen Aufruf für Meldungen freiwilliger Art und ich bin durchaus stolz und dankbar darauf, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Bezirk Treptow-Köpenick in großer Zahl diesem Aufruf gefolgt sind. 25 Kolleginnen und Kollegen haben gesagt, wir wollen an dieser Stelle helfen. 10 sind bereits an das Landesamt für Gesundheit und Soziales abgeordnet oder stehen unmittelbar davor. Und das in einer Situation, wo auch den Kolleginnen und Kollegen nicht langweilig ist in ihrem Beruf, wo es auch dazu führen wird, dass natürlich Lücken entstehen werden in unserer Bezirksverwaltung, in den einzelnen Abteilungen und Ämtern, wenn diese Kolleginnen und Kollegen jetzt für 3 oder 6 Monate oder möglicherweise für längere Zeit fehlen werden. Aber ich will auch denjenigen Kolleginnen und Kollegen Dank sagen, dass sie sich dafür freiwillig gemeldet haben aus der Bezirksverwaltung. Aus dem Jobcenter sind auch Kolleginnen und Kollegen gekommen.

Gestern war im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses die erste Lesung der Bezirkshaushalte. Eine Frage, die an die Bezirksbürgermeister gestellt wurde, war diejenige, welche Auswirkungen die Bezirke durch die steigende Zahl an Flüchtlingen erwarten. Die Antwort ist darauf: Natürlich wird es ganz erhebliche Auswirkungen geben.

Beginn der Tonstörung: Es war keine vollinhaltliche Wiedergabe möglich.

Ich kann Ihnen sagen, alle Ämter in diesem Bezirksamt werden davon betroffen sein, ob es nun das Sozialamt ist, ob es das Jugendamt ist oder ob es das Bürgeramt ist, ob es um die Unterbringung von Menschen geht, ob es um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge geht oder ob es um anerkannte Flüchtlinge geht, die einen Berlin-Pass im Bürgeramt erhalten wollen.

Alle Ämter werden davon betroffen. Wir werden im Schulamt natürlich dafür sorgen müssen, dass die entsprechenden Willkommensklassen geschaffen werden. Wir werden im Jugendamt die Anstrengungen verstärken müssen, dass Kitaplätze geschaffen werden und wir werden in allen anderen Ämtern auch mit diesem Thema zu tun bekommen.

Wir können hier als Bezirk durchaus zeigen, dass wir eine solche Situation bewältigen, wenn wir dies hier an dieser Stelle das auch wirklich als gemeinsame Aufgabe erkennen, die wir bereit sind anzunehmen.

Wir werden das auch gemeinsam bewältigen können und müssen, wenn wir auch bereit sind anzuerkennen, dass die Verwaltung auch an ihre Grenzen gerät und nicht alles zu 100 Prozent klappt. Und natürlich gibt es immer jemanden, der noch einen Tipp, einen Hinweis hat, was besser zu machen ist. Gern nehmen wir das an.

Dies sollte aber gegenüber der Verwaltung nicht als Kritik verstanden werden, sondern als Hinweis. Ich sage das an dieser Stelle, weil ich durchaus erwarte, ohne einen konkreten Hinweis zu haben, dass wir mit dieser Situation auch in Treptow-Köpenick in Kürze konfrontiert werden, denn, ich habe es erwähnt, die Zahl der Flüchtlinge ist hoch und bleibt hoch. Das, was in Lichtenberg, Spandau, Charlottenburg-Wilmersdorf und in Mitte gerade gelingt, wird auf Dauer nur gelingen, wenn das Haupt- und auch das Ehrenamt entlastet wird und nicht vor immer neue Aufgaben gestellt wird. Deshalb müssen wir an dieser Stelle auch als Bezirk Treptow-Köpenick Unterstützung geben. Wir haben dies auch durchaus getan.

Meine Damen und Herren, in einer großen Zahl kommen Jugendliche ohne Eltern in der Stadt an. Es sind über 600 Jugendliche derzeit in Berlin ohne Vater, ohne Mutter. Das ist eine besonders schwierige Situation – über 600. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, die für die Jugendlichen zuständig ist, rechnet damit, dass die Zahl in wenigen Wochen auf 1.000 angestiegen sein wird. Wir brauchen gerade für diese Jugendlichen Unterstützung im Bereich der Unterbringung und Betreuung.

Und, meine Damen und Herren, es ist immer schwieriger haupt- und ehrenamtliches Personal zu finden, welches sich gerade um diese besonders schutzwürdigen Jugendlichen kümmert. Wir werden versuchen, hier unseren Beitrag zu leisten.   Wir haben auch damit zu rechnen, dass eine sehr hohe Zahl an Menschen, die einen Antrag auf Asyl gestellt haben, in die bezirkliche Zuständigkeit wechseln und dann bei uns im Sozialamt anlanden werden.

Ende der Tonstörung.

Nach Abschluss des Verfahrens sind für Unterbringung und Leistungsgewährung die bezirklichen Sozialämter verantwortlich. Wir haben bereits beim Senator für Finanzen angemeldet, dass das bedeuten wird, dass wir sehr kurzfristig in Größenordnungen an dieser Stelle Personal benötigen, denn diese Menschen müssen entsprechend betreut werden, sie müssen ihre Leistungen bekommen. Sie brauchen auch eine entsprechende Unterkunft. Wir wollen ja auch versuchen, dass die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften so kurz wie möglich bleibt, auch wenn dies sehr ambitioniert ist in der derzeitigen Situation der Zahlen. Das heißt, auf das Jugendamt, auf das Sozialamt, auf den Bereich Schule, auf die Bürgerämter wird in den kommenden Monaten eine ganz neue Herausforderung zukommen, eine Herausforderung, mit der wir Anfang des Jahres, Mitte des Jahres, ich glaube auch bis Anfang des Septembers auch nicht rechnen konnten. Wir müssen da sehr schnell reagieren und ich denke, wir werden da gemeinsam mit dem Senat als Bezirke an dieser Stelle auch gemeinsam agieren können. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, weiterhin um Unterstützung, um Unterstützung der Verwaltung. Aber ich bitte Sie insbesondere dann, wenn bei uns im Bezirk eine Unterkunft errichtet wird, sich bereit zu erklären, sehr schnell in Helfernetzwerken mitzuwirken, um Verwaltung und die Menschen in Not, die Unterstützung zukommen zu lassen, die nötig ist.

Herzlichen Dank.

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 TOP 5 Informationen des BzBm Teil 1 (3931 KB)    
Anlage 2 2 TOP 5 Informationen des BzBm Teil 2 (4986 KB)    

 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
Bezirksverordnetenversammlung Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Kommunalpolitiker/-in Auszug Realisierung
   Anwesenheit Schriftliche Anfragen (ehemals Kleine)