10/2022-KÖNIGS WUSTERHAUSEN – Wechselvolle Geschichte einer deutsch-deutschen Partnerschaft

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Königs Wusterhausen / Oktober 2022

Dass Berlin durch Mauer und Stacheldraht geteilt war, dass die Systemgrenze zwischen Warschauer Pakt und NATO mitten durch Deutschland verlief und das Land zerriss: Jugendliche und junge Erwachsene kennen das nur noch aus dem Geschichtsunterricht. Mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 hörte die DDR auf zu existieren, fünf damals „neue“ Länder traten dem Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bei. Gleichwohl ist die Historie vorsichtiger deutsch-deutscher Annäherungsversuche, spätestens seit dem Grundlagenvertrag aus dem Jahre 1972, höchst spannend und birgt die eine oder andere Überraschung. Von großer politischer Tragweite waren im geteilten Deutschland nicht nur die Beziehungen zwischen Bonn und Ostberlin, sondern auch die Versuche auf der kommunalen Ebene, einander näherzukommen. Wegweisend war eine entsprechende Absichtserklärung während des Besuchs des DDR-Staatsratsvorsitzenden und Generalsekretärs des ZK der SED Erich Honecker (1976-1989) bei Bundeskanzler Helmut Kohl (1982-1998) im Herbst 1987. Im Hintergrund hatte auch die Sowjetunion ihren Segen für derartige Partnerschaften erteilt.

Noch in der Spätphase der DDR hatten länder- und systemübergreifende kommunale Partnerschaften hohe politische Relevanz. Nicht anders war das bei der Anbahnung der Partnerschaft zwischen dem Altbezirk Zehlendorf und der im DDR-Bezirk Potsdam gelegenen ehemaligen Kreisstadt Königs Wusterhausen. Über diese spannende Vorgeschichte hat Klaus-Peter Laschinsky intensiv recherchiert und seine Erkenntnisse in der Oktoberausgabe des „Zehlendorfer Heimatbriefs“ veröffentlicht. Der Autor war zwischen 1998 und 2006 Bezirksstadtrat für Wirtschaft und Finanzen, zunächst in Zehlendorf, anschließend im fusionierten Bezirk Steglitz-Zehlendorf.

Historisches Bahnhofsgebäude Königs Wusterhausen

Historisches Bahnhofsgebäude Königs Wusterhausen

Demnach hatte der DDR-Ministerrat Anfang Juni 1987 eine Verfügung über „Aufgaben und Verantwortung der Staatsorgane bei der Vorbereitung und Realisierung von Städtepartnerschaften zwischen Städten der DDR und der BRD“ erlassen. Zehlendorf hatte zunächst Kontakte zum benachbarten Potsdam geknüpft. Diese Versuche verpufften, da sich gleichzeitig die Bundeshauptstadt Bonn um eine Partnerschaft mit Potsdam bemühte. Nach einer Begegnung zwischen Erich Honecker und dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (1984-1989, 1991-2001) im Schloss Schönhausen wurde im Februar 1988 die Option Königs Wusterhausen aus dem Hut gezaubert.

Die Partnerschaftsurkunde wurde am 27. Oktober 1988 im Rahmen des Besuchs einer von Zehlendorfs Bezirksbürgermeister Jürgen Klemann (1981-1991) geleiteten Delegation in Königs Wusterhausen unterzeichnet. Wenige Tage später, am 3. November, erfolgte der Gegenbesuch einer KW-Delegation in Zehlendorf. Wie Laschinsky in seinem Artikel berichtet, hätten dieser Delegation auch „vier Inoffizielle Stasi-Informanten“ angehört. Nach einer Stadtrundfahrt durch den Westteil Berlins wurde im Rathaus Zehlendorf die zweite Partnerschaftsurkunde signiert. Anfang Juli 1989, wenige Monate vor dem Fall der Mauer, gab das Dahmeland-Blasorchester mehrere Konzerte in Zehlendorf, eines davon auf dem Dorfanger. Als nach Konzertende die Zahl der aus der DDR eingereisten Besucherinnen und Besucher gezählt worden sei, erzählt Laschinsky, habe ein Musiker gefehlt und sich wohl in den Westen abgesetzt. „Wohl um die Partnerschaft damals nicht jäh zu beenden, hielten beide Partner den Ball ganz flach“, schließt der Autor seinen lesenswerten Beitrag ab. – Deutsch-deutsche Realität anno 1989, wenige Monate vor dem historischen 9. November 1989.

Der „Zehlendorfer Heimatbrief“ erscheint zweimal jährlich und bietet eine breite Palette an regionalgeschichtlichen Beiträgen und Mitteilungen. Herausgeber ist der Heimatverein Zehlendorf e.V..

2023 jährt sich die Städtepartnerschaft mit Königs Wusterhausen zum 35. Mal. Zwischen 1990 und 1993 bestand der brandenburgische Landkreis Königs Wusterhausen auch im wiedervereinigten Deutschland zunächst fort. Aktuell ist „KW“ eine kreisabhängige Stadt des Landkreises Dahme-Spreewald.