Auszug - Stasiüberprüfung der Bezirksverordneten  

 
 
4. (öffentliche) Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung
TOP: Ö 14.1 Beschluss:0043/04/12
Gremium: BVV Treptow-Köpenick Beschlussart: ohne Änderungen in der BVV beschlossen
Datum: Do, 26.01.2012 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 - 21:15 Anlass: ordentliche
Raum: Rathaus Treptow, BVV-Saal, Raum 218/217
Ort: Neue Krugallee 4, 12435 Berlin
VII/0080 Stasiüberprüfung der Bezirksverordneten
   
 
Status:öffentlichVorgang/Beschluss:0043/04/12
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD, CDU, B'90GrüneBzVV
   
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme

ÄA 1 (PIRATEN)

Der BzVV informiert zu den vorliegenden Änderungsanträgen der Fraktion DIE LINKE und der PIRATEN.

Aussprache:

Frau BzV Schmitz: Auf der heutigen Tagesordnung findet man zwei Anträge, die sich mit der Transparenz der Bezirksverordneten beschäftigen. Die Drs. VII/0081 habe man interfraktionell einbringen können und an den GO-Ausschuss überwiesen. Er beschäftigt sich mit persönlichen Angaben zu Mitgliedschaften und Funktionen in Institutionen und Vereinen. Den hiesigen Antrag haben die demokratischen Fraktionen in der letzten Wahlperiode gemeinsam eingebracht, was sie an dieser Stelle auch noch einmal würdigen will. Die Überprüfung der Bezirksverordneten auf eine Mitarbeit beim ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit ist eine gute Tradition in diesem Haus. Die Unterzeichner des Ursprungsantrages sind der Auffassung, dass sich das bisherige Verfahren bewährt hat. Als gewählte Volksvertreter steht man in besonderer Verantwortung und es geht hier nicht nur um Transparenz, sondern auch um Aufarbeitung, Aufklärung, Ehrlichkeit, Reflexion und die Glaubwürdigkeit als Mandatsträger und letztendlich um Vertrauen in unsere junge Demokratie und die Stärkung unserer Demokratie. Sie bitte deshalb um Zustimmung zum Ursprungsantrag.

Herr BzV Wohlfeil: Ja, es geht um Aufarbeitung und Transparent. Weil der Ursprungsantrag und damit das bisherige Verfahren dies nicht leisten, hat seine Fraktion einen Änderungsantrag eingebracht, der die Aufarbeitung überhaupt erst berücksichtigt. Das bisherige Verfahren führt bei einer belastenden Information an den Vorsteher dazu, dass der Fraktionsvorsitzende informiert wird und die Fraktion soll dann tätig werden. Legt sie nicht die Mandatsniederlegung nahe, wird unterstellt, dass man die eigenen Leute schütze, wenn man den Ausschluss aus der Fraktion vollziehe, verlöre die Fraktion Sachmittel und Ausschusssitze. Wo sind da die Aufarbeitung und die Glaubwürdigkeit? Die Fraktion schlage einen Ehrenrat vor, welcher nicht nur einparteipolitisches Gremium sein soll. Dieser erhält Einblick in die Akten und man hat am Ende ein Ergebnis als Empfehlung. Dieser soll als Ausschuss konstituiert werden unter Beteiligung der Zivilgesellschaft (Bürgerdeputierte, Opferverbände, Kirchenvertreter etc.). Solch ein Gremium hat mehr Glaubwürdigkeit und trägt wirklich zur Aufarbeitung bei. Das bisherige Verfahren stellt nur einen Fingerzeig auf eine Fraktion dar.

Herr BzV Liebenow: Man habe 3 Anträge. Er versuche seit 12 Jahren Informationen über Ereignis zu erhalten, die vor 23 Jahren stattgefunden haben. Er stoße aber nur auf Schweigen. Es gab 100000 Mitarbeiter bei der Staatssicherheit. 30000 Verfahren wurden eingeleitet, aber nur 6 eröffnet. Die Strafen waren milde. Das Verfahren gegen den Hauptverantwortlichen wurde wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt. Die HVA hatte ca. 4100 hauptamtliche Mitarbeiter, u. a. Herrn Dr. Erxleben. 95 % ihrer Akten sind vernichtet worden. Eine Aufklärung ist damit ohnehin nicht möglich. Nach einem Zitat eines Staatsministers im Bundeskanzleramtes, Geheimdienstkoordinator, sind Geheimdienste etc. legitime Instrumente eines auf die Sicherheit und Erhaltung des Friedens bedachten Staates. Die Sicherheitsdienste sind Ausdruck seiner Souveränität. Mit einer Strafverfolgung würde man gegen das Grundgesetz und das Völkerrecht verstoßen. Dies war wie eine Generalamnestie. Damit ist die geforderte Überprüfung mehr ein politisches Kasperletheater.                
Der BzVV fordert den Redner auf, zur Sache zu sprechen.

Die PIRATEN zeigen unter 5 b ihres Antrages, dass sie nicht wissen, was ein IM war. Menschen wurden damals erpresst, bedroht, geschlagen. Viele Institutionen haben Kontakt zur Stasi gehabt. Eine DDR-freundliche Kaderakte brauchte man. Wer heute für die Antifa arbeitet oder den Extremismus bekämpft ist bereits IM, da er Infos benötigt. IM-Tätigkeit wird von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern gefördert. Dies alles dient nicht der Toleranz oder Transparenz. Der Antrag ist politisches Schattenboxen. Wer will heute noch wissen, was vor 30 Jahren geschrieben worden ist.

Der BzVV fordert den Redner erneut auf, zur Sache zu sprechen.

Frau BzV Belz: Sie entschuldige sich für das sehr späte Einreichen des Änderungsantrages. Eigentlich wollte sie diesen nicht stellen, da sie in ihrer naiven Weltsicht dachte, wofür benötigt man solchen Antrag noch. Man hätte in den letzten 20 Jahren die Geschichte aufarbeiten können, zu seiner Verantwortung stehen können und sich mehr um die Opfer kümmern können. Ihr missfalle, auch am eigenen Antrag, dass er die Selbstkontrolle enthält, denn Selbstkontrolle funktioniert nicht wirklich. Besser wäre eine Kontrolle durch die Bürger, aber es sind auch Persönlichkeitsrechte zu beachten. Warum kann man aber nicht das Verfahren dann wenigstens durch die Bürger bestimmen lassen? Wenn dies zu kurzfristig ist, warum kann man dann nicht das Verfahren transparenter gestalten und transparent veröffentlichen, damit man das Vertrauen der Bürger zurückgewinnt? Ähnlich dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE schlagen die PIRATEN einen Ehrenrat vor. Grundlage sollte das Vertrauen sein, welches man bei den Wahlen des BzVV, stv. BzVV und auch in den Fraktionen gegenüber den Fraktionsvorsitzenden an den Tag gelegt habe. Das Verfahren sollte nicht als Rache dienen und auch rechtliche Schritte des Beschuldigten ermöglichen. Sie appelliere, dass man zukünftig sich über alle Fraktionen hinweg eine Grundlage für solche Anträge schaffe. In ihrer Fraktion erarbeitet man sich solche Grundlagen durch die internetgestützte Beteiligung derer, die man beteiligen will. Vielleicht kommt man auch in der BVV in Zukunft zu solcher Arbeitsweise.

Herr BzV Voigt: In Auswertung des Verfahrens der letzten Wahlperiode sehe er in der Schaffung eines Ehrenrates eine zusätzliche Belastung, welche an den Tatsachen aber nichts ändert. In der letzten Wahlperiode waren vier BzV belastet und nur zwei haben sich dazu geäußert. Der Fraktionsvorsitzende der LINKEN habe sich nur stellvertretend erklärt. Was würde der Ehrenrat daran ändern, wenn keine öffentliche Diskussion darüber stattfindet. Hätte die BVV gesetzgeberische Möglichkeiten, würde er es für besser befinden, dass sich der oder die Beschuldigte, nach Anhörung, einer Abstimmung über den Mandatsverlust zu stellen hätte. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich nichts ändert. Es handelt sich also um eine Selbstbeschäftigungstherapie und sollte damit auf den Ehrenrat verzichten. Er befürworte dann schon das bisherige Verfahren, wenn auch dabei die Verschwiegenheit nicht gewahrt worden ist.

Herr BzV Groos: Auf die generelle Bedeutung des Themas, der Auseinandersetzung mit der Stasivergangenheit einerseits und des Umgangs der BVV mit sich selbst dazu, ist niemand bisher eingegangen und dazu sollte man zuerst Einigkeit herstellen, was ein positives Zwischenergebnis wäre. Die Frage des Verfahrens wird überhöht und in die Rolle der BVV werden Aufgaben hineinprojiziert, die man nicht habe und nicht leisten könne. Als Begründung für den Ehrenrat wurde angeführt, dass man mit dem bisherigen Verfahren nicht aufkläre und aufarbeite. Dies sei richtig, kann aber auch der Ehrenrat nicht leisten. Das bisherige Verfahren, identisch mit dem Ursprungsantrag, hat nicht die Aufgabe, stellvertretend für die Zivilgesellschaft Aufklärung zu betreiben, sondern man leistet nur seinen Beitrag im Rahmen dieser Selbstüberprüfung. Maximal könne man erreichen, dass man Informationen sammelt, sich darüber austausche und damit Vorbild wird für andere Bereiche der Gesellschaft. Frau Belz habe ja die Problematik der Selbstkontrolle angesprochen und mehrere Redner haben festgestellt, dass das Verfahren am Ende keine Konsequenzen enthält. Der Ausgangspunkt der heutigen Debatte sind ja eigentlich die Erfahrungen aus der letzten Wahlperiode und da habe er selbst positive wie negative gemacht. Er bewerte es als positiv, dass die Verschwiegenheit nicht bis zum Ende durchgehalten wurde, denn dies habe gezeigt, dass die hohe Bedeutung des Themas dazu führte, dass man sich nicht über Abstraktes sondern konkret mit den Personen unterhalten will. Negativ sei, dass es, trotz des auch öffentlichen Druckes, nicht gelungen ist, dass sich die Belasteten persönlich an diesem Pult erklären. Dies wäre aus seiner Sicht notwendig und notweniger als ein Ehrenrat oder eine Erklärung dort. Frau Chrapek hat sich dem Thema entzogen und Herr Liebenow nutze die Bühne zur permanenten Selbstdarstellung und Selbstinszenierung. Dies hat die Situation in eine Schieflage gebracht, woran aber nicht das Verfahren Schuld sei. Es wäre anders ausgegangen, hätten die beiden Belasteten der Linksfraktion die Chance genutzt und hätten sich hier persönlich erklärt. Das Verfahren hat sich bewährt. Das Thema sollte dann komprimierter abgehandelt werden. Man sollte auch die Erkenntnis gewonnen haben, dass hier niemand die Absicht habe, jemanden zu stigmatisieren. Er bitte um Zustimmung zum Ursprungsantrag.

Herr BzV Matthias Schmidt. Herr Groos habe bereits vieles von dem gesagt, was er selbst anmerken wollte. Er wolle nichts von dem wiederholen, sondern nur bekräftigen. Er danke auch der Fraktion DIE LINKE für die frühzeitige Zusendung des Änderungsantrages, was eine offene Diskussion in seiner Fraktion ermöglichte. Seine Fraktion ist der Auffassung, dass durch einen Ehrenrat die Selbstverantwortung der Betroffenen ersetzt wird, was als falsch angesehen wird. Die Verantwortung tragen die Betroffenen selbst, sie müssen sich selbst damit auseinandersetzen und dann entscheiden, wie sie ihrer Verantwortung der BVV gegenüber gerecht werden. Dies ist vor 5 Jahren in unterschiedlicher Qualität geschehen. Er erinnere sich aber an eine gute offene Diskussion in der Fraktion, die nicht möglich gewesen wäre bei einem Ehrenrat. Das aktuelle Verfahren, welches ohnehin schon langwierig ist, wird bei der Anwendung des Verfahrensvorschlages der PIRATEN in Verbindung mit dem Ehrenrat unzumutbar verlängert.

Herr BzV Engelmann-Strauß: Er findet es interessant, wie sich die Diskussion um die Betroffenen dreht und sich die BVV in Sachen Eingriff in Persönlichkeitsrechte mehr herausnehmen will, bezogen auf den Ursprungsantrag, als sie z. B. Journalisten mit der Pressefreiheit haben. Nach dem Datenschutzgesetz ist die Umsetzung des Ursprungsantrages nur mit Einwilligung der zu überprüfenden Bezirksverordneten möglich. Alles andere widerspricht deutschem Recht.

Herr BzV Wohlfeil: Man habe damals den Fraktionen das Angebot gemacht, dass sich die Betroffenen BzV der Diskussion in den Fraktionen stellen. Die SPD hat das Angebot angenommen. Dieses Angebot würde man trotz der Existenz eines Ehrenrates erneuern. Der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende hat dann aber sehr wohl eine Bewertung in der Öffentlichkeit vorgenommen. So war dann dem Tagesspiegel zu entnehmen, das man ja keine Mandatsniederlegung empfehlen könne. Er ist der Auffassung, dass die BVV eine öffentliche Bewertung durchführen können sollte, dafür sollte man aber ein geeignetes, gemeinsam gefundenes Gremium einsetzen. Der öffentlichen Auseinandersetzung und der Aufarbeitung wäre dann auch Genüge getan.

Herr BzV Pönitz: Er habe nur eine rhetorische Frage. Warum setzt man sich nicht vor der Wahl, bei der Aufstellung der Kandidaten, damit auseinander?

Herr BzV Wohlfeil: Auch wenn eine rhetorische Frage keine Antwort erwarte, wolle er das Verfahren in seiner Partei kurz schildern. Die Kandidatinnen und Kandidaten werden bei der Aufstellung dazu angehalten, sich zu ihrer Vergangenheit hinsichtlich dieser der Thematik zu äußern und öffentlich Stellung zu nehmen. Dies haben Herr Franzke und Herr Dr. Erxleben getan. Das wurde dann auch bei der aufstellenden Versammlung berücksichtigt. Zudem habe man dies auch auf der Vorstellung der Kandidaten im Internet öffentlich gemacht und aufgezeigt, worin ihre Mitarbeit beim MfS bestand.

Abstimmung:

ÄA 1 (PIRATEN): Bei vielen Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

ÄA 2 (DIE LINKE)  Mehrheitlich bei 2 Enthaltungen abgelehnt.

Ursprungsantrag:  Einstimmig bei einigen Enthaltungen angenommen.

 

Es wird folgender Beschluss gefasst:

Es wird folgender Beschluss gefasst:

 

Die BVV beschließt, dass für alle Bezirksverordneten der BVV Treptow-Köpenick von Berlin, sofern sie vor 1971 geboren sind, die Überprüfung bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Deutschen Demokratischen Republik auf Mitarbeit beim Ministerium für Staatssicherheit beantragt wird.

 

Die BVV wendet dabei folgende Verfahrensweise an:

 

Der Vorsteher der BVV beantragt bei dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR die Überprüfung der Mitglieder der BVV auf offizielle und inoffizielle Mitarbeit beim Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Nach Eingang der behördlichen Bescheide erhalten die betroffenen Fraktionen bzw. Bezirksverordneten angemessene Zeit und Gelegenheit, zum Befund der behördlichen Bescheide Stellung zu nehmen und gegebenenfalls Konsequenzen aus möglichen Belastungen zu ziehen. Danach wird unter Leitung des BVV-Vorstehers mit jeweils einem Vertreter der Fraktionen in nichtöffentlicher Sitzung ein Votum zur Kenntnisnahme der BVV formuliert; das Votum soll keine Namen von eventuell belasteten Bezirksverordneten enthalten.

Abstimmungsergebnis:

Abstimmungsergebnis:

 

ÄA 1 (PIRATEN)  dafür:  wenige dagegen: mehrheitlich Enthaltung: viele.

ÄA 2 (DIE LINKE)  dafür:  wenige dagegen: mehrheitlich Enthaltung: 2.

Ursprungsantrag:  dafür:  einstimmig dagegen: 0 Enthaltung: 1

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 14.1 VII_0080 Stasiüberprüfung der Bezirksverordneten (395 KB)    
Anlage 2 2 Frau BzV Schmitz Gabriele (1020 KB)    
Anlage 3 3 Herr BzV Wohlfeil Philipp (1638 KB)    
Anlage 4 4 Herr BzV Liebenow Fritz (2540 KB)    
Anlage 5 5 Frau BzV Belz Monika (1913 KB)    
Anlage 6 6 Herr BzV Voigt Udo (994 KB)    
Anlage 7 7 Herr BzV Groos Peter (3247 KB)    
Anlage 8 8 Herr BzV Schmidt Matthias (1297 KB)    
Anlage 9 9 Herr BzV Engelmann-Strauß Cornelius (636 KB)    
Anlage 10 10 Herr BzV Wohlfeil Philipp (686 KB)    
Anlage 11 11 Herr BzV Pönitz René (424 KB)    
Anlage 12 12 Herr BzV Wohlfeil Philipp (605 KB)    
Anlage 13 13 Abstimmung (1135 KB)    

  Beschluss: 26.01.2012 BVV Treptow-Köpenick ohne Änderungen in der BVV beschlossen
Mit Terminverzug am 09.07.2015 realisiert Verantwortlich:
BzVV  
Sachbearbeiter/-in: (alle)  
Termin: 16.02.2012  
Vermerk:

 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
Bezirksverordnetenversammlung Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Kommunalpolitiker/-in Auszug Realisierung
   Anwesenheit Schriftliche Anfragen (ehemals Kleine)