Drucksache - 1003/XXI  

 
 
Betreff: Mythos#Israel1948 in Schulen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:CDUBildung, Schule und Kultur
Verfasser:Schulze, KarstenReichenbach, Marina
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme - SB
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Vorberatung
18.10.2023 
24. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Bildung, Schule und Kultur Ausschussberatung
07.11.2023 
25. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bildung, Schule und Kultur vertagt   
05.12.2023 
26. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bildung, Schule und Kultur vertagt   
10.01.2024 
27. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bildung, Schule und Kultur gemeinsam mit der 24. öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tiefbau vertagt     
30.01.2024 
28. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bildung, Schule und Kultur vertagt     
13.02.2024 
29. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bildung, Schule und Kultur ohne Änderungen im Ausschuss beschlossen     
Bezirksverordnetenversammlung Beschluss
21.02.2024 
28. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln von Berlin mit Änderungen in der BVV beschlossen   

Beschlussvorschlag
Anlagen:
Antrag
Überweisung BSK
Ausschuss vertagt 1
Ausschuss vertagt 2
Ausschuss vertagt 3
Ausschuss vertagt 4
Ausschuss Beschluss
Änderungsantrag der LINKEN
Änderungsantrag der SPD
Beschluss

Änderungsantrag der Fraktion der SPD nach Ausschussbeschluss:

 

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Das Bezirksamt wird gebeten, sich r die Nutzung der Broschüre „Mythos#Israel1948“ in den Neuköllner Oberschulen einzusetzen, um bestehende antisemitische Narrative innerhalb des pädagogischen Rahmens der Schule zu konfrontieren. Dabei ist auch die erweiterte Antisemitismus-Definition der IHRA (International Holocaust Remembrance Alliance) und der Bundesregierung zu vermitteln.

 

Streichung des Halbsatzes: „und als handlungsleitend für jede demokratische Debatte in dieser Frage einzuführen.“

 

 

Änderungsantrag der Fraktion der LINKEN nach Ausschussbeschluss:

 

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Das Bezirksamt wird gebeten, im Rahmen seiner Befugnisse alles zu tun, um die Verbreitung der Broschüre des Projekts Mythos#Israel1948 des Vereins Masiyot e.V. und deren Inhalte an Neuköllner Schulen zu verhindern. Die Bezirksverordnetenversammlung betrachtet das Projekt als völlig ungeeignet für eine sachliche Auseinandersetzung mit der Geschichte Palästinas und Israel. Die Landeszentrale für politische Bildung wird angehalten, das Projekt nicht weiter zu bewerben.

Die Broschüre verstößt gegen den Beutelsbacher Konsens und anerkannte fachliche Prinzipien politischer Bildung, indem auf unwissenschaftliche, einseitige und gewaltverharmlosende Weise über die Geschichte Palästinas und Israel gesprochen wird. Das Projekt verbreitet eine einseitige Geschichtsdarstellung an der Grenze zur Geschichtsfälschung. Statt über Mythen aufzuklären wird eigene mythische Propaganda verbreitet.

Die Broschüre wirbt im Abschnitt Mythos#1 für eine terroristische Organisation mit dem Symbol der Haganah, die zudem als jüdische Widerstandsbewegung verharmlost wird. Die Haganah war zusammen mit der anderen Terrororganisation Irgun dafür verantwortlich, dass ab Dezember 1947 bis Sommer 1948 531 palästinensische Dörfer zerstört und 750.000 Palästinenserinnen und Palästinenser vertrieben worden sind. Fälschlich wird behauptet, dass die Terrorisierung und Vertreibung erst mit einem Aufruf der arabischen Staaten begonnen haben sollen und erst mit der Staatsgründung Israels am 15.05.1948.

Im Abschnitt Mythos#2 wird geschichtsfälschend behauptet, dass Israel nicht auf gestohlenem palästinensischem Land errichtet wird. Lediglich 6% des palästinensischen Lands wurde durch Kauf erworben. Die Besiedlung von palästinensischem Land durch Israel, unterstützt durch rechtsradikale Kräfte, ist ein Fakt, den der Verein Masiyot e.V. jedoch in Frage stellt. Auch die Bundesregierung ist der Meinung, dass die völkerrechtswidrige Besatzung und Besiedlung beendet werden muss. Der UN-Sicherheitsrat hat in der UN-Resolution 2334 die völkerrechtswidrige Besiedlung von palästinensischem Land abermals bestätigt. Die Annexion von weiterem palästinensischem Land wurde von der rechtsradikalen Regierung bereits beschlossen (Israeli Government Decision 109, 5.2.2023). Selbst die Besiedlung des Gaza-Streifens durch Israel wird von 12 israelischen Ministern unterstützt. Die Gewalt, die die seit über 50 Jahren besetzten 5 Mio. Palästinenser*innen tagtäglich durch die israelische Militärbesatzung erleben müssen, ist abscheulich und wird auf unglaubliche Weise verharmlost.

Frei erfunden ist die Behauptung im Abschnitt Mythos#3 der Broschüre: „Die Erzählung, dass der Staat Israel dem jüdischen Volk von der schuldbeladenen Welt nach dem Holocaust „geschenkt“ wurde, kommt einer Leugnung des Zionismus gleich. Und auch die Behauptung, dass die Palästinenserinnen und Palästinenser ebenfalls ein Opfer Deutschlands und Europas sind, da ohne den Holocaust ihre Katastrophe vermieden worden wäre, bedeutet den Zionismus zu leugnen.“ Der Verein Masyiot e.V. erfindet einfach, dass es eine „Leugnung des Zionismus“be, um daraufhin die Leugnung zu verurteilen. Ein Pappkamerad wird aufgestellt, um auf dieser Basis faktenfreie Thesen zu entfalten.

Im Mythos#4 wird Israel als antirassistisch, antikolonial und antifaschistisch dargestellt. Die rechtsradikale israelische Regierung vertritt jedoch ganz andere Positionen und besiedelt weiterhin palästinensisches Land in der Westbank und hat bereits angekündigt, auch Gaza zu besiedeln. Zudem bewerten alle Menschenrechtsorganisationen die Herrschaft Israels über das gesamte historische Palästina als Apartheid nach der UN-Anti-Apartheidskonvention von 1973.

Zuletzt wird im Abschnitt Mythos#5 behauptet, dass Israel nicht schuld sei an der Nakba, d.h. der Vertreibung von 750.000 Palästinenserinnen und Palästinensern. Selbst einer der Autoren der Broschüre, Michael Spaney, hat auf einer Veranstaltung am 07.10.2023 erklärt, dass Israel die Rückkehr der vertriebenen 750.000 Palästinenserinnen und Palästinenser trotz UN-Beschlusses 194 verhindert und das Land enteignet hat.

Bei der International Holocaust Remembrance Alliance(IHRA)-Definition handelt es sich um eine nicht-rechtsverbindliche und unwissenschaftliche Erklärung, die unbrauchbar ist für die Verwendung in Bildungseinrichtungen. Über 400 Wissenschaftler*innen, die zu Antisemitismus und Holocaust forschen, haben in der Jerusalem Declaration on Antisemitism erklärt, dass sie die IHRA-Definition ablehnen und eine alternative Definition anbieten.

Der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln liegt es fern, auf Unterrichtsinhalte, die Teil der Schulrahmenplanung sind, Einfluss nehmen zu wollen; das wäre auch rechtswidrig. Jedoch sieht es die BVV als ihre Aufgabe, hier Aufklärung zu betreiben und das Bezirksamt auch dabei zu unterstützen, zum Beispiel gegenüber dem Senat.

 

 

Der Ausschuss für Bildung, Schule und Kultur empfiehlt der Bezirksverordnetenversammlung die Annahme des Antrages in folgender Fassung:

 

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Das Bezirksamt wird gebeten, sich für die Nutzung der Broschüre „Mythos#Israel1948“ in den Neuköllner Oberschulen einzusetzen, um bestehende antisemitische Narrative innerhalb des pädagogischen Rahmens der Schule zu konfrontieren. Dabei ist auch die erweiterte Antisemitismus-Definition der IHRA (International Holocaust Remembrance Alliance) und der Bundesregierung zu vermitteln und als handlungsleitend für jede demokratische Debatte in dieser Frage einzuführen.

 

Begründung: Um das Land Israel kursieren seit der Staatsgründung im Jahr 1948 Gerüchte und Mythen, die eine einseitige und vereinfachte Sichtweise auf dieses komplexe historische Ereignis befördern - und nicht selten auch in israelbezogenem Antisemitismus Ausdruck finden. Vorurteile gegen den jüdischen Staat, der spätestens seit dem antizionistischen Turn nach 1968 zum „Juden unter den Staaten" (Léon Poliakov) wurde, sind in Deutschland weit verbreitet und manifestieren sich auch in Berlin regelmäßig auf der Straße. Begriffe wie Kolonialherrschaft, Apartheidstaat und Besatzungsmacht kommen vermehrt zum Einsatz und prägen die mediale, politische und zunehmend auch die akademische Debatte. Tatsächlich sind die Ereignisse und Hintergründe der Staatsgründung Israels jedoch in der breiteren Öffentlichkeit zu großen Teilen unbekannt, insbesondere im Internet bricht sich oft ein gefährliches Halbwissen Bahn. Immer wieder und von unterschiedlicher Seite wird dabei das Existenzrecht des Staates Israel infrage gestellt. Mit dem Projekt „Mythos#Israel1948" sollen gängige Mythen um die Entstehung und die Gegenwart Israels dekonstruiert und so Argumentationshilfen und -strategien an die Hand gegeben werden, um ein differenzierteres Bild vom jüdischen Staat zu vermitteln. Die zusammengestellten Texte - zwei eigens für das Projekt verfasste Originalbeiträge und drei Übersetzungen aus dem Englischen - problematisieren bzw. entkräften fünf verbreitete Vorstellungen rund um die Geschichte und Erinnerung der Staatsgründung. Der den Texten vorangestellte Zeitstrahl gibt einen Überblick über die wichtigsten historischen Daten und Figuren und ermuntert hoffentlich zur weiteren Auseinandersetzung mit diesem Ereignis, das dieses Jahr sein 75. Jubiläum feiert.

 
 

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