Bezirksamt Neukölln – BVV
12040 Berlin
Auszug - Informationsfahrt nach Forstenwalde EJF-Lazarus (Ablauf siehe Programm)
Frau Finger und Herr Piekara
begrüßen die Teilnehmer der Sondersitzung des JHA. Vier Einrichtungen des
EJF-Lazarus haben sich auf den Besuch vorbereitet. „Haus am See“ in
Julienwalde Frau Eisen und Frau Lunow begrüßen
die Mitglieder und stellen die Einrichtung vor. Zur Zeit werden 18 Kinder und
Jugendliche, davon 13 Jungen und 5 Mädchen, im Alter von 9 bis 17 Jahren in den
Wohngruppen betreut. Seit dem 01.12.1999 arbeiten die Pädagogen mit den
psychisch auffälligen Kindern, die häufig in Verbindung mit Delinquenz Hilfe
benötigen. Die grüne Umgebung stellt für die
Stadtkinder die erste Herausforderung dar. Sie betonen anfangs die Langeweile
und die fehlende Abwechslung. Ziel dieser Abgeschiedenheit ist aber, den Kinder
und Jugendlichen Zeit zu geben, über sich, die eigene Situation und die Zukunft
nachzudenken. Zudem reduzieren sich die Weglauftendenzen, wenn die nächste
Siedlung durch drei Kilometer Wald getrennt liegt. Vereinzelt konnten Ausreißer
in den letzten Jahren beobachtet werden, allerdings waren es in der Regel
Streiche. Die Dorfbewohner sind in dieser
Hinsicht wachsam und melden sich telefonisch, wenn sie unbekannte Jugendliche
durch die Straßen ziehen sehen. Anfangs gab es Widerstand gegen die
Einrichtung, aber ein Tag der offenen Tür und die Tatsache, dass einige
Einwohner in der Einrichtung Beschäftigung fanden, haben schnell die Bedenken
ausräumen können. Der Tagesablauf ist geprägt von
einer engen Struktur und viel praktischer Arbeit. Ein Großteil der
Reinigungsarbeiten müssen die Bewohner selbst verrichten, ebenso wie den
Küchen- und Tischdienst. Die Freizeit außerhalb der Schulzeiten wird gezielt
geplant und gesteuert. So bestehen enge Verbindungen mit den Vereinen im Ort,
welche die Jugendlichen versuchen einzubinden und ihr Interesse für Fußball
oder die freiwillige Feuerwehr zu wecken und aufrecht zu halten. Die Kinder und Jugendlichen werden
anfangs direkt in der Einrichtung beschult mit dem Ziel, sie später in die
Regelschule zu integrieren. In zwei Schulräumen erhalten sie in kleinsten
Gruppen bis zu 3 Teilnehmern individuelle und flexible Beschulung in den
Fächern Deutsch, Mathematik, Biologie, Physik, Chemie und Sport. Der
Schulabschluss kann nur in der kooperierenden Schule abgelegt werden. Bei
älteren Jugendlichen besteht das Angebot, bei Betrieben im Ort an einer
Arbeitstrainingsmaßnahme teilzunehmen und in handwerkliche Berufe
„reinzuschnuppern“. Die durchschnittliche Verweildauer
beträgt zwei Jahre. Im Anschluss erfolgt eine Rückführung in die Familien oder
in weitere betreute Angebote. Die Eltern und Familien stellen bei der Arbeit
mit den Kindern und Jugendlichen einen wichtigen Dreh- und Angelpunkt dar.
Daher besteht die Möglichkeit, dass sich die Eltern preiswert für 14 Tage auf
dem Gelände einmieten und bei der Arbeit mit ihrem Kind mitwirken können. Anfangs wird von den Betreuern der
Einrichtung der Kontakt zu den Eltern gesucht, teilweise werden die Eltern
direkt zu Hause besucht. Später werden die Eltern regelhaft mit eingebunden.
Ziel der Maßnahme ist, dass sich auch die Eltern ändern. Das Verhalten der Jugendlichen wird
in wöchentlichen Gesprächen immer wieder durch den Betreuer reflektiert.
Auffällig ist, dass sich selbst über die langen Zeiträume keine Freundschaften,
sondern nur Zweckgemeinschaften bilden. Besonders in den jüngeren Gruppen holen
viele Kinder erst in der Einrichtung ihre Kindheit nach. Da die Kinder sehr oft
schwer bindungsgestört sind, wird versucht, ein Wechsel der Einrichtungen zu
vermeiden. Trotz dessen haben viele neue Bewohner einen Marathon von ambulanten
und stationären Hilfen hinter sich. Frau Eisen und Frau Lunow betonen,
dass die Arbeit deutlich erfolgreicher wäre, wenn die Einrichtung nicht immer
als das letzte Mittel gehandelt würde und viel eher ansetzen könnte. Zur Sicherung
der Betreuungskontinuität werden auch die Kinder und Jugendlichen bei der
Hilfeplanung mit einbezogen. Die Unterbringung erfolgt in
Einzel-, teilweise auch in Doppelzimmern. Die Gruppen sind gemischt, allerdings
nach Alter sortiert. Die Frühstücks- und Abendessenversorgung erfolgt in den
Gruppen, lediglich das Mittagessen wird wochentags zentral organisiert. Am
Wochenende wird gemeinschaftlich in den Gruppen gekocht. Besichtigt werden die Villa, das
Schulhaus, eine Wohngruppenwohnung und das Gelände. Jugendhilfeeinrichtung Frostenwalde Herr Sommer, Leiter der Einrichtung,
und Frau Griese, fachliche Leiterin, begrüßen die Teilnehmer. Auf den ca. 7,5
ha leben zur Zeit 25 Jugendliche aus Berlin. Insgesamt können 32 Jugendliche
gleichzeitig zur Haftvermeidung untergebracht werden. Die Einrichtung ist
vollständig autark, alle anfallenden Arbeiten werden von den Jugendlichen
erledigt. Auf dem Gelände stehen für die
Familien mehrere Bungalows zur Verfügung, die für 11 Euro pro Nacht angemietet
werden können. Die Jugendlichen leben in fünf altersgemischten Gruppen in Ein-
und Zweibettzimmern zusammen. Zusätzlich stehen ein gemeinsames Wohnzimmer und
eine eigene Küche zur Verfügung. Die durchschnittlichen Aufenthaltsdauer
der Bewohner beträgt 113 Tage. Die Hintergründe der Jugendlichen umfassen
sämtliche Delikte des Strafgesetzbuches. Im Anschluss an den Aufenthalt ist
eine intensive Nachbetreuung erforderlich, da sie aufgrund des kurzen
Aufenthalts nur eine Initialzündung gegeben werden kann. Der Tagesablauf ist auch hier streng
von 6:00 bis 22:00 Uhr durchgeplant und wird von den Betreuern angeleitet. Die
personelle Ausstattung wird von Herrn Sommer als gut aber auch für die
Jugendarbeit notwendig bezeichnet. Der Betreuungsschlüssel liegt bei 1:2,6. In
der Einrichtung sind hauptsächlich männliche Jugendliche untergebracht,
weibliche bilden mit 2-3 Bewohnern pro Jahr die Ausnahme. Credo aller
Jugendhilfeeinrichtungen des EJF lautet: „Menschen statt Mauern“.
Bestätigt wird dieses Konzept durch die niedrigen Rückfallquoten. So bewähren
sich 60 Prozent der Jugendlichen nach der Maßnahme und bleiben straffrei, im
herkömmlichen Strafvollzug beträgt diese Quote gerade 20 Prozent. Eine wichtige Voraussetzung für die
Aufnahme in Frostenwalde ist die Beherrschung der deutschen Sprache, zudem ist
es nicht möglich, klinische Therapien zu beginnen oder fortzusetzen. In der
Regel wird kein Fall abgelehnt, einzige Ausnahme bildet die offensichtliche
Nicht-Kooperation. Auch kurzfristige Unterbringung in Frostenwalde können
organisiert werden. Die Bewohner von Frostenwalde
erhalten ein Anti-Agressions-Training sowie ein Training in sozialer Kompetenz.
Externe Therapeuten betreuen die Sexualstraftäter. Auch in dieser Einrichtung
findet weitere Beschulung statt. Eine Schülergruppe umfasst 6-8 Schüler. Der
Unterricht versucht, Theorie und Praxis zu verbinden. So werden anhand eines
konkreten Projektes Fertigkeiten in Berechnung, Physik und Arbeitslehre
vermittelt. Nicht mehr schulpflichtige Jugendliche werden in ganztägige
Projekte eingebunden. Diese Projekte reichen von Landschaftsgestaltung, über
Holz- bis hin zu Maler- und Metallarbeiten. Für die Freizeitgestaltung wird
auch hier mit den Vereinen der Umgebung zusammengearbeitet. Gern werden die
Jugendlichen bei Forstarbeiten im Wald und an der Motorcrossstrecke als
Streckenposten eingesetzt. Besichtigt werden das Gelände und
das Schulgebäude. Wohngruppe
„Insel“ in Petershagen Herr Priemer, Leiter der
Einrichtung, und Frau Fritz-Steinhauser, Betreuerin, führen durch die
Einrichtung für delinquente Kinder unter 14 Jahre. Der Hof bietet Unterkunft
für 8 Bewohner und wurde 1998 eröffnet. Vor Kurzem wurde das Angebot auch für
Jugendliche mit der „Insel 2“ erweitert. Häufig sind die Bewohner über Monate
nicht zur Schule gegangen und gelten als nicht beschulbar. In den zwei
Schulräumen werden die Kinder in Zweier- und Dreiergruppen in
25-Minuten-Einheiten jeweils 2 bis 3 Stunden pro Tag beschult. Ziel ist die
Überführung in eine externe Regelschule, was durchschnittlich nach einem
halben, bzw. einem dreiviertel Jahr gelingt. Die Bewohner sind in eine strenge
Tagesstruktur von 6:00 bis 21:00 Uhr eingebunden, die auch Gartenarbeit und die
Pflege von Tieren beinhaltet. Auch die Freizeit ist streng reglementiert und
für alle nachvollziehbar schriftlich und öffentlich dokumentiert. Die
Aufenthaltsdauer beträgt zwei bis drei Jahre. Jede Wohngruppe wird durch einen
Psychologen betreut. Die Kinder haben eine lange Delinquenzkarriere von nicht
selten 6 Einrichtungen hinter sich und es besteht der Wunsch, frühzeitiger
eingreifen zu können. Mit der Bundespolizei gibt es eine
gute Zusammenarbeit, so werden Ausreißer in kurzer Zeit wieder zur Einrichtung
zurückgebracht. Deutsch-Polnischer Landhof „Arche“ Frau Jordan-Nimsch,
Jugendhilfereferentin des EJF-Lazarus, beschreibt die Entwicklung des
Standortes Arche. Vor 15 Jahren wurde das Projekt in allen Bürgerversammlungen
der Umgebung vorgestellt. Trotz des Widerstands der Groß Pinnower bot der
Bürgermeister das Gelände dem Träger für die Bewirtschaftung an. Die alte
Schnapsbrennerei wurde zum Speisesaal umgebaut und es entstand eine
Jugendherberge mit 25 Betten sowie ein Bettenhaus für Konferenzgäste mit 36
Betten. Auf dem Hof arbeiten neben Honorar- und Saisonkräften auch 10
Festangestellte. Die Finanzierung speist sich aus Spenden, Eigenmitteln des
EJF, Förderungen durch die Lotto-Gesellschaft und aus dem EU Förderprogramm
Interreg. Das Konzept Menschen statt Mauern
beansprucht viel Personal. Die pädagogisch betreuten Gruppen sind ein
Schwerpunkt der Arbeit des Trägers. Je nach Bedarf variiert der Tagessatz von
75 bis 273 Euro. Die Zielrichtung der Unterbringung ist klar definiert; die
Kinder und Jugendlichen sollen Ruhe finden und langfristig in die Familien
zurückgeführt werden. Wichtig sind dabei die ambulanten Parallelangebote auch
für die Eltern und die weitere Betreuung der Kinder und Jugendlichen zu Hause. Aktuell ist dabei das
Kooperationsprojekt des Deutsch-Arabischen Zentrums für Bildung und Integration
in Neukölln. Zusammen mit der arabischen Kulturgesellschaft e.V., dem
Dachverband der arabischen Vereine e.V., DAUG e.V., der deutsch-libanesischen
Vereinigung e.V., dem palästinensischen Bund Deutschland für Rückkehrrecht e.V.
und der palästinensischen Gemeinde Berlin e.V. sollen nachhaltige Bildungs- und
Betreuungsangebote besonders bei Straffälligkeit und Delinquenz dargeboten
werden, mit dem Ziel der Förderung der Gleichberechtigung beider Geschlechter
und der Integration der Familien arabischer Herkunft und ihrer Kinder in die
deutsche Gesellschaft. Die schulische Förderung konzentriert sich auf die
Altersgruppe der 10- bis 16-Jährigen. Berlin-Neukölln, den 13. August 2008 Jutta F i n g e r Saskia
Könning Vorsitzende des Ausschusses Protokoll |
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