Auszug - Informationsfahrt nach Forstenwalde EJF-Lazarus (Ablauf siehe Programm)  

 
 
23. öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses
TOP: Ö 1
Gremium: Jugendhilfeausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Sa, 05.07.2008 Status: öffentlich
Zeit: 7:30 - 15:30 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Treffpunkt: Rathaus Neukölln, Eingang Donaustraße
Ort: Donaustraße 29, 12040 Berlin
 
Beschluss

Frau Finger und Herr Piekara begrüßen die Teilnehmer der Sondersitzung des JHA

Frau Finger und Herr Piekara begrüßen die Teilnehmer der Sondersitzung des JHA. Vier Einrichtungen des EJF-Lazarus haben sich auf den Besuch vorbereitet.

 

 

„Haus am See“ in Julienwalde

 

Frau Eisen und Frau Lunow begrüßen die Mitglieder und stellen die Einrichtung vor. Zur Zeit werden 18 Kinder und Jugendliche, davon 13 Jungen und 5 Mädchen, im Alter von 9 bis 17 Jahren in den Wohngruppen betreut. Seit dem 01.12.1999 arbeiten die Pädagogen mit den psychisch auffälligen Kindern, die häufig in Verbindung mit Delinquenz Hilfe benötigen.

 

Die grüne Umgebung stellt für die Stadtkinder die erste Herausforderung dar. Sie betonen anfangs die Langeweile und die fehlende Abwechslung. Ziel dieser Abgeschiedenheit ist aber, den Kinder und Jugendlichen Zeit zu geben, über sich, die eigene Situation und die Zukunft nachzudenken. Zudem reduzieren sich die Weglauftendenzen, wenn die nächste Siedlung durch drei Kilometer Wald getrennt liegt. Vereinzelt konnten Ausreißer in den letzten Jahren beobachtet werden, allerdings waren es in der Regel Streiche.

 

Die Dorfbewohner sind in dieser Hinsicht wachsam und melden sich telefonisch, wenn sie unbekannte Jugendliche durch die Straßen ziehen sehen. Anfangs gab es Widerstand gegen die Einrichtung, aber ein Tag der offenen Tür und die Tatsache, dass einige Einwohner in der Einrichtung Beschäftigung fanden, haben schnell die Bedenken ausräumen können.

 

Der Tagesablauf ist geprägt von einer engen Struktur und viel praktischer Arbeit. Ein Großteil der Reinigungsarbeiten müssen die Bewohner selbst verrichten, ebenso wie den Küchen- und Tischdienst. Die Freizeit außerhalb der Schulzeiten wird gezielt geplant und gesteuert. So bestehen enge Verbindungen mit den Vereinen im Ort, welche die Jugendlichen versuchen einzubinden und ihr Interesse für Fußball oder die freiwillige Feuerwehr zu wecken und aufrecht zu halten.

 

Die Kinder und Jugendlichen werden anfangs direkt in der Einrichtung beschult mit dem Ziel, sie später in die Regelschule zu integrieren. In zwei Schulräumen erhalten sie in kleinsten Gruppen bis zu 3 Teilnehmern individuelle und flexible Beschulung in den Fächern Deutsch, Mathematik, Biologie, Physik, Chemie und Sport. Der Schulabschluss kann nur in der kooperierenden Schule abgelegt werden. Bei älteren Jugendlichen besteht das Angebot, bei Betrieben im Ort an einer Arbeitstrainingsmaßnahme teilzunehmen und in handwerkliche Berufe „reinzuschnuppern“.

 

Die durchschnittliche Verweildauer beträgt zwei Jahre. Im Anschluss erfolgt eine Rückführung in die Familien oder in weitere betreute Angebote. Die Eltern und Familien stellen bei der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen einen wichtigen Dreh- und Angelpunkt dar. Daher besteht die Möglichkeit, dass sich die Eltern preiswert für 14 Tage auf dem Gelände einmieten und bei der Arbeit mit ihrem Kind mitwirken können.

 

Anfangs wird von den Betreuern der Einrichtung der Kontakt zu den Eltern gesucht, teilweise werden die Eltern direkt zu Hause besucht. Später werden die Eltern regelhaft mit eingebunden. Ziel der Maßnahme ist, dass sich auch die Eltern ändern.

 

Das Verhalten der Jugendlichen wird in wöchentlichen Gesprächen immer wieder durch den Betreuer reflektiert. Auffällig ist, dass sich selbst über die langen Zeiträume keine Freundschaften, sondern nur Zweckgemeinschaften bilden. Besonders in den jüngeren Gruppen holen viele Kinder erst in der Einrichtung ihre Kindheit nach. Da die Kinder sehr oft schwer bindungsgestört sind, wird versucht, ein Wechsel der Einrichtungen zu vermeiden. Trotz dessen haben viele neue Bewohner einen Marathon von ambulanten und stationären Hilfen hinter sich.

 

Frau Eisen und Frau Lunow betonen, dass die Arbeit deutlich erfolgreicher wäre, wenn die Einrichtung nicht immer als das letzte Mittel gehandelt würde und viel eher ansetzen könnte. Zur Sicherung der Betreuungskontinuität werden auch die Kinder und Jugendlichen bei der Hilfeplanung mit einbezogen.

 

Die Unterbringung erfolgt in Einzel-, teilweise auch in Doppelzimmern. Die Gruppen sind gemischt, allerdings nach Alter sortiert. Die Frühstücks- und Abendessenversorgung erfolgt in den Gruppen, lediglich das Mittagessen wird wochentags zentral organisiert. Am Wochenende wird gemeinschaftlich in den Gruppen gekocht.

 

Besichtigt werden die Villa, das Schulhaus, eine Wohngruppenwohnung und das Gelände.

 

 

Jugendhilfeeinrichtung Frostenwalde

 

Herr Sommer, Leiter der Einrichtung, und Frau Griese, fachliche Leiterin, begrüßen die Teilnehmer. Auf den ca. 7,5 ha leben zur Zeit 25 Jugendliche aus Berlin. Insgesamt können 32 Jugendliche gleichzeitig zur Haftvermeidung untergebracht werden. Die Einrichtung ist vollständig autark, alle anfallenden Arbeiten werden von den Jugendlichen erledigt.

 

Auf dem Gelände stehen für die Familien mehrere Bungalows zur Verfügung, die für 11 Euro pro Nacht angemietet werden können. Die Jugendlichen leben in fünf altersgemischten Gruppen in Ein- und Zweibettzimmern zusammen. Zusätzlich stehen ein gemeinsames Wohnzimmer und eine eigene Küche zur Verfügung.

 

Die durchschnittlichen Aufenthaltsdauer der Bewohner beträgt 113 Tage. Die Hintergründe der Jugendlichen umfassen sämtliche Delikte des Strafgesetzbuches. Im Anschluss an den Aufenthalt ist eine intensive Nachbetreuung erforderlich, da sie aufgrund des kurzen Aufenthalts nur eine Initialzündung gegeben werden kann.

 

Der Tagesablauf ist auch hier streng von 6:00 bis 22:00 Uhr durchgeplant und wird von den Betreuern angeleitet. Die personelle Ausstattung wird von Herrn Sommer als gut aber auch für die Jugendarbeit notwendig bezeichnet. Der Betreuungsschlüssel liegt bei 1:2,6. In der Einrichtung sind hauptsächlich männliche Jugendliche untergebracht, weibliche bilden mit 2-3 Bewohnern pro Jahr die Ausnahme. Credo aller Jugendhilfeeinrichtungen des EJF lautet: „Menschen statt Mauern“. Bestätigt wird dieses Konzept durch die niedrigen Rückfallquoten. So bewähren sich 60 Prozent der Jugendlichen nach der Maßnahme und bleiben straffrei, im herkömmlichen Strafvollzug beträgt diese Quote gerade 20 Prozent.

 

Eine wichtige Voraussetzung für die Aufnahme in Frostenwalde ist die Beherrschung der deutschen Sprache, zudem ist es nicht möglich, klinische Therapien zu beginnen oder fortzusetzen. In der Regel wird kein Fall abgelehnt, einzige Ausnahme bildet die offensichtliche Nicht-Kooperation. Auch kurzfristige Unterbringung in Frostenwalde können organisiert werden.

 

Die Bewohner von Frostenwalde erhalten ein Anti-Agressions-Training sowie ein Training in sozialer Kompetenz. Externe Therapeuten betreuen die Sexualstraftäter. Auch in dieser Einrichtung findet weitere Beschulung statt. Eine Schülergruppe umfasst 6-8 Schüler. Der Unterricht versucht, Theorie und Praxis zu verbinden. So werden anhand eines konkreten Projektes Fertigkeiten in Berechnung, Physik und Arbeitslehre vermittelt. Nicht mehr schulpflichtige Jugendliche werden in ganztägige Projekte eingebunden. Diese Projekte reichen von Landschaftsgestaltung, über Holz- bis hin zu Maler- und Metallarbeiten. Für die Freizeitgestaltung wird auch hier mit den Vereinen der Umgebung zusammengearbeitet. Gern werden die Jugendlichen bei Forstarbeiten im Wald und an der Motorcrossstrecke als Streckenposten eingesetzt.

 

Besichtigt werden das Gelände und das Schulgebäude.

 

 

Wohngruppe „Insel“ in Petershagen

Herr Priemer, Leiter der Einrichtung, und Frau Fritz-Steinhauser, Betreuerin, führen durch die Einrichtung für delinquente Kinder unter 14 Jahre. Der Hof bietet Unterkunft für 8 Bewohner und wurde 1998 eröffnet. Vor Kurzem wurde das Angebot auch für Jugendliche mit der „Insel 2“ erweitert.

 

Häufig sind die Bewohner über Monate nicht zur Schule gegangen und gelten als nicht beschulbar. In den zwei Schulräumen werden die Kinder in Zweier- und Dreiergruppen in 25-Minuten-Einheiten jeweils 2 bis 3 Stunden pro Tag beschult. Ziel ist die Überführung in eine externe Regelschule, was durchschnittlich nach einem halben, bzw. einem dreiviertel Jahr gelingt.

 

Die Bewohner sind in eine strenge Tagesstruktur von 6:00 bis 21:00 Uhr eingebunden, die auch Gartenarbeit und die Pflege von Tieren beinhaltet. Auch die Freizeit ist streng reglementiert und für alle nachvollziehbar schriftlich und öffentlich dokumentiert. Die Aufenthaltsdauer beträgt zwei bis drei Jahre. Jede Wohngruppe wird durch einen Psychologen betreut. Die Kinder haben eine lange Delinquenzkarriere von nicht selten 6 Einrichtungen hinter sich und es besteht der Wunsch, frühzeitiger eingreifen zu können.

 

Mit der Bundespolizei gibt es eine gute Zusammenarbeit, so werden Ausreißer in kurzer Zeit wieder zur Einrichtung zurückgebracht.

 

 

Deutsch-Polnischer Landhof „Arche“

Frau Jordan-Nimsch, Jugendhilfereferentin des EJF-Lazarus, beschreibt die Entwicklung des Standortes Arche. Vor 15 Jahren wurde das Projekt in allen Bürgerversammlungen der Umgebung vorgestellt. Trotz des Widerstands der Groß Pinnower bot der Bürgermeister das Gelände dem Träger für die Bewirtschaftung an. Die alte Schnapsbrennerei wurde zum Speisesaal umgebaut und es entstand eine Jugendherberge mit 25 Betten sowie ein Bettenhaus für Konferenzgäste mit 36 Betten. Auf dem Hof arbeiten neben Honorar- und Saisonkräften auch 10 Festangestellte. Die Finanzierung speist sich aus Spenden, Eigenmitteln des EJF, Förderungen durch die Lotto-Gesellschaft und aus dem EU Förderprogramm Interreg.

 

Das Konzept Menschen statt Mauern beansprucht viel Personal. Die pädagogisch betreuten Gruppen sind ein Schwerpunkt der Arbeit des Trägers. Je nach Bedarf variiert der Tagessatz von 75 bis 273 Euro. Die Zielrichtung der Unterbringung ist klar definiert; die Kinder und Jugendlichen sollen Ruhe finden und langfristig in die Familien zurückgeführt werden. Wichtig sind dabei die ambulanten Parallelangebote auch für die Eltern und die weitere Betreuung der Kinder und Jugendlichen zu Hause.

 

Aktuell ist dabei das Kooperationsprojekt des Deutsch-Arabischen Zentrums für Bildung und Integration in Neukölln. Zusammen mit der arabischen Kulturgesellschaft e.V., dem Dachverband der arabischen Vereine e.V., DAUG e.V., der deutsch-libanesischen Vereinigung e.V., dem palästinensischen Bund Deutschland für Rückkehrrecht e.V. und der palästinensischen Gemeinde Berlin e.V. sollen nachhaltige Bildungs- und Betreuungsangebote besonders bei Straffälligkeit und Delinquenz dargeboten werden, mit dem Ziel der Förderung der Gleichberechtigung beider Geschlechter und der Integration der Familien arabischer Herkunft und ihrer Kinder in die deutsche Gesellschaft. Die schulische Förderung konzentriert sich auf die Altersgruppe der 10- bis 16-Jährigen.

 

 

Berlin-Neukölln, den 13. August 2008



Jutta   F i n g e r                                                                     Saskia Könning

Vorsitzende des Ausschusses                                                 Protokoll


 
 

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