Auszug - Einblick in die Arbeit der Amadeu Antonio Stiftung durch den Geschäftsführer, die Leiterin des Projekts "Aktion Schutzschild" sowie die Leiterin der Fachstelle Gender und Rechtsextremismus  

 
 
23. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Integration
TOP: Ö 4
Gremium: Ausschuss für Integration Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 19.02.2019 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 19:20 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Rathaus Neukölln, Çigli-Zimmer, 1. Etage, Raum A104
Ort: Karl-Marx-Straße 83, 12040 Berlin
 
Beschluss


Der Geschäftsführer, Herr Reinfrank, stellt die Gründungsgeschichte und Aufgabenfelder der Stiftung vor.

 

Die Stiftung wurde 1998 gegründet und ist nach Amadeu Antonio benannt, der 1990 von rechtsextremen Jugendlichen in Eberswalde angegriffen wurde und dabei starb.

 

Die Stiftung verfügt über einen Haushalt von 3 Millionen Euro, der sich zu ca. je einem Drittel aus öffentlichen Geldern, Spendengeldern und anderen Stiftungsgeldern zusammensetzt.

 

Ziel ist die Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft, der Einsatz gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus, Sexismus und andere Formen der Diskriminierung.

 

Die Amadeu Antonio Stiftung ist eine fördernde Stiftung und unterstützt z.B. Schulen, Kommunen, Kitas, Jugendeinrichtungen, Initiativen etc. im Zusammenhang mit ihrer Zielstellung. Sie gibt Ratgeber und Broschüren in den Themenbereichen Antisemitismus, Demokratieförderung, Geflüchtete, Gender, Rechtsextremismus, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Internet und Soziale Netzwerke, Kinder- und Menschenrechte sowie Rassismus heraus.

 

Herr Reinfrank verteilt verschiedene Exemplare von Broschüren an die Ausschussmitglieder.

 

Herr Reinfrank nimmt konkret Bezug auf die Broschüre „Ene, mene, muh – und raus bist du!“ und die Diskussion um diese. Herr Reinfrank berichtet, dass die Stiftung auf Bedarfe und Nachfragen aus der Bevölkerung reagiert und Themen von Broschüren nicht selbst auswählt. Für das Thema der benannten Broschüre gab es Anfragen.

 

Er stellt dar, dass die Broschüre die erziehungswissenschaftliche Praxis abbildet und etablierte Methoden beinhaltet, die mit Expert*innen aus diesem Bereich abgestimmt sind. Die Broschüre wird nur auf Anfrage von Kitas an diese versendet.

 

Derzeit sind die 3.000 schriftlichen Exemplare vergriffen und die Broschüre wurde 300.000 Mal heruntergeladen.

 

Herr Reinfrank nimmt Stellung zu den 3 Hauptvorwürfen aus der öffentlichen Diskussion um die Broschüre:

 

Das Fallbeispiel des Mädchens mit Zöpfen, welches aus einer völkischen Familie stammt, möchte nicht darauf abstellen, dass Mädchen mit Zöpfen generell unter Rechtsextremismus-Verdacht gestellt werden.

 

Es geht nicht darum, Elternspionage zu betreiben durch z.B. die Einladung zu Elterngesprächen. Vielmehr handele es sich hierbei um etablierte Methoden der pädagogischen Praxis.

 

Die Broschüre wurde aufgrund von Nachfragen und Praxisbeispielen entwickelt. Die Förderung für die Erstellung der Broschüre bezog sich auf den konkreten Aspekt des Umgangs mit dem Thema Rechtsextremismus in diesem Kontext. Die Förderung muss zweckbestimmt verwendet werden. Zu den Themen Linksextremismus und Islamismus gab es bisher keine Nachfragen bei der Stiftung.

 

Herr Reinfrank berichtet von Bedrohungen, die sich gegen Mitarbeitende in der Stiftung richten.

 

Frau Haupenthal stellt die Kampagne „Berlin steht an der Seite Betroffener rechter Gewalt“ des Opferfonds CURA vor. Seit 2004 wird über den Opferfonds Cura schnell und unbürokratisch Hilfe für Betroffene rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Übergriffe geleistet. Beispielsweise werden Arzt-, Anwaltskosten oder Sachschäden übernommen. Die Fundraising-Kampagne ist eine langfristige Strategie, die zunächst Aufmerksamkeit für menschenverachtende Angriffe schaffen möchte. Neben der finanziellen Unterstützung geht es in der Kampagne um die Botschaft, dass die Gesellschaft sichtbar hinter diesen Opfern steht.

 

Frau Ameer stellt das Projekt „Aktion Schutzschild“ vor. Das Projekt entstand 2014 in Folge des erhöhten Schutzbedürfnisses von Geflüchteten in Deutschland. Die Chronik flüchtlingsfeindlicher Vorfälle wird seit 2014 von der Stiftung geführt und zeigt den Anstieg der Angriffe in diesem Zusammenhang. Von 2014 bis 2016 ist ein erheblicher Anstieg der Angriffe zu verzeichnen. Angesichts dieser Ereignisse stellte sich die Stiftung auch auf Anfrage von verschiedenen Kommunen die Frage, was die Gesellschaft tun kann und wie die Zivilgesellschaft eingebunden werden kann. Das Projekt verfolgt einen Empowerment-Ansatz, nach welchem die Selbstorganisation von Geflüchteten, z.B. durch Begleitung und Beratung zur Teilhabe und Bildung gestärkt werden sollen. Darüber hinaus widmet sich die Stiftung auch den Trägern sozialer Arbeit und den kommunalen Strukturen, um Lösungen zu entwickeln und die gesellschaftliche Teilhabe von Migrant*innen zu ermöglichen.

 

Nach der Vorstellung der Stiftung diskutiert der Ausschuss auch unter Beteiligung des Gastes Tobias Thieme aus dem Bezirk Pankow über die Broschüre „Ene, mene, muh – und raus bist du!“. Diskussionspunkte sind der Eingriff in die Hoheitsrechte der Eltern sowie die einseitige Betrachtung der Ursachen von Antisemitismus mit dem Fokus auf Rechtsextremismus.

 

Die Stiftung sieht keinen Widerspruch zum Elternrecht, sondern betont die Möglichkeit, die Eltern und ihre Rechte zu stärken. Zwischen Eltern und Mitarbeitenden der Kita bestehe eine Erziehungspartnerschaft.

 

Zur Frage nach dem Fokus auf rechtsextrem motivierten Antisemitismus stellt Herr Reinfrank fest, dass Antisemitismus verschiedene Ursachen und Motive haben kann. Die Innenministerien haben sich geeinigt: Wenn bei Straftaten in diesem Zusammenhang kein Täter ermittelt wird, sind diese Straftaten in der Statistik dem Rechtsextremismus zuzuordnen. Das müsse aus Sicht von Herrn Reinfrank überdacht werden. Dennoch sind viele Straftaten diesem Bereich zuzuordnen.

 

Herr Szczepanski fragt, ob Diskussionen um die umstrittene Broschüre, wie sie in Neukölln geführt wird, Auswirkungen auf die Arbeit der Stiftung und derartige Publikationen haben? Weiterhin wird gefragt, ob zu merken ist, dass die Broschüre von Neuköllner Kitas weniger angefragt werde?

 

Die Stiftung möchte zu der Diskussion keine Aussage treffen. Generell verunsichere es aber die Menschen.

Zur Abfrage der Broschüre aus Neukölln können ebenfalls keine Auskünfte gegeben werden, da nicht erfasst wird, wer die Broschüre im Internet herunterlädt.

 

Herr Kontschieder merkt an, dass die Kritik an der Broschüre aus dem Zusammenhang gerissen sei und einzelne Fragmente nicht im Kontext betrachtet wurden.

 

Eine weitere Frage von Herrn Abed zur verwendeten Definition von Antisemitismus und Verknüpfung mit dem Nahost-Konflikt wird von der Stiftung dahingehend beantwortet, dass sie sich an der Definition der Bundesregierung orientiere und diese gleichzeitig in den Seminaren der Stiftung immer wieder zur Diskussion stellt. In Bezug auf die Diskussion des Themas im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt vertritt die Stiftung die Meinung, die Themen eher getrennt und mit gleichem Maße zu diskutieren.

 

Herr Hikel dankt der Stiftung für die Arbeit und lobt das differenzierte Vorgehen und die Förderung einer breiten Diskussion, die von der Stiftung sehr unideologisch und produktiv geführt wird.

Der Cura Opferfonds wird vom Bürgermeister unterstützt und hat eine besondere Bedeutung angesichts der Anschläge in Neukölln. Zur Broschüre verweist Herr Hikel auf die ausführliche Diskussion in der BVV. Es müssen nüchterne und unaufgeregte, differenzierte Debatten geführt werden, in denen auch der Kontext betrachtet wird.

 

Herr Lüdecke fragt, woher man wissen könne, dass die Anschläge in Neukölln von rechtsextremen Personen verübt worden seien? Darüber hinaus sagt er, dass Antisemitismus zugenommen habe, aber die Ursachen nicht in Berlin gelöst werden können.

 

Die Stiftung antwortet, dass Antisemitismus genau da zu lösen ist, wo er auftritt. Bezüglich der Anschläge stellt sie dar, dass alle gemeinsam haben, dass die Angegriffenen sich gegen Rechtsextremismus einsetzen und daher die Motivlage naheliege.

 

Frau Zielisch stellt eine Nachfrage zur Veranstaltung der Stiftung „Der Rechte Rand der DDR-Aufarbeitung“ und die Begrenzung der Teilnehmendenzahl.

 

Die Stiftung verweist darauf, dass aus Brandschutzgründen nicht alle Personen zur Veranstaltung zugelassen werden konnten, das aber eine neue Veranstaltung zu diesem Thema geplant sei.


 
 

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