Auszug - Vorstellung der Integrationsarbeit des Vereins Al-Dar  

 
 
7. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Integration
TOP: Ö 3
Gremium: Ausschuss für Integration Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 18.07.2017 Status: öffentlich
Zeit: 17:05 - 18:35 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Al-Dar zur Beratung und Betreuung von Familien Arabischer Herkunft e.V.
Ort: Glasower Straße 44, 12051 Berlin
 
Beschluss


Die Vorsitzende des Vereins, Frau Renée Abul-Ella, informiert, dass sie den Verein 1984 gegründet hat. Zu Beginn umfasste das Angebot vor allem Sprachkurse und Weiterbildungsangebote (wie u.a. Schreibmaschinen- und PC-Kurse für Migranten). Seither hat sich das Angebot weiterentwickelt und sich dabei stets an den wechselnden Bedarfen der arabischen Community orientiert. Angeboten werden Leistungen der ambulanten Familienhilfe gemäß KJHG in Kooperation mit den Jugendämtern und die Umsetzung von Integrationsprojekten finanziert durch das BAMF, die Aktion Mensch und die Senatsverwaltung für Integration.

 

Darüber hinaus findet auch eine psychologische Beratung statt. Eine der Mitarbeiterinnen stammt aus Ägypten und hat dort ihr Psychologiestudium abgeschlossen. Bei der psychologischen Beratung der arabischen Community handelt es sich jedoch nicht um psychotherapeutische Behandlung, sondern um muttersprachliche psychologische Begleitung, die dann notwendig wird, wenn ältere arabische Frauen nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen.

 

Al-Dar hat sich zu einer integrationsfördernden Beratungsstelle zur Unterstützung bei akuten Familienkrisen entwickelt. Frau Abul-Ella ergänzt, dass sich der Verein bewusst vom Thema Religion abgrenzen will. Wer in der Vereinsarbeit missioniere, ist hier fehl am Platz. Das wird nicht geduldet.

 

Der Verein hat Standorte in den vier Bezirken Neukölln, Kreuzberg, Wedding und Tiergarten. Eine Besonderheit des Vereins ist die Gender- und altersspezifische Ansprache der unterschiedlichen Zielgruppen, wie z.B. in der Arbeit mit männlichen Migrantengruppen oder in der Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen. In drei Grundschulen leistet Al-Dar e.V. vor allem Unterstützung bei der Übersetzung und Kulturvermittlung, z.B. in der Alfred-Nobel-Schule. Außerdem leistet der Verein im Rahmen des Kinder- und Jugendangebots - neben der Hausaufgabenbetreuung und Begleitung der Kinder - in besonderen Fällen auch Unterstützung bei der Verarbeitung von Traumata, z.B. in Malworkshops mit Kindern, die aus Kriegsgebieten nach Berlin gekommen sind. Damit hat er stark zur sozialen Stabilisierung im Soldiner Kiez beigetragen.

 

Sehr erfolgreich war die Projektarbeit mit drei Generationen arabischer Kriegsflüchtlinge. „Woher komme ich? Was bin ich hier?“ Großmütter lernen mit ihren Enkelkindern zu spielen und so auch miteinander ins Gespräch zu kommen über ihre Erlebnisse und Erfahrungen im Zusammenhang mit Flucht und Vertreibung.

 

Seit 2016 führt Al-Dar e.V. zusammen mit dem Kinder- und Jugendzentrum „Lessinghöhe“ ein Projekt durch, um Rivalitäten zwischen alteingesessenen arabischen Jugendlichen und neuzugezogenen unbegleiteten Flüchtlingen zu überwinden. Dieses Projekt wird vom Jugendamt begleitet.

 

Die Vorsitzende bedankt sich im Namen der Ausschussmitglieder bei Frau Abul-Ella für die Vorstellung der Vereinsarbeit und wünscht dem Team weiterhin viel Erfolg bei seiner wichtigen Arbeit. Es beginnt die Abarbeitung der Rednerliste.

 

Frau Hascelik stellt die Frage, wie viel Personal der Verein insgesamt beschäftigt. Frau Abul-Ella antwortet, dass insgesamt 18 MitarbeiterInnen an der Arbeit von Al-Dar e.V. beteiligt sind, davon jedoch keine eine volle Stelle hat. Alle Mitarbeiter sind entsprechend ihrer Tätigkeit fachlich ausgebildet. Anfangs werden die neuen Mitarbeiter stets durch erfahrene Kolleginnen begleitet und parallel weitergebildet. Alle MitarbeiterInnen leisten mehr als vertraglich vereinbart. Dem Verein fehlt eine solide Grundfinanzierung. Mit Projektgeldern kann man keine langfristigen Strukturen finanzieren.

 

Frau Bayraktar fragt nach den Erfahrungen aus der Arbeit der Familienhilfe. Frau Abul-Ella nennt folgendes Beispiel. In einer Familie gab es einen großen Konflikt zwischen der Großeltern- und Enkelgeneration. Großmütter identifizierten sich nur wenig mit der deutschen Kultur, während ihre Enkel in Deutschland aufgewachsen und integriert waren. Beide Seiten waren nur schwer zusammen zu bringen. Es zeigte sich, dass die Großmütter in ihrer Kindheit aufgrund von Kriegserlebnissen nur wenig oder gar nicht gespielt hatten. Die Kinder brachten ihren Großmüttern das Hüpfspiel „Hopse“ bei. Diese machte so ihre ersten „spielerischen“ Erfahrungen und hierüber kamen beide Generationen miteinander ins Gespräch und näherten sich so wieder aneinander an.

 

Frau Schoenthal stellt die Frage, ob auch Projekte zum Erlernen der Herkunftssprache angeboten würden. Frau Abul-Ella antwortet, dass solche Projekte ausgelaufen seien, da die Gelder dafür fehlen würden. Als gemeinnütziger Verein ohne zahlende Mitglieder habe Al-Dar e.V. keine Möglichkeit, Eigenmittel einzusetzen. Durch den großen Anteil an ehrenamtlicher Arbeit kann der Verein jedoch gut funktionieren.

 

Frau Dr. Giffey fragt nach konkreten Beispielen, wie in der Kulturvermittlung mit Gegenmeinungen umgegangen werde. Frau Abul-Ella antwortet, indem sie einige Beispiele aus dem Umgang mit Migrantenfamilien aufzeigt. Die wenigsten würden beim ersten Kontakt eine Sozialberatung erbitten. Deshalb ist es wichtig, nicht konfrontativ zu arbeiten, sondern zuerst eine Vertrauensbasis aufzubauen. Dazu lädt sie mit Angeboten wie „Tee und Kaffee“ die Frauen in die Einrichtung ein. Das mögen sie. So baue man erste Kontakte auf. Mit der Zeit entstehe bei den Familien Vertrauen und die Mitarbeiter von Al-Dar können sensiblere Themen in die Gesprächsrunde einbringen. Durch die offenen Gespräche, an denen sich jeder nach Ermessen beteiligen kann, gibt es „versteckte“ Beratungsangebote. In vielen Fällen würden dann die Personen mit besonderem Beratungsbedarf direkt auf Al-Dar e.V. zugehen und einen privaten Beratungstermin anfragen.

 

Zur Zeit kommen viele türkische Frauen mit psychischen Problemen, die sie selbst direkt ansprechen. Ein anderes Beispiel war die Vermittlung zwischen Vätern mit eigener Fluchterfahrung und ihren hier aufgewachsenen Söhnen. „Bowling für Väter und Söhne“, diese gemeinsamen positiven Erlebnisse hat beide Generationen wieder einander näher gebracht.

 

Frau Abul-Ella erklärt außerdem, dass sie nie „gegen“ die Zielgruppe arbeiten würde, sondern mit ihr, das heißt „lenkend“. Wichtig hierbei ist, immer den positiven Effekt der Integration für die Betroffenen und deren Familien aufzuzeigen und zu erklären, dass Integration in ihrem eigenen Interesse geschieht. „Siehst du wie gut es deinem Kind geht?“ etc.

 

Herr Abed hält fest, dass er die Malworkshops mit traumatisierten Kindern ausdrücklich begrüßt, da es derzeit kaum ausreichende Strukturen gibt, um solche Kinder aufzufangen und bittet um Darstellung eines Malworkshops. Er stellt außerdem die Frage, ob ein Ausbau der Internetseite in Planung ist, da diese nicht den Umfang der guten und vielschichtigen Arbeit darstelle. Er fragt auch, welche Zukunftsprojekte Frau Abul-Ella anstrebe.

 

Frau Abul-Ella antwortet, dass es derzeit leider keine finanziellen Ressourcen für den Ausbau der Internetseite gibt. Sie berichtet, dass in den Malworkshops Kinder aus Syrien und Kinder der dritten Generation gemeinsam und ohne Vorgabe kreative Bilder malen. Anschließend vergleichen die Kinder ihre fertigen Bilder. Frau Abul-Ella erklärt, dass es einen großen Unterschied in der Farbauswahl und Helligkeit zwischen den Bildern der Kinder aus Kriegsgebieten (schwarz/dunkel) und solchen, die in Deutschland aufgewachsen sind (bunt/hell), gibt. Im Malprojekt „express youself“ mit der Alfred-Nobel Schule kann man anhand der Bilder sofort erkennen, welchem Kind es schlecht oder gute gehe.

 

Für die Zukunft wünscht sich Frau Abul-Ella eine kontinuierliche Arbeit mit den Kindern, da nur eine langfristige Betreuung tatsächlich eine Verbesserung der psychischen Verfassung der Kinder und ihrer Integration bewirken könne. Dafür bedürfe es vor allem einer langfristigen Strukturförderung.

 

Frau Tanana stellt die Frage, was der Name „Al-Dar“ bedeute und welche Bedeutung der Name für den Verein habe. Frau Abul-Ella antwortet, dass „Al-Dar“ auf Deutsch „zu Hause“ bedeute. Die Idee dahinter ist, dass der Verein die Großfamilien der Migranten ersetzen und einen Ort zum Zusammenkommen bieten möchte, ähnlich wie in einer Großfamilie.

 

Frau Hascelik stellt die Frage, ob überwiegend mehr Frauen oder Männer die psychologische Beratung in Anspruch nehmen. Frau Abul-Ella antwortet, dass die psychologische Beratung sich leider nur an Frauen richtet, obwohl auch viele Männer Bedarf an einer psychologischen Beratung haben würden. Grund dafür sei, dass die Beratungsprojekte durch die Initiative „Aktion Mensch“ gefördert werden und diese eine psychologische Beratung speziell für Frauen vorsieht.

 

Es werden keine weiteren Fragen mehr gestellt. Frau Abul-Ella bedankt sich für die Fragen und die Aufmerksamkeit der Ausschussmitglieder.


 
 

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