Auszug - Bericht zur Leistung im Pflegebereich  

 
 
27. öffentliche Sitzung des Sozialausschusses
TOP: Ö 4
Gremium: Sozialausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 11.03.2014 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 20:00 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Hotel Windenweg
Ort: Windenweg 37, 12357 Berlin
 
Beschluss

Die Vorsitzende leitet den Tagesordnungspunkt mit den Worten ein, dass diese Thematik in der letzten Sitzung der Bezirksverordneten nicht ausführlich genug behandelt werden konnte

Die Vorsitzende leitet den Tagesordnungspunkt mit den Worten ein, dass diese Thematik in der letzten Sitzung der Bezirksverordneten nicht ausführlich genug behandelt werden konnte. Sie freut sich daher sehr, heute die Fachcontrollerin der Abteilung Soziales, Frau Röder, begrüßen zu können. Frau Schoenthal geht es hier insbesondere darum, worauf der Sozialausschuss weiter zu achten habe und was das Bezirksamt hier weiter tun muss.

 

Frau Röder berichtet dem Ausschuss aus den letzten gut vier Jahren ihrer Tätigkeit im Bereich der Hilfe zur Pflege (HzP). Größtes Manko der bezirklichen Arbeit sind die weiterhin fehlenden Prüf- und Qualitätskriterien auf Landesebene. Auf Senatsebene hat sich hier bisher leider wenig getan. Sie nimmt daher an einer Vielzahl von Gremien und Arbeitsgruppen teil, um die bezirkliche Sichtweise bei der HzP im Gespräch zu halten.

 

Bezirksseitig erfolgte durch Sie trotz rechtlich unstrittener Kriterien eine stichprobenhafte Überprüfung der Pflegedokumentationen bei mehreren Pflegediensten (Tiefenprüfung), u.a. auch durch unangekündigte Hausbesuche. Mit insgesamt 29 Pflegediensten wurden Gespräche geführt, bei denen Auffälligkeiten festgestellt wurden. Zurzeit sind im Bezirk Neukölln 187 Pflegedienste aktiv (berlinweit 580), wobei viele Pflegedienste sehr stark bezirksübergreifend tätig sind.

 

Während ihrer Arbeit hat sie leider immer wieder feststellen müssen, wie viele Menschen in der Pflege tatsächlich nicht über ihre Rechte aufgeklärt sind. In den letzten 1 ½ Jahren ist verstärkt das Phänomen zu beobachten, dass durch die Pflegedienste widerrechtlich pflegende Angehörige angestellt werden. Festzustellen ist in diesem Zusammenhang auch, dass bereits stationär aufgenommene Menschen durch Angehörige nach Hause zurückgeholt werden. Anschließend werden nicht selten Anträge auf 24h-Pflege im Rahmen der HzP gestellt. Die Kosten für eine ambulante 24h-Pflege belaufen sich auf rd. 13.000 ? im Monat, stationär liegen diese bei rd. 2.500 ?. Aus Sicht von Frau Röder handelt es sich hierbei um äußert fragliche Konstellationen, da die Frage besteht, zu welchen Bedingungen diese Entwicklungen erfolgen. Das Image des Sozialamtes hat sich durch die Arbeit indes positiv verändert, es wird durch die Betroffenen und auch durch die an Qualität interessierten Pflegedienste verstärkt als kompetenter Ansprechpartner wahrgenommen.

 

Aus ihrer Sicht ist es sinnvoll, ihre Aufgaben fortzuführen (Frau Röder verlässt das Bezirksamt Neukölln). Hierzu gehört beispielsweise der Runde Tisch mit den Pflegediensten, welcher bisher halbjährlich einen Dialog auf Sachebene ermöglicht, die Qualitätszirkel mit den Beschäftigten oder die bezirksübergreifende Kommunikation mit den anderen Fachcontrollingstellen. Der Bezirk Neukölln sollte zudem weiter darauf drängen, dass für die Leistungen der HzP eine Beschreibung der Inhalte und der Qualität durch die Landesebene erfolgt.

 

Frau Schoenthal dankt Frau Röder für ihren ausführlichen Bericht und bittet die Mitglieder um ihre Fragen. Kurz skizziert folgendes:

 

Frau Hall-Freiwald möchte wissen, ob mit den Betroffenen (Angehörige als Pflegekraft) über die vorgestellten Entwicklungen gesprochen wird. Frau Röder berichtet, dass die Gespräche oftmals verschieden verlaufen. Einerseits liegt dies an der zum Teil fragwürdigen Motivation der Angehörigen, andererseits auch an der aus der Pflege der Angehörigen resultierenden Überforderungssituation.

 

Die Frage von Frau Künning zur Machtposition der Pflegedienste wird durch Frau Röder bejaht, zum Teil sind diese sogar mit Vollmachten der zu Pflegenden ausgestattet. Es gibt in Berlin rund 570 ambulante Wohngemeinschaften (bundesweiter Spitzenwert), so dass es sich hier um ein lukratives Geschäftsfeld handelt.

 

Frau Glöden fragt, welche Auswirkungen die Gespräche mit den Pflegediensten gebracht haben, bei denen Auffälligkeiten festgestellt wurden. Frau Röder berichtet, dass es zwar keine validen Zahlen gibt, dennoch eine Verbesserung aufgrund der verstärkten Überprüfungen festzustellen ist. Frau Glöden möchte zudem wissen, ob diese Vorgänge durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) aufgenommen werden. Frau Röder teilt hierzu mit, dass die KV nicht für den Pflegebereich zuständig ist. Daher wird der Ruf nach einer Pflegekammer lauter. Abschließend erkundigt sich Frau Glöden nach möglichen Strafen für Pflegedienste bei Verstößen. Frau Röder berichtet, dass es mittlerweile 165 Strafanzeigen im Pflegebereich gibt, davon sind 120 Pflegedienste betroffen.

 

Herr Hecht fragt, ob bei den Überprüfungen Qualitätsmissstände feststellbar sind. Gemäß Aussage von Frau Röder begegnen ihr diese leider erstaunlich oft. Dies ist jedoch nicht dem Sozialamt anzulasten, sondern wie die Pflege gehandhabt wird. Als Beispiel benennt sie den 200h-Pflegebasiskurs, welcher rechtlich ausreichend für eine Pflegetätigkeit ist. Fachlich sei dieser jedoch nicht ausreichend, da durch fehlende Fachkenntnisse z.B. die Krankenbeobachtung zu kurz kommt und sich dadurch letztlich die Kosten im Gesundheits- und Sozialwesen erhöhen. Nicht selten wird die Pflege zum Teil unzureichend durchgeführt.

 

Herr Glücklich möchte wissen, ob der Pflegemissbrauch nur die ambulante HzP betrifft. Frau Röder bezweifelt dies stark. Ihrer Ansicht nach sind aufgrund der betriebswirtschaftlichen Ausrichtung alle Hilfebereiche, bspw. die Behindertenhilfe, betroffen.

 

Frau Smaldino erläutert dem Ausschuss, dass sie dank Frau Röder einen tiefen Einblick in die Fachmaterie erhalten konnte. Vielen Menschen konnte durch die Arbeit von Frau Röder geholfen werden. Mit der Arbeit wurde ein Zeichen gesetzt und sie bedauert den Weggang von Frau Röder außerordentlich. Auch sie unterstreicht, dass die Arbeit fortgeführt werden muss.

 

Herr BzStR Szczepanski führt aus, wie hilfreich die Arbeit von Frau Röder für seine Abteilung war und ist. Als ausgebildete Fachkraft konnte sie z.B. ihre praktischen Erfahrungen zielgerichtet an die Mitarbeiter/-innen der Abteilung weitergeben. Durch ihre fachliche Kompetenz ist die Außenwirkung auf die Pflegedienste nicht zu unterschätzen.

 

Manche Pflegedienste agieren jedoch am Rande der Legalität und nutzen gesetzliche Lücken aus. Auch er bedauert den Weggang ausdrücklich und versichert in diesem Zusammenhang, dass die Arbeit von Frau Röder fortgeführt wird. Aktuell läuft das Besetzungsverfahren für die Stelle der/des Qualitätsbeauftragten für die ambulante Hilfe zur Pflege.

 

Er dankt Frau Röder ausdrücklich für die geleistete Arbeit und wünscht ihr für ihre berufliche und persönliche Zukunft alles Gute.

 

Herr BzStR Szczepanski führt weiter aus, dass die Verhandlungen zum Berliner Rahmenvertrag nicht nach dem Willen der Bezirke verlaufen, obwohl diese die beanspruchten Pflegeleistungen bezahlen müssen. Die bezirklichen Kontrollrechte müssen gestärkt werden, da die Bezirke bei der Ausübung ihrer gesetzlichen Aufgaben sonst an ihre Grenzen stoßen.

 

Frau Röder erläutert abschließend, dass durch sie ein Handbuch/Leitfaden entwickelt wurde, welcher der Leistungsstelle, den Gutachtern und allen Dienstleistern zur Verfügung gestellt wurde. Dieser Leitfaden soll dazu dienen, im Bereich der Pflege eine gemeinsame Sprache zu finden. Da sich die HzP mit anderen Hilfearten (z.B. Eingliederungshilfe, Soziale Wohnhilfe) überschneidet, ist ein Fachcontrolling für alle Hilfearten erforderlich. Eine mögliche Eingrenzung auf bestimmte Bereiche würde dem nicht gerecht werden.

 

Die Vorsitzende versichert, dass sich der Ausschuss weiterhin diesem Themenbereich widmen wird. Sie bedauert ebenfalls den Weggang von Frau Röder, bedankt sich nochmals für die Ausführungen und schließt den Tagesordnungspunkt.

 

 


 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
BVV Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Sitzungsteilnehmer Auszug Realisierung
   Anwesenheit Kleine Anfragen

BVV-Büro Neukölln

Zimmer: A 201

Verkehrsanbindungen

Postanschrift

Bezirksamt Neukölln – BVV
12040 Berlin

Sprechzeiten

Montag bis Donnerstag
nach Vereinbarung

an Sitzungstagen des Ältestenrats
geschlossen

an Tagen der BVV-Sitzungen
geschlossen