Auszug - Vorstellung der Beratungsstelle  

 
 
7. öffentliche Sitzung des Gesundheitsausschusses
TOP: Ö 2
Gremium: Gesundheitsausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 06.11.2012 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 19:10 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Café Beispiellos
Ort: Wartenburgstraße 8, 10963 Berlin
 
Beschluss

Anlässlich dieses Tagesordnungspunktes begrüßt Frau Finger Herrn Nauen und bittet diesen das Angebot des Cafe Beispiellos vorzustellen

Anlässlich dieses Tagesordnungspunktes begrüßt Frau Finger Herrn Nauen und bittet diesen das Angebot des Cafe Beispiellos vorzustellen. Dieser erläutert, dass die Beratung und Behandlung von Glücksspielsüchtigen und deren Angehörigen die Haupttätigkeit des Cafes ist (siehe Anlage1). Daneben engagieren sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Problematik der Glücksspielsucht in der breiten Öffentlichkeit und Gesellschaft bekannt zu machen. Das Café Beispiellos ist eine Einrichtung des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin e.V. und übt seit über 25 Jahren die Beratungstätigkeit aus. Ziel ist es im Rahmen eines Erstgespräches die Überleitung der Klienten in die angeleiteten Gesprächsgruppen zu erreichen. Es werden vier Gesprächsgruppen pro Woche angeboten, in denen die Abstinenz gefestigt werden soll. In diesen Gruppen verbleiben die Klienten in der Regel drei Monate. Anschließend erfolgt meist eine Aufnahme in Selbsthilfegruppen außerhalb des Cafes, eine ambulante oder stationäre Therapie. Ergänzt wird dieses Angebot um zwei Angehörigengruppen, die zweimal im Monat zusammenkommen. Jede Gruppe wird von 10 bis 15 Teilnehmern besucht. Auf Nachfrage teilt Herr Nauen mit, dass es in Berlin keine Klinik gibt, die eine stationäre Therapie in diesem Bereich anbietet. Bundesweit bieten ca. 30 Kliniken Hilfe in Form einer stationären Therapie zur Spielsucht an. Im Cafe Beispiellos erfolgt eine Unterscheidung zwischen Spielsucht in den Bereichen PC und Internet und Glücksspielsucht. Des Weiteren erläutert Herr Nauen, dass der Altersdurchschnitt der Klienten derzeit bei 35 bis 40 Jahren liegt, die Hilfesuchenden jedoch zunehmend jünger werden. 85 bis 90 % der Beratungssuchenden sind Männer, wogegen die unterstützungssuchenden Angehörigen zu 90 % Frauen sind. Da die Klienten in der Regel hoch verschuldet sind, bietet das Cafe Beispiellos seit Januar 2012 ein Zusatzangebot in Form einer Schuldnerkurzberatung an. Diese hat die Überleitung in eine Schuldnerberatungsstelle zum Ziel, in der dann ggf. auch ein Insolvenzverfahren begleitet werden kann. Aber auch die massive Zerstörung im sozialen Umfeld bzw. der sozialen Beziehungen stellt bei einem großen Teil der Klienten ein Problem dar. Herr Nauen führt weiter aus, dass Neukölln, gefolgt von Tempelhof-Schöneberg, Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg, seit Jahren der Bezirk ist, aus dem die meisten Spielsüchtigen Unterstützung im Cafe Beispiellos suchen. Die Suchtproblematik liegt hier überwiegend bei den Geldspielautomaten.

Frau Finger bittet in diesem Zusammenhang Herrn Berkant Otto aus seinem Leben als ehemals Spielsüchtiger zu erzählen. Dieser berichtet, dass er aufgrund einer Ehekrise mit dem Glücksspiel an Geldautomaten in seinem unmittelbaren Wohnumfeld begann. Er verbrachte immer mehr Zeit an diesen Automaten, so dass er schließlich sogar seine Kinder vernachlässigte. Er ließ sie alleine zuhause, verspielte seine Harz IV - Bezüge und das Kindergeld. Anfangs setzte er 10 Cent ein, später verspielte er bis zu 700,00 Euro im Monat. In der Konsequenz drohte das Jugendamt ihm die Kinder wegzunehmen. Dies führte nach einem Jahr Spielsucht bei ihm zu einem Umdenken und zu der Einsicht, sich Hilfe suchen zu müssen. Diese fand er in der Vätergruppe von Herrn Erdogan. Herr Nauen ergänzt an dieser Stelle, dass es eher untypisch ist, dass Spielsüchtige bereits nach einem Jahr zu dieser Erkenntnis gelangen. In der Regel kommen Klienten erst, wenn der Leidensdruck sehr hoch ist, was durchschnittlich eher erst nach ca. fünf Jahren gegeben ist. Herr Otto berichtet abschließend, dass er in der Zwischenzeit in der Lage ist, Spielhallen aufzusuchen ohne dort dem Glücksspiel nachzugehen.

 

Im Anschluss zu den Ausführungen von Herrn Otto macht Herr Erdogan deutlich, dass in den Wettbüros und Kulturvereinen weit mehr Geld im Umlauf ist, als an den Geldspielautomaten oder ähnliches. Daher sollte diese Problematik unbedingt ebenfalls in der aktuellen Diskussion Berücksichtigung finden. Hierzu ergänzt Herr Nauen, dass auch Online – Spiele wie Online Poker etc. an Bedeutung zunehmen.

 

Herr Erdogan berichtet, dass er sich persönlich in einigen Spielhallen einen Eindruck verschafft hat, ob die Vorgaben der Senatsverwaltung im Spielhallengesetz erfüllt werden und feststellen musste, dass keiner der aufgesuchten Läden den Auflagen nachkommt.

 

An dieser Stelle begrüßt Frau Finger Frau Kammin von der Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin, die im Rahmen eines Präventionsprojektes mit dem Schwerpunkt Spielsucht beschäftigt ist. Sie findet es gut, dass Frau Finger weiter am Thema bleibt, hat sie sich doch schon 2010 im Jugendhilfeausschuss damit beschäftigt. Frau Kammin begrüßt das Spielhallengesetz, auch wenn aktuell die Umsetzung noch nicht ausreichend kontrolliert werden kann. Ein großes Problem sieht sie darin, dass es für Kinder- und Jugendliche aus Bezirken mit einer hohen Dichte an Glücksspielautomaten ein Normalzustand ist, mit diesen Geräten in Kontakt zu kommen. Ihren Erkenntnissen nach, glaubt jeder zweite Jugendliche, dass man mit Sportwetten Geld verdienen kann, wenn man sich damit gut auskennt. Sie hat in diesem Zusammenhang die Erfahrung gemacht, dass die Erwachsenen sich gut über die Risiken des Glücksspiels informiert sehen, diese Problematik jedoch nicht mit den Kindern und Jugendlichen thematisieren. Auch in ihrer täglichen Arbeit stellt Neukölln aufgrund der hohen Automatendichte und des niedrigen Sozialindexes einen Schwerpunktbezirk dar. Herr BzStR Liecke sieht ebenfalls einen hohen Handlungsdruck in Neukölln. Trotz des Spielhallengesetzes und der Kontrollen durch das Ordnungsamt liegt hier eine große Problematik vor. Eine Hürde bei der präventiven Arbeit stellt die Erreichbarkeit der Jugendlichen dar. Eine Möglichkeit besteht über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendfreizeiteinrichtungen, die hier bereits gute Arbeit leisten. In diesem Zusammenhang macht Frau Kammin noch einmal deutlich, dass in der Präventionsarbeit mit Jugendlichen auch ihr Schwerpunkt liegt, da das Glücksspiel für Kinder und Jugendliche heutzutage zum normalen Prozess des Ausprobierens gehört, wie das Rauchen und der Alkoholkonsum. Jugendliche müssen darin gestärkt werden, „Nein“ zu sagen zu den Risiken, die das Glücksspiel darstellt. In diesem Zusammenhang verteilt sie die Methodensammlung „Jugendliche und Glücksspiel“ an alle Anwesende. Sie hebt noch einmal hervor, dass es besonders wichtig ist, nicht einmalig zu intervenieren, sondern häufig und wiederkehrend.

 

Herr Erdogan möchte zukünftig im Rahmen der Präventionsarbeit ca. 15 ehemals Spielsüchtige als Multiplikatoren hinsichtlich der Gefahren des Glücksspiels schulen und mit ihnen Informationsveranstaltungen an verschiedenen Orten im Bezirk anbieten.

 

Frau Finger bedankt sich anschließend bei Herrn Nauen, Herrn Otto, Frau Kammin und Herrn Erdogan für die umfangreichen Informationen zum Thema Spielsucht und beendet diesen Tagesordnungspunkt.

 


 
 

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