Auszug - Erläuterung der Petition der 9. Jahrgangsstufe der Schülerinnen und Schüler der Clay-Oberschule zur Umbenennung der Wissmannstraße und der Woermannkehre vom 11. Juni 2010 (Anlage 1)  

 
 
40. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tiefbau
TOP: Ö 1
Gremium: Ausschuss für Verkehr und Tiefbau Beschlussart: erledigt
Datum: Mi, 15.09.2010 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 20:30 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Rathaus Neukölln, Puschkin-Zimmer, 1. Etage, Raum A105
Ort: Karl-Marx-Straße 83, 12040 Berlin
 
Beschluss

Herr Scharmberg begrüßt die Ausschussmitglieder, die Seniorenvertretung, die Mitarbeiter der Verwaltung, stellt fest, dass die Einladung allen Ausschussmitgliedern rechtzeitig zugegangen ist und eröffnet die 40

Herr Scharmberg begrüßt die Ausschussmitglieder, die Seniorenvertretung, die Mitarbeiter der Verwaltung, stellt fest, dass die Einladung allen Ausschussmitgliedern rechtzeitig zugegangen ist und eröffnet die 40. Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tiefbau. Zum TOP 1 begrüßt er den stellvertretenden Schulleiter der Clay-Schule Herr Semmel, den zuständigen Lehrer Herr Suratny und die Schülerinnen und Schüler der jetzigen 10. Jahrgangsstufe. Zum TOP 2 wird Herr Richwien begrüßt und zum TOP 3 Herr Dr. Pomp. Herr Scharmberg zieht die Besprechung des TOPs 3 vor den TOP 1.

 

 

 

Herr Suratny führt aus, dass die Schüler/-innen im letzten Schuljahr im Rahmen der Ausstellung des mobilen Museums das Thema „Kolonialzeit“ durchgenommen haben. In diesem Rahmen ist die Petition zur Umbenennung der Wissmannstraße und der Woermannkehre zu sehen. Florian Richter und Stefan Klose führen Näheres hierzu aus. Die Straßen und ihre Benennung sind ein Zeichen der Stadt und die Personen Wissmann und Woermann haben durch ihre Verbrechen in der Kolonialzeit nicht das Recht, mit Straßennamen auch noch geehrt zu werden. Falls eine Umbenennung nicht möglich ist, so sollte ein noch größeres Schild auf die Untaten wie Völkermord, Betrug und Unterdrückung hinweisen.

 

Herr Scharmberg berichtet von der Auseinandersetzung mit der Thematik Wissmann in der Werkstatt der Kulturen 2006/2007. Dabei gab es auch einige Fachleute, die die Auffassung vertraten, eine „Säuberung“ der Straßennamen führe zu einer Verdrängung. Diese empfahlen eher den Erhalt der Straßennamen und die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. An dieser Stelle wird auf das langjährige Projekt zur Aufstellung des Gedenksteines für die Opfer der deutschen Kolonialzeit im ehemaligen Deutsch-Südwest-Afrika auf dem Friedhof Columbiadamm/Garnisonsfriedhof hingewiesen. Auch hier wurde die Überlegung verworfen, den vorhandenen Stein, der die deutschen im Rahmen der Niederschlagung des Aufstandes gefallenen Soldaten ehrt, zu entfernen.

 

Herr Posselt sieht hier keine Vergleichbarkeit, ein Straßenschild darf nicht an die Person erinnern, die Menschenmorde veranlasst hat. Er setzt sich für die konsequente Umbenennung ein, die im Dialog mit den Anwohnern zu führen ist.

Der Schüler Stefan Klose sieht einen Anfang, wenn die Woermannkehre, die nur zwei Gewerbetreibende als Anlieger hat, umbenannt wird. Die Schülerin Wendy Gbadamosi bringt zum Ausdruck, dass die Nachfahren der Opfer durch die Straßennamen brüskiert würden.

 

Frau Simon, die bei der Ausarbeitung des Gedenksteines für die Opfer der Nama und Herero federführend war, berichtet, dass die Republik Namibia anders als wir mit ihrer Vergangenheit umgehen und deutsche Straßennamen und Denkmale erhalten bleiben. Der Schüler Jonas Meyerhof könnte eine Beibehaltung akzeptieren, wenn eine aufklärende Inschrift zu Wissmann und Woermann auch den Passus enthält, dass diese Zeiten nie wieder kommen dürfen.

 

Herr Szczepanski sieht kein Argument dafür, die Straße weiterhin nach einem Verbrecher zu benennen. Herr Posselt sieht einen Unterschied zwischen der Aufarbeitung der Vergangenheit bei Tätern und Opfern (Völker).

 

Herr Eichholz möchte diese generalisierende Diskussion auf die personenbezogene Schuld beziehen. Herr Wissmann galt und gilt als Afrikaforscher, der seine Aufträge in der Rückschau mit als heute kriminell anzusehenden Mitteln durchgesetzt hat. Herr Woermann war ein Reeder, der zwar im erheblichen Maße an der Kolonialzeit profitiert hat, aber nie selbst einen Völkermord begangen hat. Der eigentliche als Völkermord zu bezeichnende Akt stammt von General von Trotta, der den Vernichtungsbefehl in Deutsch-Südwest-Afrika ausgerufen hatte. Die im Zusammenhang mit den Personen Wissmann und Woermann vollzogenen Taten obliegen der Verantwortung der Kolonialmacht und können nach seiner Ansicht nicht Einzelpersonen in Gänze angelastet werden.

 

Herr Lück fordert ein, nicht nur Herrn Woermann zu nennen, sondern auch Thyssen-Krupp und Mercedes als Kriegsgewinner darzustellen und nicht scheinheilig auf zwei einzelne Personen abzuzielen, deren Namen sich in Neukölln als Straße wiederfinden.

 

In mehreren Wortbeiträgen von Herrn Oeverdieck, Herrn Scharmberg, Herrn Dr. Pomp und Herrn Posselt wird nochmals auch auf den persönlichen Handlungsaspekt dieser Personen Bezug genommen, die die Hauptverantwortung für die in Rede stehenden Taten in der Kolonialzeit hatten.

 

Herr Schumacher steht der Umbenennung ambivalent gegenüber; werden die Namen erhalten, gibt es einen Hinweis auf die Geschichte und die Möglichkeit zur kontroversen Diskussion; entfallen diese Namen, sind sie im Alltag nicht sichtbar.

 

Herr Scharmberg sieht als eine Lösungsmöglichkeit analog der geschichtlichen Aufarbeitung durch Stolpersteine mit einer größeren Tafel im Gehwegbereich auf die Taten des Herrn Wissmann und Herrn Woermann aufklärend hinzuweisen.

 

Der Schüler Meyerhof plädiert dafür, den Umbenennungsvorschlag nicht leichtfertig abzutun und den geringsten Widerstand zu gehen. Ein Schild muss dann eine entsprechende Größe haben und in mehreren Sprachen über die Geschehnisse informieren.

 

Herr Haake dankt den Schülerinnen und Schülern für ihre engagierte Auseinandersetzung mit der Kolonialzeit, der hier vorgebrachten Petition und der „Farbe“, die sie in die Arbeit des Gremiums eingebracht haben. Der Ausschuss wird sich dafür einsetzen, dass etwas getan wird. Herr Scharmberg schließt sich den abschließenden Worten von Herrn Haake an.

 


 
 

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