Auszug - Vorstellung des Projektes Stadtteilmütter ( Bericht von Frau Anna Hermanns vom Bezirksamt und Frau Maria Macher für den Träger Diakonisches Werk Neukölln-Oberspree e.V.)  

 
 
3. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Integration
TOP: Ö 4
Gremium: Ausschuss für Integration Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 21.02.2017 Status: öffentlich
Zeit: 17:05 - 18:48 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Rathaus Neukölln, Wetzlar-Zimmer, 2. Etage, Raum A203
Ort: Karl-Marx-Straße 83, 12040 Berlin
 
Beschluss

Frau Hermanns stellt das Projekt Stadtteilmütterprojekt in Kurzform vor

Frau Hermanns stellt das Projekt Stadtteilmütterprojekt in Kurzform vor. 2004 startete das Modellprojekt, das aus der Arbeit einer AG in der Schillerpromenade entwickelt wurde. Hauptsächlich stellte sich die AG den Themen Sprachdefizite bei Kindern und die fehlende Anmeldung von Kindern in Kindertagesstätten. Mit dem EU-Förderprogramm Lokales Soziales Kapital (LOS) wurde nach der Innovationsphase von zwei Jahren eine Ausdehnung des Projektansatzes im Rahmen des Programm Soziale Stadt möglich. Die Ausdehnung bestand in der erforderlichen Steuerung, die durch das Bezirksamt zu leisten ist. Frau Hermanns hat diese Funktion von Beginn an inne. Zur Steuerung zählt die inhaltliche Abstimmung mit dem Projektträger, die Unterstützung der Vernetzung mit anderen Akteuren wie dem Jugend- und Schulamt sowie den Mitarbeitern auf Landesebene. Da das Modellprojekt bereits mehrfach ausgezeichnet wurde – u.a. 2008 mit dem Metropolitan Award in Sydney – wird das Projekt oft auch nationalen und internationalen Delegationen vorstellt. Die Zielrichtung auf der Steuerungsebene ist, das Berufsbild „Stadtteilmütter“ mit der formalen Anerkennung in Regelfinanzierungsinstrumente aufzunehmen. Ein kleiner Schritt ist hier getan, in dem je Bezirk in den Familienzentren drei Stadtteilmütter finanziert werden. Aktuell ist die Förderung von Integrationslotsen und Stadtteilmütter in den Berliner Haushalt als zuwendungsgeförderte Regelaufgabe eingestellt worden. Ein Erfolg würde es darstellen, mit dem neuen Gesetz zur Familienförderung dies zu integrieren.

 

Frau Macher führt aus, dass in Zusammenarbeit mit URAK e.V. gezielt die ersten 12 türkischen Mütter qualifiziert wurden. Nach der Qualifizierungsphase gehen die Mütter zu anderen Müttern in die Familien und geben ihr Wissen weiter. Die drei Themen-schwerpunkte Erziehung, Bildung und Gesundheit für Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahre, werden in zehn Bausteinen runter gebrochen. Neben der Wissensvermittlung besteht die Hauptaufgabe, die Familien in bestehende Angebote anzubinden und als Brücke zu dienen. Soweit nach den zehn Besuchen noch weiterer Unterstützungsbedarf besteht, werden sie an die Hand genommen und zu Beratungseinrichtungen gebracht. Die Anbindung in den Kiez ist langfristig ausgelegt.

 

Die Qualifizierung dauert 6 Monate mit den zehn Bausteinen; je Baustein gibt es eine Wissensmappe mit entsprechenden Informationsmaterial, das auch ausgehändigt wird. Außerdem werden von den Stadtteilmüttern alle einschlägigen Beratungsstellen kennen gelernt, damit eine Vermittlung ermöglicht wird. Die Weitervermittlung der Informationen wird im Rollenspiel eingeübt. Die Stadtteilmütter müssen selbst ihre Kundinnen finden und machen daher auch Werbung auf unterschiedlichen Festen, Anlässen, in Kitas oder Schulen – den Werbeflyer gibt es inzwischen in 15 Sprachen. Jede Stadtteilmutter ist festen Kitas und Schulen zugeordnet. In gemischten Teams sind sie 1 bis 2 Mal in der Schule oder Kita für die Eltern vor Ort.

 

Am Ende der Qualifizierung wird ein Zertifikat von der Bezirksbürgermeisterin, der Geschäftsführung der Diakonie und dem Geschäftsführer des Jobcenters über gegeben. Im Anschluss erhalten die Mütter über entsprechende Beschäftigungsmaßnahmen – derzeit FAV und Soziale Teilhabe – einen Vertrag über 30 Stunden Wochenarbeitszeit mit einer Kernarbeitszeit von 9.00 bis 15.00 Uhr. Als weitere Termine tauschen sich die Stadtteilmütter mit der Koordinatorin ihres Teams aus. Außerdem findet fortlaufend eine aufbauende Qualifizierung zu politischen und gesundheitlichen Themen während der Beschäftigungsmaßnahme statt, um die Integration nach Ablauf in den ersten Arbeitsmarkt zu fördern.

 

Aus den Erfahrungen heraus ist der Einstieg in das Erwerbsleben für die Stadtteilmütter über die Beschäftigungsmaßnahme eine Herausforderung und die Arbeit innerhalb der Gruppen und mit den Koordinatorinnen unterstützt diesen individuellen Prozess. Es gibt derzeit fünf Teams mit Koordinatorinnen, 76 Frauen sind im Projekt beschäftigt und 15 befinden sich in der Qualifizierung. Im März startet die nächste Qualifizierung und derzeit werden Teilnehmerinnen gesucht, die bestimmte Voraussetzungen (Wohnort, Alter, Kinder) erfüllen müssen.

 

Fragen:

Frau Schoenthal: Die Stadtteilmütter sind über Deutschland hinaus bekannt. In der letzten Legislaturperiode hat die BVV die Verwaltung gebeten, Stadtteilmütter als Berufsbild anzuerkennen. Gibt es hierzu Fortschritte?

Welche Möglichkeiten gibt es nach der Beschäftigungsmaßnahme schneller in den 1. Arbeitsmarkt vermittelt zu werden?

 

Frau Hermanns berichtet, dass SPI Consult im Auftrag der Senatsintegrationsverwaltung ein Konzept zum Berufsbild fertigen soll. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln starten nochmals eine eigene Initiative, um dies Thema wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Der überwiegende Anteil der Stadtteilmütter ist über Beschäftigungsmaßnahmen angestellt, was eine zeitliche Befristung bedeutet, sodass sie erst nach einer Pause wieder in das Projekt aufgenommen werden können. Frau Macher ergänzt, dass die Stadtteilmütter insbesondere mit arabischen Sprachkenntnissen derzeit gute Einstiegsmöglichkeiten in den 1. Arbeitsmarkt haben. Die Diakonie übernimmt zum Ende der Maßnahme eine Beratung der Frauen. Ein direkter Anschluss ist nicht immer möglich. Die Frauen sind sehr motiviert weiterzuarbeiten und knüpfen sie in andere Arbeitsgebiete an.

 

Herr Atashgahi fragt nach einer Statistik zur Abbrecherquote und der Zusammenarbeit zwischen den Flüchtlingsunterkünften und Stadtteilmüttern?

 

Frau Macher stellt dar, dass es keine Abbrecher-Statistik gibt; i.d.R starten 25 Mütter die Qualifizierung und nach der sechswöchigen Probezeit gehen meist fünf Frauen und bestehen tun am Ende 15 Frauen. Die Stadtteilmütter arbeiten nicht in den Unterkünften, da ihr Profil ist, zu den Müttern nach hause zu gehen. Für die Unterkünfte gibt es für den Bezirk drei über das Landesrahmenprogramm finanzierte Flüchtlingslotsen des Trägers Chance e.V.. Eine Kooperation zwischen Integrationslotsen und Stadtteilmüttern besteht.

 

Herr Kapitän fragt nach, wie viel Prozent der Mütter in den ersten Arbeitsmarkt einmünden?

Frau Hermanns erläutert, dass das Jobcenter hierüber keine gesonderte Statistik führe. Ein Hinweis kann die Auswertung des Verbleibs von 60 Stadtteilmüttern, die vor drei Jahren nach dem Ende der Bürgerarbeit auf einen Schlag wieder arbeitslos wurden, geben. Nach ein bis zwei Jahren waren 30 Prozent dieser Gruppe noch arbeitslos.

 

Herr Abed dankt für die Arbeit und Ausführung. Etwas unklar ist, wie die Finanzierung von 200.000 € für das Projekt auskömmlich ist. Wie und wer hat die Themen der Bausteine zusammengestellt und wie steht es mit den Themen: Rechte der Kinder, Rechte der Familie und demokratische Teilhabe?

Frau Hermanns erläutert, dass es mehrere Finanzierungsbausteine aus unterschiedlichen Quellen gibt. Die Stadtteilmütter selbst werden über Beschäftigungsmaßnahmen direkt vom Jobcenter finanziert, die über das Landesrahmenprogramm sind mit dem Mindestlohn mit einem befristeten Arbeitsvertrag bei der Diakonie angestellt. Die Projektförderkosten beziehen sich auf die Unterstützung durch die Koordinatorinnen und die Durchführung der Qualifizierungsmaßnahme.

Frau Macher berichtet, dass das Konzept in Paris, Rotterdam und in Dänemark geteilt wird – wobei die Bezahlung sehr unterschiedlich ist. Die Themenzusammenstellung wurde in der AG Sprachförderung mit Kita-Leitenden, Lehrkräften und Kinderärzte erarbeitet. Auch die Sichtweise der Frauen ist aufgenommen worden. Der Themenkomplex „Rechte der Kinder und die Rechte der Familie sowie die demokratische Erziehung zum Grundgesetz und politische Teilhabe“ sind Bestandteile der kontinuierlichen Qualifizierung.

 

Frau Schoenthal fragt sich, was kann der Ausschuss und die Bezirksverordneten noch weiter tun, um das Berufsbild zu integrieren.

Frau Hermanns berichtet, dass der Ansatz zur Sozialassistentin nicht zielführend war, da eine Finanzierung in Kostenplänen in Kitas oder Schulen gegeben sein muss. Die Hoffnung liegt in der Novellierung des Familienfördergesetzes in Berlin.

Herr Rämer unterstreicht den Wunsch, dass die Bezirksverordneten Multiplikatoren und Botschafter sind, die an allen Stellen die wichtige Einbindung ins Regelsystem fordern.

 

Frau Zielisch will wissen, ob es auch Stadtteilväter gibt und wie das konkrete Leitbild und Zielsetzung des Projektes ist?

Frau Macher berichtet von einem Väterprojekt, das aber nicht so erfolgreich war. Erfahrungen zeigen, dass Väter mit Kleinkindthemen nicht so gut eingebunden werden können. In Friedrichshain-Kreuzberg heißt das Projekt Stadtteilmütter und -väter; es gibt jedoch nur drei Männer im Team. Väter sind auch nicht die Hauptzielgruppe werden aber indirekt mitinformiert. Die Zielsetzung ist die Familien in der Muttersprache vor Ort zu erreichen, die vom bestehenden System nicht erreicht werden konnten, mit dem Ziel deren  Erziehungskompetenz zu steigern. Herr Szczepanski ergänzt, dass es vom IBBC e.V. und vom Aufbruch Neukölln e.V. andere Väterprojekte zu den „Männerproblemen“ wie Drogen, Gewalt und der Beziehung zur Familie gibt.

Das Projekt wurde drei Mal evaluiert, wobei hier nur die harten Daten wie die Vermittlung in Kitas und Anmeldungen zu Sprachkursen messbar waren. Inhaltlich wurde untersucht, ob sich die Familien nach einer Zeit an Themen erinnern konnten, auch wenn nicht alles für sie sofort umsetzbar war. Der beste Gradmesser sind die Stadtteilmütter selbst; jedes Jahr findet ein Klassentreffen mit 400 Frauen statt. Alle Kinder haben sehr gute Abschlüsse, studieren oder befinden sich in einer Ausbildung.

 

Herr Mengelkoch steuert zur Diskussion bei, dass die Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendgesundheitsdienst wichtig ist, um Vertrauen zu schaffen – auch wenn die Übersetzung von medizinischen Diagnosen nicht in ihren Bereich fällt. Es fallen immer mal wieder Notfälle an, in der eine Stadtteilmutter auch ins Krankenhaus begleitet. Es gibt für die Stadtteilmütter allerdings ein Haftungsausschluss ausgesprochen durch die Senatsintegrationsverwaltung.

 

Flyer werden verteilt.


 
 

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