Auf Vorlage der Senatorin für Inneres und Sport, Iris Spranger, hat der Senat von Berlin heute den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2024 zur Kenntnis genommen.
Innensenatorin Iris Spranger sagte dazu:
„Wenn wir auf das vergangene Jahr zurückblicken, so müssen wir leider konstatieren, dass der Druck auf unsere Demokratie nicht kleiner geworden ist. Gefährdungs- und Bedrohungspotenziale haben in nahezu allen verfassungsfeindlichen Phänomenbereichen zugenommen. Von den Aktivitäten verfassungsfeindlicher Gruppierungen sind auch immer wieder gesellschaftliche Minderheiten betroffen, die diffamiert, beleidigt und attackiert werden. Im Fokus von Verfassungsfeinden stehen dabei wiederholt Homosexuelle, queere Menschen und Transpersonen. Das Sonderkapitel des Berliner Verfassungsschutzberichts befasst sich mit den Mechanismen und Strategien, mit denen vor allem die Anhängerinnen und Anhänger rechtsextremistischer und islamistischer Gruppierungen homophobe und queerfeindliche Vorurteile schüren. Dass Menschen aufgrund ihres Aussehens, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer politischen Meinung angegriffen werden, ist unerträglich und mit den Werten unserer demokratischen und
pluralistischen Gesellschaft unvereinbar. Dem werden wir uns weiterhin mit aller Entschlossenheit und allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln entgegenstellen.“
Zentrale Inhalte des Berliner Verfassungsschutzberichts 2024:
Auslandsbezogener Extremismus
Die heterogene Szene des Auslandsbezogenen Extremismus prägten vor allem israelfeindliche und antisemitische Akteure. Dazu zählten insbesondere die Anhängerinnen und Anhänger der PFLP, des türkischstämmigen Rechtsextremismus und der israelfeindlichen Boycottbewegung BDS. BDS Berlin wird erstmals vom Berliner Verfassungsschutz als erwiesen verfassungsfeindliche Bestrebung im Bericht aufgeführt. Ursächlich dafür ist die verfassungsfeindliche, das Existenzrecht Israels negierende Ideologie der BDS-Kampagne sowie deren zentrale Rolle innerhalb der anti-israelischen Szene Berlins. Anhängerinnen und Anhänger von BDS Berlin verbreiten israelfeindliche Propaganda, mobilisieren für anti-israelische Aktionen und sind integraler Bestandteil des verfassungsschutzrelevanten anti-israelischen Veranstaltungsgeschehens.
Insgesamt beläuft sich das Personenpotenzial des Auslandsbezogenen Extremismus in Berlin auf ca. 1.680 Personen (2023: 1.670), von denen der Großteil (1.100 Personen) der PKK zuzurechnen ist.
Islamismus
Das Personenpotenzial der islamistischen Szene in Berlin ist im vergangenen Jahr weiter auf 2.440 Personen (2023: 2.380) angewachsen. Dieser Anstieg ist vor allem auf ein größeres Unterstützungspotenzial der HAMAS zurückzuführen, das sich auf ca. 200 Personen beläuft. Der salafistischen Szene sind unverändert 1.100 Personen zuzurechnen, von denen etwa 350 als gewaltorientiert gelten. Mehrere islamistische Attentate in Deutschland belegen die anhaltend hohe Gefährdungslage durch dieses Spektrum. Als Radikalisierungstreiber fungiert im islamistischen Spektrum insbesondere die über soziale Netzwerke verbreitete Propaganda, die sich gezielt immer stärker an Jugendliche und auch Kinder richtet.
Rechtsextremismus
Das rechtsextremistische Personenpotenzial in Berlin beläuft sich unverändert auf 1.450 Personen (2023: 1.450). Neben den zentralen Akteuren innerhalb der rechtsextremistischen Szene, wie insbesondere der Partei „Der III. Weg“ und ihre Jugendorganisation „Nationalrevolutionäre Jugend“ (NRJ), hat sich im vergangenen Jahr eine neue rechtsextremistische Jugendkultur entwickelt. Auf der Grundlage eines losen ideologischen Fundaments aus vor allem homophoben, rassistischen und gegen „links“ gerichteten Ideologiefragmenten entwickelten sich aus zunächst virtuellen Netzwerken Gruppierungen, die auch realweltlich und zunehmend aggressiv – insbesondere am Rande von CSD-Veranstaltungen – in Erscheinung traten. Bei der Mehrheit der Anhängerinnen und Anhängern dieser neuen rechtsextremistischen Jugendkultur zeigte sich ein enormes Maß an Provokationswillen, Aggressivität und Gewaltaffinität.
Linksextremismus
Die linksextremistische Szene Berlins wurde im vergangenen Jahr vor allem von den israelfeindlichen Aktivitäten dogmatischer Gruppierungen und einer neuen Militanz von Teilen des autonomen und anarchistischen Spektrums geprägt. Anhängerinnen und Anhänger dogmatischer Gruppierungen wurden zum integralen Bestandteil der anti-israelischen Szene in Berlin und insofern auch Teil entsprechender israelfeindlicher Aktionen und Proteste. Im autonomen Spektrum instrumentalisierten Kampagnen die Themen Umwelt- und Klimaschutz, um damit Angriffe auf Firmen und Infrastruktureinrichtungen zu rechtfertigen. Das Personenpotenzial der Szene ist weiter auf 3.800 Personen angewachsen (2023: 3.700). Dieser Zuwachs ist in erster Linie auf einen Anstieg des Unterstützungspotenzials der nicht-gewaltorientierten „Roten Hilfe Berlin“ zurückzuführen.
Der aktuelle Jahresbericht des Berliner Verfassungsschutzes ist online abrufbar unter: “Verfassungsschutzberichte”
Neues Verfassungsschutzgesetz
Parallel zum Verfassungsschutzbericht hat der Senat von Berlin heute auch eine Neufassung des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Berlin beschlossen. Mit dem Gesetzentwurf werden einerseits Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts an verhältnismäßige Datenerhebungs- und Datenübermittlungsbefugnisse sowie einer externen Vorab-Kontrolle für eingriffsintensive nachrichtendienstliche Mittel umgesetzt. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, enthält der Entwurf darüber hinaus auch Regelungen zur Bestandsdatenauskunft von Telekommunikationsunternehmen und der Unterrichtung der Öffentlichkeit über Verdachtsfälle. Mit der Gesetzesreform gibt der Senat dem Berliner Verfassungsschutz eine moderne und zukunftsfeste rechtliche Grundlage, die auch deutlich macht, dass der Berliner Verfassungsschutz ein wesentlicher Baustein der Sicherheitsarchitektur in Berlin ist und bleibt.